«Die Küche ist eine Art Lebenslehre», sagte der «Kronenhalle»-Küchenchef Peter Schärer kürzlich im SRF-Dokfilm «Inside Kronenhalle». «Die Lernenden kommen als junge Männer und Frauen und gehen als Erwachsene.» Die Lebensschule im Zürcher Nobelrestaurant besteht unter anderem darin, auch unter hohem Druck präzise zu arbeiten und nicht die Nerven zu verlieren.
Dass es im hektischen Küchenalltag hie und da laut wird, gehört genauso dazu wie die unregelmässigen Arbeitszeiten. «Ich habe gelernt, cool zu bleiben und mich nicht aufzuregen», ergänzte Josephine de Felice, angehende Köchin im zweiten Lehrjahr.
Um den angehenden Berufsleuten eine realistische Vorstellung der Ausbildung zu vermitteln, verlangt die «Kronenhalle» eine fünftägige Schnupperlehre. In der Branche ist das üblich. Auch sonst ist die Schnupperlehre ein wichtiger Bestandteil in der Schweizer Bildungslandschaft. Bevor Jugendliche einen Lehrvertrag unterschreiben, haben sie in der Regel einige Tage in ihrem zukünftigen Betrieb mitgearbeitet.
Doch warum entscheiden sich Schülerinnen und Schüler nach verschiedenen Schnupperlehren für einen spezifischen Beruf und lassen einen anderen fallen? Auf diese Frage haben kürzlich Jan Hofmann und Markus Neuenschwander von der Pädagogischen Hochschule FHNW Antworten gesucht. Ihre Erkenntnis nach Interviews mit 128 jungen Frauen und 202 jungen Männern: Wenn es in einem Beruf nur wenige Lehrstellen gibt, wenden sich die Jugendlichen eher von diesem Job ab.
Das heisst umgekehrt: Die angehenden Lernenden wählen trotz erfolgreicher Schnupperlehren in Nischenberufen schliesslich lieber Jobs, bei denen es ein grosszügiges Stellenangebot gibt. Dazu gehören Kaufmann/frau, Detailhandelsfachmann/frau oder Logistiker/in. Auf der Strecke bleiben Branchen, wo das Lehrstellenangebot dünn gesät ist. Als Beispiele nennen die Forscher Papiertechnologe/-in, Uhrmacher/-in, Gleisbauer/-in.
Neben der Anzahl offener Stellen konnten die Forscher einen weiteren Faktor dafür identifizieren, warum sich Jugendliche nach einer Schnupperlehre doch nicht für diesen Beruf entscheiden. Wie die Studie zeigt, kommt er allerdings nur bei jungen Frauen zum Tragen. Sie verfolgen einen Berufswunsch oft nicht weiter, wenn der Job zu hohe «führend-verkaufende» Anforderungen stellt.
Mit diesem sperrigen Begriff meinen die Forscher Berufe, in denen die Jugendlichen «überzeugen, verhandeln, leiten» müssen. Das ist in Jobs mit viel Kundenkontakt der Fall, also bei Detailhandelsfachfrau/mann oder Restaurationsangestellte/r.
Warum lassen junge Frauen solche Jobs nach einer Schnupperlehre öfter links liegen? Dies hängt damit zusammen, dass sie vermutlich ihre eigenen Führungsfähigkeiten unterschätzen. Denn in der Umfrage hatten sie eigentlich angegeben, dass sie solche Tätigkeiten gerne ausüben würden. «Möglicherweise fühlen sich weibliche Jugendliche in diesen Praktikaberufen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten zu unsicher, um diese Berufe in ihrer Berufswahl weiterzuverfolgen», schreiben die Forscher.
Wie könnte man junge Frauen nun dazu bewegen, ihre eigenen Fähigkeiten nicht herunterzuspielen? Einen konkreten Vorschlag, den Hofmann und Neuenschwander machen, ist die «Steigerung der Selbstwirksamkeit». Das heisst, Jugendliche sollen erfahren, dass sie Aufgaben erfolgreich bewältigen können und beispielsweise bereits in der Schnupperlehre darin bestärkt werden.
Hier könnten die Verantwortlichen in den Schnupperlehren ansetzen und versuchen, gerade Mädchen in den besagten Fähigkeiten zu bestärken. Es sei wichtig, dass die Jugendlichen ihre Fähigkeiten realistisch einschätzen und sich darüber in der Schnupperlehre austauschen könnten, so die Studienautoren. «Idealerweise schnuppern Jugendliche denselben Beruf in verschiedenen Betrieben und besprechen ihre Fähigkeitsselbsteinschätzung mit unterschiedlichen Personen», sagt Jan Hofmann. Auch die Lehrpersonen sollten Jugendliche auf allfällige Selbstzweifel ansprechen und sie dazu ermuntern, einen Beruf, der viel Verhandlungsgeschick und Überzeugungsarbeit voraussetzt, mehrmals auszuprobieren.