Es ist der Höhepunkt einer Justiz-Saga, die vor zweieinhalb Jahren ihren Anfang fand: Das Zürcher Obergericht hat am Dienstag eine Klimaaktivistin in zweiter Instanz der Nötigung schuldig gesprochen. Sie erhielt eine bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 30 Franken und muss die Verfahrenskosten von insgesamt 6100 Franken bezahlen. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
Was ist passiert? Die Aktivistin hatte gemeinsam mit Hunderten anderen Aktivisten der Organisation Extinction Rebellion in der ersten Oktoberwoche 2021 an unbewilligten Kundgebungen in Zürichs Innenstadt teilgenommen. Am 5. Oktober setzte sich die Beschuldigte mit einigen anderen Personen auf die Rudolf-Brun-Brücke. Ihr Ziel: den Verkehr in Zürich lahmzulegen und so nach eigenen Angaben eine «entschlossenere und effektivere Klimapolitik» zu fordern.
Die nun verurteilte Klimaaktivistin war eine von vielen, die schliesslich von der Polizei fortgetragen und festgenommen wurden. Die heute 48-Jährige verbrachte zwei Tage in Haft. Das ist die Maximaldauer, die ohne richterlichen Beschluss verhängt werden darf. Zudem musste sie eine DNA-Probe geben und eine Leibesvisitation am nackten Körper über sich ergehen lassen.
Wie zahlreiche weitere Aktivistinnen wurde die Frau später per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Der Vorwurf: Nötigung. Die 48-Jährige focht das Urteil an und zog es vor Gericht. In der ersten Instanz am Bezirksgericht Zürich sprach Einzelrichter Roger Harris sie frei, vor allem wegen mangelhafter Beweiserbringung seitens der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft zog das Urteil sogleich weiter ans Obergericht – wie sie das konsequent mit allen Freisprüchen anderer Extinction-Rebellion-Aktivisten tat.
Der Bezirksrichter Roger Harris darf mittlerweile nicht mehr über Fälle von Klimaaktivisten urteilen. Das Bundesgericht hat ihn wegen Äusserungen als befangen erklärt, die er während des Verfahrens gegen die nun verurteilte Frau getätigt hatte. Er habe sich mit ihr solidarisiert.
Gemäss dem Onlinemagazin «Republik», das als einziges Medium an der Verhandlung vor Ort war, sagte er, er sei «nicht mehr bereit, friedliche Demonstranten schuldig zu sprechen». Zur Beschuldigten sagte er, sie solle sich nicht einschüchtern lassen. Und zu ihren Söhnen gewandt:
Vor dem Obergericht hatten die Beschuldigte und ihr Anwalt nun darauf gehofft, sich einerseits auf einen Brief von fünf UNO-Sonderberichterstattenden und andererseits auf das Klimaseniorinnen-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) beziehen zu können.
Die UNO hatte sich diesen Frühling in einem Brief besorgt gezeigt, wie die Schweizer Strafverfolgungsbehörden mit den Klimaaktivisten umgegangen waren. Sie schrieb unter anderem, die Schweiz müsse sicherstellen, dass friedliche Umweltschützer ihre Aktivitäten ohne Angst vor Kriminalisierung jeglicher Art durchführen könnten. Eine Woche später befand der EGMR in einem spektakulären und umstrittenen Urteil, die Schweiz tue zu wenig gegen den Klimawandel.
Internationaler Druck im Doppelpack also. Der Oberrichter Christoph Spiess zeigte sich davon aber unbeeindruckt.
Der Beschuldigten werde kein Vorwurf gemacht, an einer unbewilligten Demonstration gewesen zu sein, sagte er in der Urteilsbegründung. «Bei zivilem Ungehorsam müssen die Behörden eine gewisse Toleranz walten lassen.» Die vorsätzliche Störung des Strassenverkehrs bleibe aber rechtswidrig. Der Klimawandel sei ein ernsthaftes Problem, räumte er ein, aber es gebe andere, tauglichere und straffreie Wege, um ihn zu bekämpfen.
Allerdings zweifelte der Oberrichter daran, ob die zweitägige Haft, die DNA-Probe und die Leibesvisitation durch die Polizei gerechtfertigt gewesen seien. Seiner Meinung nach: «grenzwertig». «Das riecht schon nach ‹Abschreckungseffekt›, wenn friedliche Demonstranten 48 Stunden weggesteckt werden», sagt er. So bekämen die Menschen Angst, für ihre Meinung einzustehen. «Und das wollen wir nicht.» (bzbasel.ch)
Gut das unsere Judikative nicht auf internationalen oder andere Druckversuche reagiert, denn diesem Druck nach zu geben würde heissen, das sie nicht mehr unparteiisch aufgrund unserer geltenden Gesetze urteilen. Solche Einmischungversuche und Übersteuerungsversuche von ausserhalb unseres Rechtsstaats sind konsequent zurückzuweisen!
Der Oberrichter hat mit seinen Aussagen Augenmass bewiesen👍