In der «Arena» wurde am Freitag ein heikles Thema diskutiert. Eines, das in Diskussionen oft von Vorurteilen und tief eingeschweissten Rollenbildern geprägt ist.
Auf der einen Seite ist da die christliche, abendländische Sicht der Dinge: Der Mann und die Frau, die beiden dürfen heiraten, den heiligen Bund der Ehe eingehen. Und die beiden dürfen auch Kinder kriegen, denn: Nur die beiden können Kinder kriegen. So hat Gott sich das vorgestellt.
Auf der anderen Seite die moderne, säkularisierte Sicht der Dinge: Liebe ist Liebe, Mensch ist Mensch, wieso also sollten Homo-Paare nicht heiraten dürfen? Vor dem Gesetz sollten alle gleich sein. Und um Mutter oder Vater zu werden, braucht es mehr, als seine Eizellen oder Spermien gekonnt im Koitus zueinander zu führen. Es braucht Liebe, Geduld und Fürsorge. Egal von wem.
Für den Erhalt des heterosexuellen Ehe-Monopols traten in den Ring:
Und auf der Gegenseite ihre Kontrahenten:
Los ging's mit der Frage, ob die Eheschliessung in Zukunft auch homosexuellen Paaren möglich sein soll. Moderator Sandro Brotz bestellte dafür gleich zu Beginn Karin Keller-Sutter, demonstrativ in Pink gekleidet, zum Einzelgespräch. Die Bundesrätin kam gut vorbereitet und mit einer erfrischenden Nüchternheit, die dieser Diskussion so oft fehlt.
«Die Ehe ist ein zivilrechtlicher Vertrag. Ein liberaler Rechtsstaat muss alle Menschen gleich behandeln vor dem Gesetz.» Die sexuelle Orientierung einer Person gehe den Staat nichts an und so gebe es keinen Grund, wieso nicht auch homosexuelle Paare heiraten sollten.
Mit dem Ende des Einzelgesprächs kam auch das langsame Ende der sachlichen Diskussion. SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler behauptete, dass es die «Ehe für alle» gar nicht brauche, da es bereits die eingetragene Partnerschaft gebe. Auch da könne man einander «Ja» sagen, man könne sogar Hochzeitskleider dafür anziehen. «Das ist Gleichberechtigung, wie sie richtig ist.»
Den Boden der nüchternen Tatsachen vollkommen verlassen hat man mit dem Votum von Regula Lehmann, Leiterin der Familienprojekte bei der Stiftung «Zukunft CH». Sie sass im Publikum und beschwörte kurzerhand den Zusammenbruch der Gesellschaft herauf, falls die «Ehe für alle» angenommen wird. Dabei bezog sie sich auf eine «feministische Historikerin», die herausgefunden habe, dass frühere Gesellschaften immer kurz nach der «Aufhebung der Geschlechter» zusammenbrachen.
Man stelle sich vor, wie Peter und Milan sich auf dem Standesamt «Ja» sagen, die Hochzeitsmusik ertönt, die Blumenkinder weisse Rosenblüten werfen, die Leute klatschen, die Vorhänge zu brennen beginnen, die Häuser in der Nachbarschaft zusammenstürzen, der Bundesrat die Notlage ausruft, die letzten Hetero-Pärchen sich ins Reduit retten. So muss es Kaiser Romulus Augustulus auch ergangen sein.
Zurück in die Sachlichkeit führte dann ausgerechnet eine Pfarrerin. Priscilla Schwendimann, ihres Zeichens lesbisch und reformierte Pfarrerin aus Zürich, zeigte kurz und schlüssig auf, welche Vorteile die «Ehe für alle» hätte. «In skandinavischen Ländern oder Kanada, wo es die ‹Ehe für alle› bereits gibt, ist die Akzeptanz gegenüber Homosexuellen massiv gestiegen und die Suizidrate bei LGBTQ-Menschen ebenso massiv gesunken.» Sie selbst erlebe bei Seelsorge-Gesprächen immer wieder, wie queere Menschen unter Diskriminierung leiden. Die «Ehe für alle» sei also auch gut für die mentale Gesundheit vieler Menschen in der Schweiz.
Im zweiten Teil der «Arena» ging es um die Frage, ob es gut für die Kinder sei, wenn sie zwei Mamas oder zwei Papas hätten. Denn mit der «Ehe für alle» wäre es gleichgeschlechtlichen Ehepaaren erlaubt, Kinder zu adoptieren. Mehr noch: Lesbische Paare dürften per Samenspende eigene Kinder zeugen.
Für Andrea Geissbühler ein No-Go. Bei dem Referendum gehe es auch nicht primär um die Ehe, sondern man wolle durch die Hintertüre Homo-Pärchen erlauben, Kinder zu kriegen. «‹Kinder für alle› wäre der richtige Titel», sagte sie im Einzelgespräch mit Sandro Brotz.
Kinder bräuchten sowohl Vater als auch Mutter, das wolle die Natur so. Auf den Einwand Brotz' hin, dass Entwicklungspsychologen sagen, es spiele keine Rolle, ob Homo- oder Hetero-Eltern, hatte Geissbühler keine Antwort. Nur so viel: «Es spielt sehr wohl eine Rolle, es braucht sowohl eine Vater- als auch eine Mutterfigur».
Auch Daniel Frischknecht von der EDU spielte die Natur-Karte. Es gebe doch Unterschiede zwischen den Sexualitäten. Homosexuelle können nun mal keine Kinder zeugen, also sollen sie auch keine aufziehen dürfen.
Angelo Barrile, SP-Nationalrat und schwul, liess das nicht auf sich sitzen. Es gebe Tausende Beispiele von Homosexualität in der Natur. Schwule Pinguine würden zum Beispiel vergessene Eier zu sich nehmen und das Kind darin gemeinsam aufziehen.
Doch die Gegnerschaft war sich einig: Menschen und Pinguine lassen sich nicht vergleichen. Andrea Geissbühler erzählte von Gesprächen mit leidenden Kindern, die mit zwei Müttern aufwuchsen. Frischknecht von der Wichtigkeit der Väter im zweiten und dritten Lebensjahr des Babys, um sie von der «Symbiose mit der Mutter» zu lösen.
Die Aussagen Frischknechts brachten GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy, die im Publikum sass, auf die Palme. «Das sind Rollenbilder. Die können Sie gerne in Ihrer Freikirche ausleben, aber einem Rechtsstaat kann man keine sozialen Rollen vorgeben.»
Im Hin und Her zwischen Rollenbildern und homosexuellen Tieren war es wieder Karin Keller-Sutter, die als Stimme der Vernunft auftrat und der deswegen als Siegerin dieser «Arena» auch das letzte Wort gebührt:
Ebenfalls SVP, 2020: Zwei Wochen Vaterschaftsurlaub sind unnötig und viel zu teuer.
Ich habe Ja gestimmt.
Ich habe mich gefragt, was Jesus getan hätte. Ja, für einen Atheisten klingt das vielleicht jetzt schon seltsam, aber jetzt einmal ernst: Die LIEBE steht über allem. Egal zwischen wem, egal wo, egal wie, wenn sich zwei Menschen gegenseitig Lieben, dann ist das gut so und dann steht es mir nicht zu, den Liebenden die Freiheit zu nehmen, diese Liebe auch voll auszuleben.
Aber am Ende des Tages gilt weiterhin, dass die Eheschliessung ein reiner Verwaltungsakt ist.
Im Rathaus.
Im Büro eines Stadtangestellten.
Alles zusätzliche farbige, kirchliche, luftige und schöne ist eine wunderschöne einmalige Zugabe ein Erlebnis, das den Verwaltungsakt feiert.
Mehr nicht.
Der Staat soll weder meine Sexualpartnerin noch meine Braut bestimmen. Dafür ist er nicht zuständig.
Darum ein Ja.