Bedrohungen, sexuelle Belästigung, Massenschlägereien und Messerattacken – in gewissen Freibädern Deutschlands ist das bereits Realität. Das Problem bei unserem nördlichen Nachbarn ist so gross, dass sogar Bundeskanzler Olaf Scholz Polizeipräsenz in den Freibädern forderte.
Auch in der Schweiz konnte man bereits Schlagzeilen zur Gewaltbereitschaft in Badeanstalten lesen. So kam es vergangenes Jahr in einer Badi im Kanton Thurgau zu einer Massenschlägerei mit 30 Beteiligten.
Oder am vergangenen Abstimmungssonntag, dem 18. Juni, kam es zu einer Prügelei mit mehreren Personen inmitten der Badegäste des Berner Freibads Marzili.
Auf Anfrage von watson bei der Stadt Bern schreibt diese, dass es sich dabei um einen «Konflikt zwischen Aareschwimmenden und Aarebootsfahrenden» handelte. Die Stadtpolizei habe die Situation geregelt. «Grundsätzlich erachten wir die Gewaltbereitschaft in den Freibädern nicht als höher als an anderen öffentlichen Orten», schreibt die Stadt. Doch wie sieht es im Rest der Schweiz aus?
watson hat bei der Kantonspolizei von sieben Kantonen nachgefragt, wie die Situation in ihren Badeanlagen ist. Dabei zeigen sich merkliche Unterschiede. Im Kanton Schwyz etwa hat die Polizei keine Zahlen zu Tätlichkeiten und Körperverletzungen in Badeanstalten. «Weil es äusserst selten zu einer Tätlichkeit oder sogar zu einer Anzeige kommt», wie die Kantonspolizei auf Anfrage mitteilt. Gleich gehandhabt wird das in den Kantonen Luzern sowie Bern.
Anders sieht es aus beim Kanton Waadt, der Freibäder am Genfer- und Neuenburgersee hat. Seit 2019 haben die Vorfälle in den Badeanstalten leicht zugenommen. 2019 wurden noch drei Körperverletzungen und zwei Tätlichkeiten registriert. Vergangenes Jahr waren es drei Körperverletzungen und sieben Tätlichkeiten. «Da es sich hierbei um Fälle handelt, die der Polizei gemeldet wurden, ist es wahrscheinlich, dass es noch einige Fälle mehr gibt», schreibt die Kantonspolizei Waadt auf Anfrage.
In der Waadt unterscheidet man sogar nach Art der Badeanstalt. Die meisten Tätlichkeiten geschahen in Freibädern, dann in Thermalbädern und Hallenbädern.
Auch im Kanton St.Gallen gibt es mit dem Zürich-, Walen- und Bodensee viele Freibäder. Wie oft die Polizei in Badeanstalten ausrücken musste, hat sie nicht erfasst. Doch gemeldete Fälle mit Körperverletzungen und Tätlichkeiten in Badeanstalten zeichnet man auch in St.Gallen auf.
2019 kam es in den Bädern des Kantons zu einer Körperverletzung sowie drei Tätlichkeiten. Danach folgten zwei ruhigere Jahre, bis es 2022 zu zwei Fällen mit Körperverletzungen und einer Tätlichkeit kam. Für das Jahr 2023 wurden bereits drei Fälle von Tätlichkeiten registriert.
Ebenfalls ein geringes Problem stellen Tätlichkeiten und Körperverletzungen in Bädern des Kanton Aargaus dar. Zahlen liefert die Kantonspolizei nur für beides zusammen. 2019 kam es zu drei Anzeigen, 2020 zu zwei, 2021 lediglich eine und 2022 wieder zwei.
«Zahlen zu Interventionen lassen sich hingegen nicht auswerten. Polizeieinsätze in Badeanstalten wegen Auseinandersetzungen oder Ähnlichem bilden eher die Ausnahme», schreibt die Aargauer Kantonspolizei auf Anfrage.
Von den Befragten am meisten Fälle und Anzeigen verzeichnet der Kanton Zürich. 2019 kam es zu insgesamt acht Tätlichkeiten und Körperverletzungen in Badeanstalten. 2020 gar zu 14 Fällen, wovon elf Tätlichkeiten waren.
2021 wurden es drei Anzeigen ausgesprochen und 2022 erneut 14. Bei keinem der Vorfälle handelte es sich jedoch um schwere Körperverletzung.
Interessant ist, wie viele davon in der grössten Stadt des Kantons, in Zürich selbst, passierten. Von 2019 bis zum 20. Juli 2023 wurden in den Badeanstalten der Stadt 13 Körperverletzungen und elf Tätlichkeiten registriert.
Felix Mössinger ist Präsident des Badiverbunds OASE, der 29 Freibäder in den Regionen Oberaargau, Seeland und Emmental vereint. Dass es zu heftigen Auseinandersetzungen mit Körperverletzung und Tätlichkeiten kommt, nimmt Mössinger «eher selten» wahr, wie er zu watson sagt. Doch: «Ich habe schon einige grenzwertige Wortwechsel gehört, wo man zuerst versucht, die Situation zu schlichten. Wenn es in Richtung Bedrohung geht – auch gegenüber dem Personal –, sollte man die Polizei rufen.» Dies sei der beste Weg, um das Personal aus der Schusslinie zu nehmen und zu schützen.
«Ich schätze, dass jede Schweizer Badi ein- bis zweimal pro Saison die Polizei rufen muss – die ganz kleinen Freibäder vielleicht ausgenommen», sagt Mössinger. Zudem sei es bei städtischen Badis noch anders als auf dem Land. «Im Grossen und Ganzen herrscht aber Frieden in den Badeanstalten», ist Mössinger überzeugt.
Beim Schweizerischen Badmeister-Verband (SBV) hat man eine klare Haltung, wie man mit unangenehmen Gästen umgehen soll. SBV-Vizepräsidentin Sibylle Rykart sagt zu watson: «Jedes Bad hat eine Badeordnung, wie sich Gäste verhalten sollen. Wer sich nicht daran hält, den sollen die Badmeisterinnen und Badmeister darauf aufmerksam machen – meistens genügt das.» Der SBV rate jeder Badmeisterin und jedem Badmeister, präventiv zu handeln.
Wie oft die Polizei tatsächlich schweizweit in die Freibäder ausrückt, könne sie nicht beziffern. Doch Rykart sagt: «Bei Bädern, die sehr gross und beliebt sind, wäre es sinnvoll, wenn die Polizei regelmässig patrouilliert. Das hat einen abschreckenden Faktor für Gewalt und ist die beste Präventivarbeit.»
Das macht mich traurig....