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Du willst nur das Beste? Voilà:
Liebe Parteien links
von der SVP
Nach den Wahlen muss
ich mit euch ein Hühnchen rupfen. Ich tue dies im Bewusstsein,
dass ich mit meinem Frust nicht alleine bin. Vielen geht es wie mir.
Wir sitzen vor den Parteilisten und zermarten uns das Hirn, welche wir ins Couvert legen sollen. Denn keine Partei vermag uns zu
überzeugen. Wir, das sind jene Wählerinnen und Wähler, die sich
politisch in der linken Mitte situieren. Man kann uns als
linksliberal oder besser noch als grün-sozial-liberal bezeichnen.
Ich höre ihn
schon, den Wischiwaschi-Vorwurf. Dabei ist die Definition
simpel: Menschen wie ich wünschen uns einen Staat, der dem
Individuum ein Höchstmass an Freiheit ermöglicht, mit zwei
Einschränkungen: Schutz für die Umwelt und die sozial Schwachen.
Der Grundsatz dabei: So viel wie nötig und so wenig wie möglich. In
der Praxis ist das leichter gesagt als getan. Gerade im ökologischen
und sozialen Bereich stehen enorme Herausforderungen an.
Das aber sollte kein
Grund sein, uns zu vernachlässigen. Noch vor rund zehn Jahren
buhlten die Parteien um uns Linksliberale.
Das hat sich gründlich geändert, wie der Politgeograf Michael
Hermann bereits 2010 im «Tages-Anzeiger» festgestellt hat: «Bei
der SP ebenso wie bei der FDP gilt der Begriff ‹sozialliberal› als verpönt. Wer seine Parteikarriere nicht ernsthaft gefährden
will, tut alles, um nicht mit dem Unwort in Verbindung gebracht zu
werden.»
Man kratzt sich am
Kopf und versteht die Welt nicht mehr. Linksliberal ist kein
Karrierekiller, im Gegenteil. Prägnante Persönlichkeiten mit einem
derartigen Profil stehen beim Wahlvolk hoch im Kurs. Sehr hoch sogar.
Zum Beispiel Pascale Bruderer: Der Aargau ist am 18. Oktober noch ein
Stück weiter nach rechts gerückt, die SP-Ständerätin aber wurde im ersten Wahlgang locker wiedergewählt. Oder Daniel
Jositsch: Er eroberte im Kanton Zürich erstmals seit 32 Jahren einen
Ständeratssitz für die SP, gleich im ersten Wahlgang gegen starke
Konkurrenz.
Es gäbe viele
Beispiele dieser Art, ich will sie nicht erst aufzählen.
Grün-sozial-liberal scheint für einen erheblichen Teil der Menschen
im Land eine attraktive, nachhaltige und zukunftsträchtige
Ausrichtung darzustellen. Es ist ein beachtliches Potenzial, das die
Parteien ausschöpfen könnten. Doch sie wollen nicht. Oder schlimmer noch:
Sie zählen darauf, dass wir sie mangels Alternative sowieso wählen.
Viele Linksliberale wählen sie, als kleinstes Übel. Daniel Jositsch hat ihr Potenzial erkannt, wie er eine Woche nach der Wahl in der «SonntagsZeitung» festhielt: «Links von uns ist das Wählerreservoir verschwindend klein. Wir müssen rechts wachsen, so wie Simonetta Sommaruga und Rudolf Strahm es einmal mit ihrem Gurten-Manifest versucht haben.»
Der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr legte im Interview mit der NZZ nach: In der SP müsse es «Platz haben für akzentuiert Sozialliberale wie Pascale Bruderer, Tim Guldimann, Daniel Jositsch oder mich». Die Juso haben Fehr wegen des Kaufs eines Staatstrojaners angezeigt. In der Partei gebe es Kräfte, «die alle Andersdenkenden hinausdrängen, mundtot machen wollen». Eine Öffnung zur Mitte grenzt für die Parteileitung an Hochverrat. Deshalb bleibt die SP bei 20 Prozent kleben.
Früher hatte sie
einen starken linksliberalen Flügel mit markanten Persönlichkeiten.
Davon ist wenig geblieben. Unter den Parteichefs Fulvio Pelli und
Philipp Müller wurde die Partei konsequent rechts situiert. Selbst
der Begriff Mitte ist inzwischen verpönt. In sozialen und vor allem
ökologischen Fragen politisiert sie entsprechend. Kaum jemand kann
oder will sich daran erinnern, dass Elisabeth Kopp einst wegen ihres
grünen Images die erste Bundesrätin der Schweiz wurde.
Ihr
christlichsozialer Flügel vertrat traditionell Positionen links der
Mitte. Auf Bundesebene aber wurde er ähnlich marginalisiert wie die
Linksfreisinnigen. Unter dem Präsidium von Doris Leuthard wollte die
Partei nach der Abwahl von Bundesrätin Ruth Metzler 2003 mit einem
sozialliberalen Kurs neue Wählerschaften in den städtischen
Gebieten erschliessen. In Ansätzen gelang dies, doch ein
nachhaltiger Erfolg stellte sich nicht ein. Nach Leuthards Wahl in
den Bundesrat 2006 fand die Kehrtwende statt. Heute ist die CVP eine
Partei, die klar nach rechts tendiert.
Sie hat sich in den
letzten Jahren tatsächlich als Mitte-links-Partei etabliert. Ihr
Problem ist der Stallgeruch. Linksliberale urbane Menschen sind in
der Regel säkular, sie können mit religiös konnotierten Parteien
wenig anfangen. Aus diesem Grund ist auch die CVP bei ihrem «Sturm
auf die Städte» gescheitert.
Sie ist neben der SP
die zweite Partei, die viele Stimmen von uns erhält (die Grünen mit
ihrem klar linken Kurs will ich hier gar nicht erwähnen). Ähnlich
wie bei den Sozis geschieht dies meist ohne echte Überzeugung. Die
Partei gibt sich zwar grün und liberal, sie hat aber Defizite im
sozialen Bereich. In ihrem eifrigen Einsatz für einen schlanken
Staat und tiefe Steuern übertrifft sie teilweise sogar die SVP. So
etwas schafft wenig Vertrauen, auch wenn wir Mitte-Linken durchaus
auf Eigenverantwortung und einen haushälterischen Umgang mit
Steuergeldern Wert legen.
Die Partei braucht
nach ihrer Wahlniederlage und dem Verlust von Aushängeschild Eveline
Widmer-Schlumpf ein neues Image. Grün-sozial-liberal könnte die
Richtung vorgeben, und tatsächlich sieht Parteichef Martin Landolt
die BDP als «progressive bürgerliche Alternative», wie er im
Interview mit watson erklärte. Man wünscht ihm viel Glück, denn ob
die Partei mit ihren SVP-Wurzeln dazu in der Lage ist, bleibt offen.
Bislang ist das nur eine Absichtserklärung.
Es gab einmal eine
Partei, die unsere Anforderungen weitgehend erfüllt hat: Der
Landesring der Unabhängigen (LdU). In den 1960er Jahren erreichte er
fast zehn Prozent Wähleranteil, er stellte den Stadtpräsidenten von
Zürich und einen Ständerat im grössten Kanton der Schweiz. Zum
Verhängnis wurde ihm die Abhängigkeit von der Migros, deren Gründer
Gottlieb Duttweiler auch den LdU ins Leben gerufen hatte. Als sich
die Partei für grüne Anliegen öffnete, entzog ihr der
Detailhändler die finanzielle Unterstützung. 1999 war der stark
geschrumpfte Landesring am Ende.
Ein abschreckendes
Beispiel? Die Zeiten haben sich geändert. Klimawandel, Sharing
Economy, NSA-Skandal und andere gesellschaftliche Entwicklungen
bieten einen idealen Nährboden für ein grün-sozial-liberales
Programm. Dennoch behandeln uns die Parteien wie Aussätzige. «Die
linke Mitte muss wahrlich ein ganz grimmiger Ort sein», schrieb
Michael Hermann 2010.
Liebe Parteien links
von der SVP, müssen wir Grünsozialliberalen darauf hoffen,
dass irgendwann eine neue, moderne Partei gegründet wird, die unsere
Anliegen vertritt? Den Idealzustand werden wir nie bekommen, das
wissen wir selbst. Zu einer Demokratie gehört der Kompromiss. Aber
mehr als das, was ihr zu bieten habt, darf man schon erwarten.
In diesem Sinne
verbleibe ich mit heiter-melancholischem Gruss,
Euer Peter Blunschi
Das Problem ist doch, dass jeder Partei ein unangenehmer Stallgeruch anhängt:
- SP: Kapitalismuskritik, Revolution, reiche Städter
- FDP: Wirtschaft
- CVP: Die Konservativen
- EVP und GLP: Ein paar Einzelpersonen
- BDP: Ex-SVP-ler, die jetzt links denken? suspekt...
Insofern bräuchte es eine neue Partei. Aber für die hat es:
a) keinen Platz (es gibt so viele Parteien)
b) kein Personal. Die potenzielle Wähler stehen im Berufsleben und haben keine Zeit für mühselige Politik..