Schweiz
Leben

Kantonsrat Zürich prüft Kompostierung als neue Bestattungsform

dünger mist schweinemist kuhmist humus Shutterstock
Beim «Re-Erding» werden Leichname innert sechs Wochen zu Humus.Bild: Shutterstock

Kompost statt Krematorium? Zürcher Kantonsrat befürwortet «Reerdigung»

Der Zürcher Kantonsrat prüft eine neue Bestattungsform. Doch während Befürworter von einer umweltfreundlicheren Alternative sprechen, ist die Methode in Deutschland umstritten.
18.02.2025, 12:1218.02.2025, 16:50
Thomas Wey
Thomas Wey
Mehr «Schweiz»

Man sagt, es gebe zwei Dinge, die im Leben sicher sind: Steuern und der Tod. Und für das, was nach Steuern und Tod kommt, gab es in der Schweiz bisher zwei Möglichkeiten: die klassische Erdbestattung oder die Kremation. Nun könnte im Kanton Zürich eine dritte Option dazukommen – die «Reerdigung».

Nie gehört? Im Grunde handelt es sich um eine Art Kompostierung, wie man sie aus dem eigenen Garten kennt – nur eben für Menschen und würdevoller.

Wie funktioniert «Re-Erding»?

Am Montag diskutierte der Zürcher Kantonsrat über die Zulassung dieser alternativen Bestattungsmethode. Das Prinzip ist simpel: Der Leichnam wird in eine Kapsel gebettet, umgeben von Stroh, Heu, Kräutern und Blumen. Mikroorganismen zersetzen den Körper innerhalb von sechs Wochen zu Humus.

Die Umwandlung des Körpers zu nährstoffreicher Erde erfolgt in diesem geschlossenen System ohne Würmer oder Insekten. Übrig bleibende Knochenreste werden zerkleinert und dem Humus beigemischt.

Dass diese Bestattungsart im Zürcher Kantonsrat diskutiert wurde, geht auf einen politischen Vorstoss von Herbert Ammann aus Kilchberg zurück.

Was will die Initiative?

Der 76-Jährige möchte mit seiner Einzelinitiative erreichen, dass die Reerdigung offiziell als dritte Bestattungsform gesetzlich zugelassen wird. «Es liegt auch in meinem persönlichen Interesse», schreibt er in der Initiative.

Das Zürcher Gesundheitsdepartement zeigt sich grundsätzlich offen für neue Bestattungsformen, misst dem Thema aber keine hohe Priorität bei. Also nahm Ammann die Sache im vergangenen Herbst selbst in die Hand und reichte seine Initiative ein.

Wie möchtest du am liebsten bestattet werden?
An dieser Umfrage haben insgesamt 1464 Personen teilgenommen

Was sagt die Politik?

Wie die NZZ berichtet, sind im Kantonsrat nicht alle von der Methode überzeugt. Der SVP-Politiker Ueli Bamert hält die Idee für «absurd». Man wisse seit tausenden Jahren, wie man beerdigt. Ausserdem hat er praktische Bedenken: Was passiert mit Medikamentenresten im Körper? Und was macht man am Ende mit der Erde? «Ins Gemüsebeet?», fragt Bamert.

ZUM ALLERHEILIGEN DIESEN SAMSTAG, 1. NOVEMBER, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUE BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- General view of the cemetery Enzenbuehl , pictured in Zurich, Switzerland, on October 30 ...
Heute sind in der Schweiz nur zwei Bestattungsformen zugelassen: Erdbestattungen und Kremation.Bild: KEYSTONE

Laut dem Verein «Werde Erde Schweiz» wird der entstandene Humus nach dem Prozess wie bei anderen Bestattungsformen beigesetzt. Der Verein sieht damit im «Re-Erding» eine ökologische Alternative zu den etablierten Bestattungsformen und setzt sich für eine Legalisierung der Methode in der Schweiz ein.

Vorstandsmitglied Nuria Frei betont, dass eine Reerdigung in der Schweiz rechtlich möglich wäre, wenn die entsprechenden Gesetze angepasst würden. Allerdings seien dafür wissenschaftliche Daten erforderlich – ein Pilotprojekt soll dazu Klarheit schaffen.

Was spricht dagegen?

Während in der Schweiz bislang keine Reerdigung durchgeführt wurde, fand in Deutschland vor drei Jahren eine solche Bestattung statt. Das Start-up «Meine Erde» betreibt in Schleswig-Holstein ein entsprechendes Pilotprojekt – allerdings begleitet von Kontroversen.

Das Nachrichtenmagazin Spiegel warf dem Unternehmen vor, mit irreführenden Werbeaussagen zu arbeiten. So wurde unter anderem behauptet, dass bei der Reerdigung keine Schadstoffe entstehen – eine Behauptung, die das Landgericht Berlin als unzulässig erklärte.

Auch abgesehen von den Werbeaussagen reagieren die Bundesländer insgesamt zurückhaltend auf neue Bestattungsform. Derzeit ist die Reerdigung nur in Schleswig-Holstein erlaubt – im Rahmen einer Erprobung. Bayern und Nordrhein-Westfalen haben entschieden, die Methode nicht zuzulassen.

Wie geht es weiter?

Im Zürcher Kantonsrat wurde das Re-Erding ebenfalls kontrovers diskutiert. Der Vorschlag von Herbert Ammann konnte jedoch die erste Hürde aber überwinden: 101 Mitglieder stimmten dafür, das Konzept weiter zu prüfen.

Video: ch media/Tele Züri

Die Diskussion nahm dabei teils skurrile Züge an – so schlug Markus Schaaf von der EVP etwa sarkastisch Seebestattungen im Greifensee, Wikingergräber auf dem Uetliberg und Einbalsamierungen unter dem Zürcher HB vor.

Der Regierungsrat wird nun einen Bericht verfassen. Anschliessend wird der Kantonsrat erneut darüber entscheiden müssen, ob Zürich tatsächlich einen Pilotversuch zur Reerdigung startet.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Vertikaler Friedhof
1 / 13
Vertikaler Friedhof
Der vertikale Friedhof in Petach Tikva bei Tel Aviv.
quelle: ap / dan balilty
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Die letzte Ruhestätte ist nicht automatisch der Friedhof
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
75 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
so wie so
18.02.2025 12:29registriert Juli 2015
"Begründung: Sie störe das Pietätsempfinden und verletze die Würde des Verstorbenen."- Exgüsi, über mein Pietätsempfinden entscheide ich gerne noch selbst. Wenn ich eine Kompostierung für meinen Körper als würdevoll erachte, dann sollen sich andere nicht daran stören. Für mich persönlich bevorzuge ich die Kremierung, aber wenn andere sich lieber kompostieren lassen wollen, dann ist das ihre Sache.
922
Melden
Zum Kommentar
avatar
saukaibli
18.02.2025 13:28registriert Februar 2014
"...verletze die Würde des Verstorbenen." Also erstens kann immer noch jeder selber entscheiden, wie er bestattet werden will und zweitens soll mir mal einer einen Toten zeigen, der sich daran stört, dass seine Würde verletzt worden sein soll.
Von mir aus können sie meine Überreste auch den Löwen im Zoo zum Frass vorwerfen. Ja OK, vielleicht würden die sich den Magen verderben an mir, also lieber doch kompostieren.
452
Melden
Zum Kommentar
avatar
Händlmair
18.02.2025 12:32registriert Oktober 2017
Wo kann ich mich anmelden? Das wäre genau das was ich mir für mein Ende wünschen würde.

Dem sich verbrennen oder einfach verbuddeln, kann ich seit Jahren nichts abgewinnen.
354
Melden
Zum Kommentar
75
Facebook-Konzern verspricht «persönliche Superintelligenz»
Mithilfe seiner Milliardengewinne aus der Online-Werbung will der Facebook-Konzern eine Führungsposition bei Künstlicher Intelligenz erobern. Die Vision von Meta sei, «persönliche Superintelligenz für jeden» verfügbar zu machen, sagte Gründer und Chef Mark Zuckerberg nach der Vorlage aktueller Quartalszahlen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass «die Welt in wenigen Jahren ziemlich anders aussehen wird».
Zur Story