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Flug ohne Koffer: Swissport nennt Zahlen zum neuen Koffer-Chaos

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Ein Swissport-Angestellter sortiert die Gepäcke der Passagiere am Flughafen Zürich.Bild: keystone

Flug ohne Koffer: Swissport nennt Zahlen zum neuen Koffer-Chaos

Neue Zahlen zeigen, wie oft eine Maschine von Zürich aus ohne Koffer an Bord startet - ohne dass dies die Fluggäste vorher erfahren. Dafür gibt es mehrere Gründe. Nun muss die Bodenabfertigungsfirma Swissport Aushilfen aus Zypern einfliegen.
16.09.2023, 11:13
Benjamin Weinmann / ch media
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Streikende Fluglotsen, Wetterkapriolen, Lieferkettenengpässe: Die Coronapandemie ist zwar vorbei und die Buchungszahlen schiessen in die Höhe, doch die Luftfahrt ist seit dem Ende der grössten Krise ihrer Geschichte nach wie vor mit vielen anderen Problemen konfrontiert. «Seit Corona funktioniert das Ökosystem Aviatik nicht mehr», sagt ein bekannter Schweizer Airline-Manager. Das zeigt sich auch hierzulande: Laut einer aktuellen Auswertung des Portals «Flightright» startete mehr als jeder dritte Flug im Sommer in der Schweiz mit mindestens 15 Minuten Verspätung. Das ist der höchste Wert in ganz Europa.

Das nach wie vor grösste Problem ist der weltweite Personalmangel, der das System täglich vor eine Zerreissprobe stellt - mit Folgen für Airlines und Passagiere, die man zuvor nicht kannte. Zu einem extremen Beispiel kam es vergangenes Wochenende wieder: Der Swiss-Flug WK226 landete am Samstagabend in Bilbao ohne einen einzigen Check-in-Koffer im Gepäck. Eine Information der Airline blieb aus und so warteten die Fluggäste vergeblich beim Gepäckförderband. Sie hätten auch auf Godot warten können.

15 Flieger ohne Gepäck und 28'600 verspätete Koffer

Auf Anfrage von CH Media nennt die Schweizer Bodenabfertigungsfirma Swissport, die auch für alle Swiss-Flüge in Zürich zuständig ist, erstmals Zahlen zum neuen Koffer-Chaos. Demnach hat die ehemalige Swissair-Tochter im laufenden Jahr bis am 10. September rund 62'000 Flüge abgefertigt. «Davon sind 15 Flieger ohne Gepäck abgehoben, was einem prozentualen Anteil von 0.024 Prozent entspricht», sagt Sprecherin Nathalie Berchtold.

Das bedeutet im Umkehrschluss zwar, dass das Gepäck in 99 Prozent der Fälle rechtzeitig und korrekt verladen wird, sofern das Gepäckstück mindestens 40 Minuten vor Abflug eingecheckt wird, wie Berchtold betont. Und dennoch: Die 15 Fälle sind ein neues Phänomen. Für die Fluggesellschaften wie jene von Swiss-Chef Dieter Vranckx sind sie ein grosser Imageschaden und für die betroffenen Passagiere ein Frust, der die Ferienfreude zum Verfliegen bringt. Zudem dürften auch bei den restlichen Flügen nicht immer alle Koffer an Bord gelangen. Zahlen dazu kann Swissport keine nennen.

Die Swiss hingegen schon. «Die weltweite Luftfahrtbranche hat seit einiger Zeit mit Ressourcenengpässen zu kämpfen», sagt Sprecher Michael Pelzer. «Das verursacht leider auch bei uns vermehrt Unregelmässigkeiten im Flugbetrieb.» In der Hochsaison von Mitte Juli bis Mitte August seien 97.8 Prozent der total 1.3 Millionen Gepäckstücke wie geplant befördert worden. Heisst: 28'600 Gepäckstücke erreichten ihr Ziel nicht rechtzeitig.

Swissport holt Aushilfspersonal aus Zypern

«Trotz aller eigenen Bemühungen können wir leider nicht ausschliessen, dass es in einem so vernetzten System wie der Luftfahrt zu vereinzelten Unregelmässigkeiten kommt», sagt Pelzer. Ein Fall wie jener vom letzten Wochenende sei für die Fluggäste natürlich ein grosses Ärgernis und auch für die Swiss inakzeptabel. Man stehe in engem Kontakt mit Swissport und überprüfe nun gemeinsam die Prozesse, um die Wiederholung eines solchen Falls zu verhindern.

CH Media weiss: Bei der Swiss ist der Unmut wegen solcher Vorkommnisse gross. Schon vor einigen Monaten gab die Airline gegenüber den Medien zu, fehlendes Gepäck als kleineres Übel in Kauf zu nehmen, um zumindest die Passagiere rechtzeitig an ihr Ziel zu bringen. In diesem Fall bezahlt die Swiss für die kurzfristig nötige Anschaffung von Kleidern oder Hygieneartikeln den Passagieren je nach Buchungsklasse 100 bis 300 US-Dollar. Die Alternativen - starke Flugverspätung oder gar -annullation - kosten hingegen deutlich mehr, da dann hohe Umbuchungs- und Entschädigungszahlungen anfallen.

Nun reagiert Swissport-Chef Warwick Brady: «Wir werden in den kommenden Wochen am Flughafen Zürich gestaffelt Unterstützung von 15 Fachkräften aus Zypern, Genf und Basel erhalten», sagt Sprecherin Berchtold. Die Swissport-Angestellten von den anderen Flughäfen bleiben bis Ende Jahr in Zürich, um das Gepäckvolumen insbesondere während der Herbstferien zu bewältigen. Die Aushilfen aus Genf und Basel erhalten dafür einen Zustupf von 50 Franken pro Tag, jene aus Zypern 70 Franken.

Gewitter, Bise, Streiks

Nur: Wie konnte es so weit kommen? «Während des Sommerflugplans 2023 sind die Spitzen mit vielen Ankünften und Abflügen in einem kurzen Zeitfenster auf ein nie dagewesenes Niveau angestiegen», sagt Berchtold. Dies führe vermehrt zu Engpässen bei der Infrastruktur und beim Personal. «Wir stellen zudem fest, dass unsere Partner-Airlines von ihren Flugplänen öfters abweichen.»

Häufigste Gründe dafür seien exogene Faktoren wie Streiks oder technische Ausfälle bei der Flugsicherung oder Wetterverhältnisse, die den Flugverkehr kurzfristig beeinträchtigen. «Dies macht es für unsere Planung umso herausfordernder, eine entsprechende Personal- und Infrastrukturabdeckung zu gewährleisten», sagt Berchtold.

Ein weiteres Problem: Der vermehrte Einsatz von Flugzeugen mit so genanntem Offenverlad führt laut Berchtold dazu, dass die Koffer häufiger Stück für Stück verladen werden müssten, weil sie nicht bereits im Container zum Flugzeug transportiert werden. «Für einen Offenverlad braucht es mindestens 50 Prozent mehr Personal pro Flugzeug, als dies beim Containerverlad der Fall ist», sagt Berchtold. Zudem seien die Mitarbeitenden beim Offenverlad länger gebunden, wodurch sie nicht für einen nächsten Flieger eingeteilt werden können.

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Laut Swissport kommt es wegen der kurzfristigen Flugzeitänderungen vermehrt auch zum offenen Verlad des Gepäcks – das benötigt mehr Zeit als der Verlad von Containern.Bild: keystone

All diese externen Einflüsse würden sich über den Tag hinweg kumulieren, sagt Berchtold. «Da sich die Bodenabfertigungsdienste häufig am Ende der Dienstleistungskette befinden, wirken sich diese Effekte vor allem auf die abschliessenden Leistungen in und um das Flugzeug aus.» In seltenen Fällen werde dann von den Fluggesellschaften der Entscheid getroffen, bewusst Gepäck zurückzulassen, zum Beispiel weil die Nachtflugsperre näher rückt oder die Einsatzzeiten der Crew bei einer weiteren Verspätung nicht eingehalten werden könnten.

Berchtold verweist darauf, dass Swissport nach dem Abflauen der Pandemie massiv in die Rekrutierung investiert hat: Seit Anfang des Jahres hat die Firma in der Schweiz 1200 zusätzliche Personen eingestellt, davon allein 600 in Zürich. Aktuell fehlten 50 qualifizierte Fachkräfte bei total 2200 Mitarbeitenden. Zum Aufbau der benötigten Spezialisten hat Swissport ein internes Schulungsprogramm aufgebaut und die Planung so angepasst, dass ein rascherer Einsatz in Teilbereichen möglich ist.

«So weit dürfte es gar nicht kommen»

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Swissport-Angestellte aus Genf, Basel und Zypern müssen ab Herbst in Zürich aushelfen.Bild: keystone

Philipp Hadorn, Präsident der Bodenpersonalgewerkschaft SEV-Gata, anerkennt diese Bemühungen: «Jede Entlastung des bestehenden Personals, das tagtäglich unter enormem Stress körperliche Höchstleistungen erbringt, ist zu begrüssen.» Dass nun Aushilfspersonal von anderen Swissport-Standorten nach Zürich gebracht werde, dürfe aber höchstens eine Notlösung sein. «So weit dürfte es gar nicht kommen. Dass dies nötig ist, zeigt, dass Swissport die Attraktivität der Arbeitsbedingungen und die Löhne nach wie vor verbessern muss.»

Zudem sei es stossend, dass Swissport die Sozialpartner über dieses Vorhaben bisher nicht informiert habe. Und: Unter keinen Umständen dürfe der Beizug der Mitarbeitenden von ausländischen Standorten zu Lohndumping führen. Swissport müsse den Schweizer Lohnausgleich und die Mehraufwände vollständig bezahlen.

Für die Swiss stellt sich derweil die Frage, wie sie die Kommunikation bei weiteren drohenden Gepäck-Fiaskos verbessern möchte. Denn bisher erfahren die Passagiere erst bei der Ankunft, dass ihre Badehosen, Flipflops und der Reiseföhn noch in Zürich sind. «Das ist auch für uns im Cockpit eine unangenehme Situation», sagt ein Swiss-Pilot. «Denn wir müssen dann abheben, ohne die Passagiere über die fehlenden Koffer zu informieren.»

Andererseits: Würde dies noch vor Abflug kommuniziert, ginge die Swiss das Risiko ein, dass genervte Passagiere die Nerven verlieren würden. «Im Rahmen der Aufarbeitung des Bilbao-Falls werden wir aber auch diesen Prozess kritisch prüfen», sagt Swiss-Sprecher Pelzer.

Heute werden die Passagiere automatisch via Handy oder E-Mail über das zurückgebliebene Gepäck informiert. Dieses wird dann an die gewünschte Adresse nachgeliefert. Dies geschieht laut Pelzer in der Regel «innert weniger Tage». Im Fall des Flugs nach Bilbao vom letzten Wochenende sei diese automatische Benachrichtigung nicht ausgelöst worden, da das Gepäck schon zu weit fortgeschritten war und vom System als verladen betrachtet wurde. «Wir prüfen nun, wie wir diesen Prozess anpassen können, sodass die automatische Benachrichtigung auch in solchen Fällen ausgelöst wird.» (aargauerzeitung.ch)

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54 Kommentare
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Anonymous77639578
16.09.2023 12:23registriert September 2020
''Das nach wie vor grösste Problem ist der weltweite Personalmangel''
100% Selbstverschuldet durch Geldgier. Da wurde den Leuten gekündigt als könnte man später auf Galaxus 100er Pack in den Warenkorb schmeissen. Sind ja alle austauschbar. Und jetzt wundern Manager sich darüber das niemend Bock hat den KnochenJob zu Dumpingpreisen anzunehmen.

Auch hier würde das Prinzip Angebot und Nachfrage gelten. Aber die Löhne sind offenbar noch nicht gestiegen.
Ich würde behaupten wenn >70k Lohn offeriert werden würden, wäre das Problem in 2 Monaten gelöst.

Scheinbar sind unzufriedene Kunden günstiger.
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Smee Afshin.
16.09.2023 11:46registriert April 2021
97.8% klingt doch gut, oder? Nur rechnet man normalerweise nicht in Prozent, sondern in dppm ("Defekte" pro Milion). Dann sind es 22'000 dppm und das klingt nicht mehr ganz so toll - 64 wären gut, 2700 akzeptabel, 22k ist an der Grenze zu dem, was man überhaupt noch einen kontrollierten Prozess nennen kann.
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Hans Jürg
16.09.2023 11:47registriert Januar 2015
Ich hätte da einen Tipp an die Branche: wenn die Kapazität nicht ausreicht, sollte man vielleicht das Abgebot an der verfügbaren Kapazität anpassen. Schafft zufriedene Kunden, die auch gerne bereit simd, für guten Service und Qualität etwas mehr zu bezahlen. Nur so als Gedanke...
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