Die katholische Kirche kennt ein eigenes Kirchenrecht mit einem eigenen, kirchlichen Strafgesetz. Natürlich geht das staatliche Strafrecht mit seinen Gesetzen vor. Weder Kirchen noch andere religiöse Institutionen können sich diesem entziehen, indem sie sich auf ihr eigenes, kirchliches Recht berufen. Das kirchliche Strafgesetz regelt lediglich Verstösse gegen katholische Glaubensvorschriften und definiert die Schwere der Sanktionen.
Am 1. Juni hat der Vatikan dieses Strafgesetzbuch revidiert. Im Zentrum der Neuerungen standen Verschärfungen bei sexuellem Missbrauch von Kindern. Schon lange hatten Missbrauchsopfer gefordert, dass diese Verbrechen auch im Kirchenrecht erwähnt und unter Strafe gestellt werden.
Der sexuelle Missbrauch, insbesondere auch der Missbrauch von Kindern, galt bisher lediglich als Verstoss gegen das Zölibat. Neu benennt der Vatikan solche Übergriffe explizit als eine «Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen». Sanktioniert werden kann dies mit der Höchststrafe im Kirchenrecht: Der Exkommunikation, sprich mit dem Ausschluss aus der Kirche.
Damit wird der Missbrauch von Kindern in den Katalog der besonders schweren Sünden aufgenommen, wie auch Mord, Vergewaltigung, Abtreibung – oder die Weihe von Frauen. Richtig gelesen. Auch die sogenannte Frauenweihe wird im revidierten Strafrecht des Vatikans erstmals ausdrücklich als verboten definiert. Wer künftig eine Frau weiht und sie damit zur Diakonin oder Priesterin befördert, macht sich im Sinne des Kirchenrechts strafbar und wird automatisch aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen.
Für die katholische Frauengemeinschaft Deutschland ist die Revision ein «Schlag ins Gesicht». So werde jenen, die sich für den Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern in der katholischen Kirche einsetzen, vor Augen geführt, dass der Vatikan diese Tür unbedingt geschlossen halten wolle. Tatsächlich engagieren sich viele katholische Frauen und Männer rund um die Welt schon seit vielen Jahren dafür, dass auch Frauen das Sakrament der Weihe erhalten und damit das Amt der Diakonin, Priesterin oder gar Bischöfin besetzen können. Seit eh und je ist dies allerdings nur Männern vorbehalten und wurde nun auch explizit so im Kirchenrecht verankert.
Die Schweizer Theologin Jacqueline Straub kritisiert, dass nun die Frauenweihe im Kirchenrecht auf gleiche Stufe gesetzt wird wie Pädophilie. In der Praxis ändere sich zwar nichts, da die Weihung von Frauen schon vor der Revision verboten war. «Doch jetzt wird sie zusätzlich kriminalisiert.» Straub, die katholische Priesterin werden will und schon mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben hat, sagt, der Vatikan ziehe hier eine weitere Mauer hoch und zementiere seine diskriminierende Haltung gegenüber Frauen, die sich zum Priesterdienst berufen fühlen.
Mike Bacher kann den Frust der Frauen nachvollziehen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern und beschäftigt sich unter anderem im Bereich Kirchenrecht. Formell bedeute die Anpassung in Bezug auf die Frauenweihe auf den ersten Blick ein Rückschritt. «Eine direkte Auswirkung hat diese jedoch nicht. Hier wurde etwas in ein Gesetz aufgenommen, das bereits gegolten hat.»
Dass Frauen nicht geweiht werden dürfen, sei bisher selbsterklärender Bestandteil der Organisation der katholischen Kirche gewesen. Bacher vermutet, weil die Gleichstellungsfrage immer akzentuierter gestellt werde, habe man die Revision genutzt, um diesen Punkt unmissverständlich festzuhalten.
Die Kirche verschliesse damit ihre Türen für weibliche Diakoninnen oder Priesterinnen nicht per se für immer. Bacher: «Ich sehe die Herausforderung nicht bei der Anpassung des Kirchenrechts. Dieses ist schnell geändert. Die Diskussion muss auf theologischer Ebene geführt werden.» Dort brauche es einen Konsens, der mit Argumenten herbeigeführt werden muss. Und das brauche Zeit. «Entwicklungen brauchen in der Kirche länger als in der Gesellschaft», so Bacher. Dafür seien sie dann beständiger.