Die Bernerinnen und Berner haben sich mit 63,9 Prozent am Sonntag deutlich für mehr Klimaschutz ausgesprochen:
Als schweizweit erster Kanton schreibt Bern einen verhältnismässig ambitionierten Auftrag in die Verfassung: Bis 2050 muss er nun alles in seiner Macht mögliche dafür tun, dass das Ziel von netto null Treibhausgas-Emissionen erreicht wird.
Was besonders auffällt: Noch vor drei Monaten versenkten die ländlichen Gebiete das CO2-Gesetz klar. Nun befürwortet die Landbevölkerung (insbesondere im Seeland/Jura) den Klimaschutz-Artikel, den ausser der SVP alle grossen Parteien unterstützten.
Ein Verfassungsartikel ist erst einmal nicht mehr als ein guter Vorsatz, der niemandem weh tut. Angepasste Autosteuern oder Ölheizungs-Bann: Der grosse Zank wird erst bei der Umsetzung losgehen. Dennoch verpflichtete sich der Kanton, jetzt mit dem Klimaschutz vorwärts zu machen. «Bern setzt damit ein ganz wichtiges Zeichen. Das klare Ja gibt dem Klimaschutz nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes Rückenwind. Die Blockade ist gelöst», sagt Grünen-Nationalrätin Regula Rytz zu watson.
Wenige Wochen nach dem «Wunder von Glarus» gibt die Klima-Allianz ein weiteres Lebenszeichen. Anfang September sprach sich die Glarner Landsgemeinde völlig überraschend für ein Verbot von fossilen Heizungen aus.
Rytz erklärt den Berner Widerstand gegen das CO2-Gesetz auch mit einem Kommunikationsproblem: «Wir hätten viel besser aufzeigen müssen, dass Klimaschutz Energie nicht verteuert, sondern sogar billiger machen kann. Auch für die Landbevölkerung. Die Vorteile müssen wir noch stärker betonen.» Auch E-Autos seien heute nicht mehr teurer als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. «Auf dem Land muss daher die entsprechende Ladeinfrastruktur geschaffen werden. Das ist eine öffentliche Aufgabe.»
Der Präsident der Grünliberalen, Jürg Grossen, wohnt in Frutigen im Berner Oberland und erlebt die Unterschiede zwischen Stadt und Land hautnah. mit. Erstmals herrsche nun ein breiter Konsens, dass etwas getan werden müsse. «Das klare Resultat ist ein deutliches Bekenntnis der Bevölkerung zu mehr Klimaschutz.»
Die grosse Aufgabe sei nun, Lösungen zu bringen, wie man diesen Volksauftrag umsetze. Positiv stimme ihn zudem, dass sich in der Wirtschaft viele Unternehmen auch ohne gesetzliche Regulierung ehrgeizige CO2-Ziele Richtung Netto-Null setzten.
Ob Solarenergie, Wind- oder Wasserkraft: Gerade bei der Energieproduktion seien die Stadtbevölkerung auch auf das Land angewiesen. «Wir müssen alle ins Boot holen», so Grossen. Auch Rytz stellt klar, dass die Leute auf dem Land nicht mehr für den Privatverkehr zahlen sollen.
Für die Berner Klimastreikerin Lena Bühler ist das klare Ja des Kantons Bern ein deutliches Zeichen, dass breite Teile der Bevölkerung die «Dringlichkeit der Klimakrise» erkannt hätten. «Die extremen Wetterereignisse diesen Sommer haben sicher dazu beigetragen», so die Studentin. Ein weiterer Grund für die hohe Zustimmung sei wohl, dass sich die Öl-Lobby nicht gegen den Verfassungszusatz engagiert habe.
So oder so habe man noch mehr Argumente für mehr Klimaschutz in der Hand. Nun sei es an der Zeit, Massnahmen aus dem Klimaaktionsplan der Bewegung umzusetzen. Dies sei umso wichtiger, als das globale Treibhausgasbudget bei konstanten Emissionen schon vor 2030 aufgebraucht sei, wie der neuste Bericht des Weltklimarates IPCC gezeigt habe.« Die Schweiz als hochentwickeltes Land muss netto null viel rascher erreichen als erst 2050.»
Versenktes CO2-Gesetz hin oder her: Die Musik punkto Klimaschutz spielt in den Kantonen. Sie bestimmen über Fahrzeugbesteuerungen oder Vorgaben bei den Gebäudesanierungen, die zusammen gegen 60 Prozent der Emissionen ausmachen. Die nächsten Schritte:
Auf nationaler Ebene hat Umwelt- und Energieministerin Simonetta Sommaruga kürzlich die neuen Leitlinien des revidierten CO2-Gesetzes präsentiert. Dieses sieht Anreize statt Verbote vor:
Die Gletscher-Initiative verlangt einen raschen Ausstieg aus den fossilen Energien, damit die Schweiz das Ziel von netto 0 2050 tatsächlich erreicht. Der Bundesrat hat kürzlich einen Gegenvorschlag präsentiert. Wann wir über die Initiative abstimmen, ist noch nicht klar.
Sobald es dann un Massnahmen geht, wird sich zeigen wie ernst es der Bevölkerung wirkli ist…