Für einmal präsentierten sich die politischen Lager in der SRF-«Arena» in ungewohnter Formation: Die Mitte stand an der Seite der SVP, während sich die FDP mit der SP verbündete. Der Grund für dieses ungewohnte Bild: Eine Allianz aus Linken und Liberalen will, dass Ehepaare künftig individuell besteuert werden. Das gemeinsame Ziel: Mehr Gleichstellung.
SVP und Mitte hingegen lehnen die Steuerreform ab. Sie warnen, dass die Individualbesteuerung neue Ungleichheiten schaffe.
In der «Arena »nahmen dazu Stellung:
In der Schweiz sollen künftig alle Personen – auch Verheiratete – individuell besteuert werden. So sieht es der indirekte Gegenvorschlag zur sogenannten «Steuergerechtigkeits-Initiative» – lanciert von den FDP-Frauen – vor.
FDP-Frauen-Präsidentin Bettina Balmer schildert in der Sendung ihre Erfahrungen beim Unterschriftensammeln. Auf der Strasse hätten Menschen teilweise angestanden, um zu unterschreiben – so etwas habe sie noch nie erlebt. Für viele sei die Abschaffung der Heiratsstrafe ein dringendes Anliegen.
Die Vorlage ist jedoch umstritten. Während SP, Grüne, GLP und FDP den Gegenvorschlag unterstützen, stellen sich SVP und Mitte dagegen.
Die Mitte verfolgt mit ihrer eigenen Initiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» einen alternativen Ansatz. Sie will in der Verfassung festschreiben, dass Ehepaare bei der direkten Bundessteuer nicht benachteiligt werden dürfen.
Bereits 1984 stellte das Bundesgericht klar: Die Heiratsstrafe ist verfassungswidrig. Ehepaare, die gemeinsam mehr Steuern zahlen als unverheiratete Paare mit gleichem Einkommen, dürfen laut dem Urteil nicht benachteiligt werden.
Vier Jahrzehnte ist dieses Urteil nun alt – so alt, dass Benjamin Fischer damals noch gar nicht geboren war. Der Zürcher SVP-Nationalrat kämpft an vorderster Front gegen die Individualbesteuerung. Fischer beteuert zwar, dass das Problem der Heiratsstrafe gelöst werden muss, aber nicht auf diesem Weg. Den Reformvorschlag kommentiert er mit einem bildhaften Vergleich:
Fischer nennt die Vorlage einen «bürokratischen Unsinn». Ehepaare müssten künftig zwei separate Steuererklärungen ausfüllen – laut seinen Angaben würden dadurch rund 1,7 Millionen zusätzliche Steuerdossiers entstehen und rund 1000 bis 1500 weitere Steuerkommissäre notwendig sein, um diese zu prüfen.
Für SP-Nationalrätin Céline Widmer ist die Individualbesteuerung dennoch das überzeugendste Modell – auch, weil es für sie um mehr als nur Verwaltungsaufwand geht. Sie stellt klar:
Diese Ungerechtigkeit muss laut Widmer endlich behoben werden. Das Einkommen von Ehefrauen werde heute faktisch als Anhang zum Verdienst ihrer Ehemänner betrachtet. Das müsse 2025 endlich angepasst werden. Laut Widmer ist das ein Puzzleteil auf dem Weg zu einer tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau.
Den Vorwurf, es handle sich um «bürokratischen Unsinn», weist die SP-Nationalrätin zurück und sagt, was die Mitte vorschlagen würde, das sei Bürokratie. Auch auf die Argumentation von Fischer nimmt sie Bezug. Bei der vorliegenden Reform brauche es nicht über 1000 Steuerkommissäre mehr. Diese Zahl sei nicht mehr aktuell.
Auch Mitte-Vertreterin Karin Stadelmann äussert sich zum bürokratischen Mehraufwand. Ihrer Meinung nach ist klar: Mit der Einführung der Individualbesteuerung wird zusätzlicher Aufwand entstehen – schliesslich müssten künftig zwei Steuererklärungen geprüft werden.
Bettina Balmer sieht kein Problem beim Ausfüllen von zwei Steuererklärungen. Sie findet:
Balmer erläutert: Mit der Heirat wird das System dann plötzlich umgestellt. Und bei einer Scheidung – in der Schweiz immerhin in rund 40 Prozent der Fälle – muss alles wieder auseinanderdividiert werden. Nicht die Anzahl der Fälle sei dabei entscheidend, sondern die Komplexität des Prozesses.
Zudem verweist die FDP-Politikerin auf die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und die damit verbundene Vereinfachung administrativer Abläufe.
Fischer widerspricht diesem Optimismus und kontert:
Für SP-Nationalrätin Céline Widmer ist klar: Die Diskussion ist stark ideologisch geprägt. Die Mitte verfolge in erster Linie das Ziel, ihre eigene Initiative durchzusetzen. In Richtung SVP-Vertreter Benjamin Fischer wird sie deutlich:
Widmers Aussage kommentiert Fischer mit «despektierlich». Es gehe ihm darum, wer vor der Reform profitiere und wer nicht. Als Beispiel nennt er einen Maschinenbauer mit drei Kindern, die von seiner Frau zu Hause betreut werden. In einem solchen Fall, so Fischer, würde die Familie durch die Individualbesteuerung schlechter dastehen. Nur Paare mit annähernd gleichem Einkommen würden profitieren – alle anderen würden benachteiligt.
Widmer und Balmer reagieren mit Kopfschütteln. Sie widersprechen: Ihnen lägen andere Zahlen vor.
Moderator Grossniklaus liefert Fakten: Verlieren würde beispielsweise ein Ehepaar, bei dem nur eine Person – häufig der Mann – das Einkommen nach Hause bringt. Traditionelle Familienmodelle würden also benachteiligt, so seine Schlussfolgerung.
SP-Nationalrätin Céline Widmer erwidert darauf: Das sogenannte Einverdienermodell sei heute eine Ausnahmeerscheinung. Nur 2,2 Prozent der Haushalte in der Schweiz lebten noch in dieser Konstellation.
Zudem benachteilige dieses Modell insbesondere Frauen – etwa im Hinblick auf die Altersvorsorge. Die Individualbesteuerung könne hier entgegenwirken und Altersarmut bei Frauen verhindern, so Widmer.
Beide Seiten stützen sich auf unterschiedliche Zahlen. FDP-Politikerin Balmer wundert sich:
Die Datenlage sei öffentlich zugänglich – wer profitiere und wer nicht, sei klar einsehbar. SVP-Vertreter Fischer bezeichnet Balmers Aussage als «lächerlich».
SVP-Nationalrat Benjamin Fischer kommt auf die Institution Ehe zu sprechen. Vielleicht sei es letztlich eine ideologische Frage, aber für ihn sei klar:
Widmer entgegnet, die Individualbesteuerung mache die Ehe keineswegs unattraktiver – im Gegenteil: Sie stärke sie sogar.
Auch FDP-Politikerin Balmer betont, es gehe um eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Frage. Denn:
Mitte-Vertreterin Karin Stadelmann weist darauf hin, dass die Individualbesteuerung das Problem nur dann wirklich löse, wenn beide Partner etwa gleich viel arbeiteten und ähnlich verdienten. Doch das entspreche nicht der Lebensrealität vieler Familien. Oft bringe ein Elternteil – meist noch immer der Mann – den grösseren Teil des Einkommens nach Hause. Gleichzeitig seien Frauen heute hervorragend ausgebildet, und diese Entwicklung werde das traditionelle Gefüge zunehmend verändern. Sie findet:
Widmer wirft Mitte und SVP vor, an einem Familienmodell festzuhalten, das nicht mehr in die heutige Zeit passe. FDP-Politikerin Bettina Balmer zeigt sich erfreut darüber, dass die SP an das progressive Familienbild glaubt – und sich nicht am traditionellen Rollenmodell festklammert. Balmer findet:
Alles Andere ist unfair.
Thema gegessen....
Die Einreichung unnötiger Referenden führt auch zu unnötiger Bürokratie. Gerade seine SVPartei verfügt über eine gewisse “Expertise” darin.
Man sollte die teilweise etwas komplizierten Steuererklärungen nicht mit der Anzahl der auszufüllenden Steuererklärungen verwechseln.