Schweiz
Nationalrat

Lobbywatch-Liste in der Kritik: So kam sie zustande

SP ärgert sich über Lobbywatch-Statistik – Transparenz-Macher rechtfertigen sich

Lobbywatch veröffentlichte Anfang Woche ihre Transparenz-Liste zu den Nebeneinkünften von neugewählten Politikern. Die SP kam nur als Zweitplatzierte weg und sieht die Fehler bei den Machern. Lobbywatch widerspricht.
17.06.2020, 19:5018.06.2020, 12:19
Mehr «Schweiz»

Die Empörung war für diese Woche vorprogrammiert: Am Montag wurde eine Liste veröffentlicht, die aufzeigen soll, wie viel die neugewählten National- und Ständeräte neben ihrem lukrativen Job im Bundeshaus verdienen. Publik machte das der Verein Lobbywatch.

Die Ergebnisse haben – kurz zusammengefasst – ein links-rechts-Schema aufgezeigt: SP, Grüne, GLP und die Mitte-Fraktion (CVP, BDP, EVP)* lassen sich mehrheitlich ins Portemonnaie schauen. FDP und SVP knausern mit der Transparenz bei den Nebenjobs ihrer Parlamentarier.

Transparenz der neugewählten Parlamentarier gemäss Lobbywatch

Lobbywatch-Transparenzliste 2020 zu den Nebeneinkünften der neugewählten Parlamentariern.

Das Problem ist: Die Daten von Lobbywatch verraten nicht die ganze Wahrheit über bezahlten Lobbyismus im Schweizer Parlament. Sie waren in einer ersten Version der «Transparenzliste 2020» falsch. Der Verein musste sich dafür bereits entschuldigen und eine korrigierte Version veröffentlichen.

Wütende Reaktion von SP

Das brachte Lobbywatch diese Woche Kritik ein – vor allem aus den Reihen der SP, die eigentlich das Transparenz-Anliegen unterstützt, sich aber über den zweiten Platz laut ennervierte. «Einseitig und schlampig» schrieb etwa Nationalrat Fabian Molina. «Ihr leistet dem Anliegen einen Bärendienst und es wirkt schlicht unprofessionell», schimpfte Nationalrätin Samira Marti.

Wie ist es dazu gekommen? Um das zu beantworten, muss man verstehen, wie Transparenz in der Schweizer Politik funktioniert. Anders als in anderen Ländern, gibt es hierzulande nur wenige Regeln dafür.

  • Budgets der Parteien und Komitees: Sie sind kaum bekannt. Die Schweiz kennt keine direkte, staatliche Parteienfinanzierung und auch keine Offenlegungspflichten auf Bundesebene.
  • Interessensbindung von Parlamentariern: Gewählte National- und Ständeräte müssen offen legen, in welchen Firmen, Organisationen und Gremien sie sitzen. Diese Liste ist auf der Webseite des Parlaments öffentlich zugänglich.
  • Nebeneinkünfte von Parlamentariern: Volksvertreter erhalten für diese «Interessensbindungen» teilweise Geld. National- und Ständeräte müssen seit 2019 öffentlich machen, ob es ehrenamtliches oder ein bezahltes Mandat ist.

Wie kam Lobbywatch zu den Daten?

Lobbywatch wollte sich den letzten Punkt anschauen. Kurz nach den Wahlen schrieben sie die neugewählten National- und Ständeräte an. Sie wurden aufgefordert, die «jährlichen Einnahmen aus Ihren ausserparlamentarischen Aktivitäten» bekannt zu geben.

Das Fettgedruckte ist zentral: Die «Transparenz-Liste» zeigte nur auf, welche der 79 «Frischlinge» im Bundeshaus Zahlen zu ihren Nebenjobs verraten wollten. 44 davon haben sich geäussert – der Rest schwieg. So entstand ihre Auswertung.

«Bei einem Nationalrat ergab die Mailsuche nach ‹Lobbywatch› null Treffer.»
SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen

Das relativiert die «Transparenzliste». Sie betrifft nur die neugewählten Parlamentarier und erlaubt nur Aussagen für jene, die tatsächlich das Mail von Lobbywatch gelesen haben. SP-Nationalrätin Wasserfallen kritisiert das: So habe sie von Parteikollegen gehört die keine Mail von Lobbywatch erhalten haben oder auch keinen Reminder. «Bei einem Nationalrat ergab die Mailsuche nach ‹lobbywatch› null Treffer. Lobbywatch arbeitet unsorgfältig und veröffentlicht fehlerhafte Pranger-Zahlen. Viele transparenz-willige Parlamentarier vermissen zudem die nötige Fairness. Das schadet leider dem so wichtigen Thema Transparenz in der Politikfinanzierung.» Lobbywatch widerspricht dieser Darstellung (siehe unten).

Dass diese Auswertung nur die Neugewählten berücksichtigt, ist auch mit ein Grund, wieso etwa die SVP und FDP schlecht abschneiden: Nationalrat Roger Köppel gab letztes Jahr bekannt, was er als «Weltwoche»-Verleger und -Chefredaktor verdient. Auch FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen veröffentlicht seit Jahren Einkommenszahlen aus seiner beruflichen Tätigkeit.

Was sagt Lobbywatch?

watson sprach mit Lobbywatch-Präsident Otto Hostettler über die Datensätze hinter der Transparenzliste. Telefonisch erklärt er: «Wir haben uns auf die Neugewählten konzentriert, weil die Zahlen wegen des Systemwechsels bei den Offenlegungspflichten sonst nicht vergleichbar gewesen wären.» Mit dem «Systemwechsel» verweist er auf die Änderung, wonach Parlamentarier seit Dezember 2019 angeben müssen, ob ein Mandat «bezahlt» oder «ehrenamtlich» ist.

Dass es bei dieser Datenflut, die man manuell und redaktionell eintragen müsse, zu Fehlern gekommen ist, bedauert er. «In einer ersten Version ist uns leider ein Fehler unterlaufen. Weil gleichzeitig mehrere Parlamentsmitglieder ihre Entschädigungen nachgemeldet haben, verschoben sich die Werte und wir aktualisierten unsere Liste kurzfristig», sagt Hostettler weiter. Dadurch habe sich der Wert der SP verbessert. «Trotzdem sieht es für die SP nicht allzugut aus, wenn ausgerechnet bei dieser Partei fast ein Viertel der neugewählten Parlamentarier ihre Entschädigungen nicht offen legt.»

Hostettler sagt, dass man «bewusst keine Pranger-Liste» erstellt habe. Er spricht von einer «Positiv-Liste»: «Wir zeichnen jene aus, die mit gutem Beispiel vorausgehen und die Entschädigungen aus ihren Tätigkeiten offen legen.»

Angesprochen auf die Kritik, wonach nicht alle Nationalräte ein Mail oder eine Erinnerung erhalten haben, sagt er: «Wir haben ausnahmslos alle Neugewählten kontaktiert und können dies auch belegen. Im übrigen hindert niemand die Parlamentarierinnen und Parlamentarier daran, ihre Einkünfte von sich aus auf ihrer persönlichen Webseite zu veröffentlichen. Es gibt Parlamentarier, die das von sich aus tun, diejenigen, die uns jetzt Unseriosität vorwerfen, gehören nicht dazu.»

* In einer ersten Fassung des Artikels wurde lediglich in der Grafik erwähnt, dass die EVP Teil der Mitte-Fraktion ist. Zudem wurde am Ende ein Zitat verkürzt ausgezeichnet. Dies wurde mittlerweile korrigiert.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Bye bye im Nationalrat
1 / 28
Bye bye im Nationalrat
Jacqueline Fehr und Carlo Sommaruga.
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Im Bundeshaus mit Hamid und Mohammad
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Snowy
17.06.2020 23:09registriert April 2016
Dass es nicht sowieso selbstverständlich ist, dass alle unsere nationalen Parlamentarier sämtliche Nebeneinkünfte offenlegen müssen, ist der eigentliche Skandal.

Hallo?!
Diese rund 250 Menschen steuern die Geschicke der Schweiz. Natürlich wollen Firmen und Organisationen auf sie Einfluss nehmen. Und sie tun es auch!
Wie naiv kann man nur sein...
2499
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lustiger Baum
17.06.2020 21:07registriert April 2019
Das unsere Politiker gleich korrupt sind wie alle anderen der Welt ist nichts Neues. Dabei spielt die Partei wie wir immer wieder feststellen keine Rolle.

Danke Lobbywatch - auch wenn sich nichts ändern wird...
15499
Melden
Zum Kommentar
avatar
walsi
18.06.2020 07:05registriert Februar 2016
Das Problem könnte man relativ einfach lösen. Alle Parlamentarier müssen ihre Steuererklärung veröffentlichen. Thema erledigt.
516
Melden
Zum Kommentar
25
Ringen um Kürzungen bei Entwicklungszusammenarbeit geht weiter

Der Nationalrat will für die internationale Zusammenarbeit in den Jahren 2025 bis 2028 im Grundsatz rund 11,3 Milliarden Franken ausgeben. Ganz definitiv ist der Entscheid aber noch nicht, da das nötige absolute Mehr für das Lösen der Ausgabenbremse verfehlt wurde.

Zur Story