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Werden die Schweizer Grünen über den Waffenexport in die Ukraine uneins sein? Heute werden sie ihre Delegiertenversammlung in Genf abhalten – nachdem sie am Dienstag einen Anruf aus Russland bekommen haben.
27.01.2023, 21:2728.01.2023, 14:13
Hallo, hier ist Russland.
Nach dem grünen Nein zum Reexport von Kriegsmaterial am Dienstag in der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates erhielt der Präsident der Schweizer Grünen, Balthasar Glättli, einen Anruf von RIA Novosty. RIA Novosty ist eine kremltreue russische Nachrichtenagentur.
Das russische Medium wollte wissen, warum die Grünen – wie übrigens auch die SVP – gegen eine Motion und eine parlamentarische Initiative gestimmt hatten, die die Wiederausfuhr von Schweizer Militärmaterial in die Ukraine befürwortet.
«Wir sind Pazifisten»
Balthasar Glättli leitete den Anruf an einen Parteikollegen weiter: den Neuenburger Fabien Fivaz, Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats.
Fivaz hat dem Journalisten des russischen Mediums sicherlich das gesagt, was er auch gegenüber watson erklärt:
«Wir sind für eine nicht-militärische Hilfe für die Ukraine. Wir forderten, dass die Hilfe der Schweiz für die Ukraine im Budget 2023 von 100 auf 200 Millionen Franken erhöht wird. Doch das ist nicht passiert.
Was den Krieg betrifft, so besteht für uns kein Zweifel, dass Russland der Aggressor und die Ukraine der Angegriffene ist.
Wir möchten, dass Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen vor ein internationales Gericht gestellt wird, und wir möchten, dass die russischen Vermögenswerte russischer Oligarchen in der Schweiz ernsthaft verfolgt werden – was derzeit nicht der Fall ist.
Schliesslich, und das ist unsere DNA, sind wir Pazifisten.
In dieser Hinsicht scheint uns die Neutralität der Schweiz eine Chance zu sein. Vielleicht könnte sie es ermöglichen, den Dialog zwischen den Kriegsparteien wieder aufzunehmen. Wir würden unsere Stimme jedoch schwächen, wenn wir akzeptieren würden, in den Krieg einzutreten, indem wir, wenn auch nur indirekt, Waffen an die Ukraine liefern.»

Fabien Fivaz musste mit RIA Novosty telefonieren.Bild: keystone
Spaltungen bei den Grünen
Allerdings: Die Grünen haben die Frage der Militärhilfe für die Ukraine noch nicht abschliessend geklärt. An der Delegiertenversammlung am kommenden Samstag wird sie erneut diskutiert werden.
Ist mit einer Überraschung zu rechnen? In Deutschland haben die Grünen eine 180-Grad-Wende gemacht: Kurz vor der russischen Invasion am 24. Februar 2022 hatten sie sich gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen, falls Moskau das Land angreifen sollte. In der Zwischenzeit haben sie ihre Meinung geändert und Kanzler Scholz dazu gebracht, Leopard-2-Panzer der Ukraine zu übergeben.
Und so plant Natalie Imboden, Berner Nationalrätin der Grünen, am Samstag einen Änderungsantrag zu verteidigen, der für die Ukraine eine Ausnahme von der Nichtausfuhr von Militärgütern fordert. Imboden vertritt damit eine Position, die innerhalb ihrer Partei wahrscheinlich in der Minderheit ist – aber man weiss ja nie.
«Zusammen mit vier anderen Schweizer Delegierten nahm ich im Dezember am Kongress der Europäischen Grünen in Kopenhagen teil. Während wir gegen direkte Rüstungsexporte sind, befürworten wir Reexporte an die Ukraine – und nur in diesem Fall.
Es ist unbestreitbar, dass die Schweiz bei der Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte auf ihrem Territorium mehr tun sollte. Aber in diesem Fall sind wir der Meinung, dass die Aggression gegen die Ukraine eine Ausnahme rechtfertigt.
Hier geht es um Solidarität mit einer geschundenen Bevölkerung, die sich gegen einen völkerrechtswidrigen Aggressor wehrt. Und zwar viel mehr, als es um Neutralität geht.
Wie auch immer, es sind sicherlich nicht die Schweizer Waffen, die den Krieg entscheiden.»

Will Waffen in die Ukraine liefern: Natalie Imboden.Bild: keystone
Grüne und SVP: eine unheilige Allianz
Die Grünen und die SVP waren sich also für einmal einig und stehen gegen die Mehrheit von FDP, SP und Mitte, die sich gegen die indirekte Lieferung von Schweizer Waffen an die Ukraine ausspricht.
Fivaz spricht in diesem Zusammenhang humorvoll von einer «unheiligen Allianz». Dann wird er wieder ernst: Die SVP stehe für eine bewaffnete Neutralität, die Grünen für eine Schweiz ohne Armee. Der Berner SVP-Nationalrat Eric Hess fasst die SVP-Position gegenüber watson zusammen: «Entweder man liefert sie an beide Kriegsparteien oder an keine.»
Der Walliser SVP-Mann Jean-Luc Addor, Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, ist der gleichen Meinung. Hat auch er einen Anruf von der russischen Agentur RIA Novosty erhalten? Er antwortet amüsiert:
«Ich bin nicht verpflichtet, ihnen zu antworten, aber die Antwort ist nein.»

«Entweder man liefert Waffen an beide Kriegsparteien oder an keine.»Bild: sda
Die Ausnahme bei der FDP
Am Dienstag stimmte die Waadtländer FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro in der sicherheitspolitischen Kommission als Einzige ihrer Partei gegen die Aufhebung des Reexportverbots für Militärgüter in die Ukraine:
«Die Lieferung von Waffen an einen Kriegführenden – selbst auf indirekte Weise – ist meiner Meinung nach nur schwer mit der Neutralität der Schweiz vereinbar.
Mag sein, dass ich in meiner Partei in dieser Sache in der Minderheit bin. Das stört mich nicht.
Ich bin generell gegen die Verbreitung von Waffen. Und ich werde meinen Werten treu bleiben. Die Schweiz kann der Ukraine mit anderen Mitteln helfen.»

FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro.Bild: keystone
(Aus dem Französischen übersetzt von yam.)
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