Sollen Personen, welche die Berufsmatura gemacht haben, prüfungsfrei an der Pädagogischen Hochschule (PH) ein Studium absolvieren können? Darüber diskutiert heute der Nationalrat.
Für den Zugang zu einer Pädagogischen Hochschule braucht es heute grundsätzlich eine gymnasiale Maturität. Berufsmaturanden müssen für die meisten Pädagogischen Hochschulen eine Aufnahmeprüfung machen und dafür noch einen halb- oder einjährigen Vorkurs besuchen. Das heisst, ihr Studium verlängert sich und dauert bis zu vier Jahre anstatt drei Jahre.
In den meisten Kantonen ist die PH-Aufnahmeprüfung für Berufsmaturanden und der dazugehörige Vorkurs Pflicht. Im Kanton Bern wurde diese Regelung im Dezember 2021 abgeschafft. Ab Herbst 2023 wird es für Berufsmaturanden möglich sein, an der PH Bern ohne Aufnahmeprüfung und Vorkurs zu studieren. Diese PH-Absolventinnen und Absolventen werden nach dem Abschluss aber nur im Kanton Bern unterrichten können.
Einer ist besonders überzeugt von der Motion und einer neuen Regelung: der Urner Mitte-Nationalrat Simon Stadler. Er hat schon vor über zwei Jahren eine gleichlautende Motion eingereicht wie die, welche aktuell im Nationalrat behandelt wird. Diese wurde damals abgeschrieben, weil sie nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt wurde.
Stadlers Motion wurde von insgesamt 50 Parlamentarierinnen, von links bis rechts, mitunterzeichnet. Unter anderem von Diana Gutjahr (SVP), Aline Trede (Grüne), Matthias Aebischer (SP) und Christian Wasserfallen (FDP).
Die Entschlossenheit von Stadler kommt nicht von ungefähr. Er selbst hat eine Maurerlehre und die Berufsmatura gemacht, sich ein Jahr für die PH-Aufnahmeprüfung vorbereitet, diese dann absolviert und die PH erfolgreich abgeschlossen. Er arbeitete er als Primarlehrer in Seedorf-Bauen und heute nimmt er Stellvertretungen an verschiedenen Schulen wahr.
Stadler sagt gegenüber watson: «Wir haben seit mehreren Jahren einen Lehrermangel in der Schweiz. Es wird Zeit, endlich etwas zu unternehmen. Man hat im letzten Sommer gewissermassen Leute von der Strasse genommen, diese kurz ausgebildet und dann ins Schulzimmer zu den Kindern gestellt. Das geht doch nicht.»
Laut Stadler ist die Berufsmatura heute bedeutungslos: «Personen, die eine dreijährige Berufserfahrung und eine Lehre vorweisen können, können heute auch dieselbe Aufnahmeprüfung machen wie Personen, die die Berufsmatura gemacht haben. So bringt einem die Berufsmatura gar nichts. Das ergibt für mich keinen Sinn, vor allem wenn man die ganze Zeit von Durchlässigkeit und Lehrermangel spricht.»
Der Bundesrat empfiehlt eine Ablehnung der Motion. Stadler meint dazu: «Das ist eine elitäre Ansicht. Man kann nicht klagen darüber, dass man zu wenig Lehrer hat, und dann nichts dagegen unternehmen. Es geht sicher noch zehn Jahre so weiter mit dem Lehrermangel. Wenn die Prüfung und der Vorkurs wegfallen für die Personen mit Berufsmatura, haben wir schneller mehr ausgebildete Lehrpersonen.»
Etwas anderes stört Stadler auch: «Die Berufsmatura wird oft schlechtgemacht. Oft wird der Anschein erweckt, dass Berufsmaturanden dumm seien, das stimmt nicht. Man stellt andere Anforderungen an sie als an die Menschen, die die gymnasiale Matura haben. Im Bildungsbericht 2018 sieht man, dass eher schwache Gymischülerinnen und -schüler sich für die PH entscheiden. Und 25 Prozent der Personen, welche die Ausbildung zum Sekundarschullehrer machen, sind gescheiterte Universitätsstudenten. Weshalb stellt man also Absolventinnen und Absolventen einer Berufsmatura solche Hürden in den Weg?»
Nicht nur der Bundesrat empfiehlt die Ablehnung der Motion. Auch der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) lehnt eine neue Regelung entschieden ab.
«Die Herausforderungen, denen sich Lehrkräfte stellen müssen, werden immer komplexer. Als Reaktion darauf die Anforderungen für den Zugang zu den Pädagogischen Hochschulen zu senken, zielt in die falsche Richtung. Die Anforderungen an die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung dürfen nicht nach unten korrigiert werden, wenn die Zeichen der Zeit gerade eindeutig auf Aufwertung und Festigung stehen», sagt Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des LCH, zu watson.
Sie fügt an: «Primarschullehrpersonen sind Generalisten und müssen daher über akademische Kenntnisse und Fähigkeiten in einer Vielzahl von Bereichen verfügen und ein breites Spektrum von Allgemeinwissen in vielen verschiedenen Fächern wie zum Beispiel Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen, aber auch im musischen Bereich aufweisen.»
Laut Rösler verfügen Absolventinnen und Absolventen einer Berufsmatura je nach Maturitätsrichtung nicht über alle allgemeinbildenden Kompetenzen, die für ein Studium an einer PH erforderlich sind. Denn die Studentinnen müssten bereits ein Vorwissen in den Bereichen Sprachen, Geografie, Gestaltung und Technik, Musik, Bewegung und Sport, Pädagogik, Ethik, Philosophie, Psychologie, Soziologie und Naturwissenschaften mitbringen.
Auf die Frage, welche Massnahmen der LCH ergreift, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken, antwortet Rösler: «Der LCH setzt sich an verschiedenen Orten und auch auf politischer Ebene und zusammen mit seinen Kantonal-, Stufen- und Fachverbänden seit Jahren dafür ein, dass die Schulen, Lehrerinnen und Lehrer angemessene Ressourcen, Rahmen- und Arbeitsbedingungen haben.»
Sie fügt an: «Es geht ja nicht nur darum, junge und allgemein Menschen für diesen Beruf zu gewinnen, sondern auch darum, diejenigen, die bereits in der Schule sind, möglichst zu halten. Dazu braucht es Zahlen und Fakten, die erhoben werden sollen, dafür haben wir uns eingesetzt, aber auch eben die entsprechenden Rahmenbedingungen.»
Die PH Zürich ist ähnlicher Ansicht wie der LCH, sie sagt auf Anfrage von watson: «Die Abschaffung der Ergänzungsprüfung für Absolvierende einer Berufsmaturität dürfte dazu führen, dass Studierende nicht über die für das Studium und den Beruf notwendigen Kompetenzen verfügen. Dies würde sich negativ auf die Qualität der Lehrpersonenbildung und die Wirksamkeit des Bildungssystems auswirken.»
Sollten die jungen Leute nicht für den Lehrerberuf geeignet sein merken sie das am ehesten in einer Lehrer Ausbildung, nicht in irgend welchen Vorkursen zur “Allgemeinbildung”. So was ist teuer und verschwendet Geld/Arbeitskraft der Jungen.
Bitte aufs Wesentliche konzentrieren.
Nach der Schule kommt der Bachelor, dsnach der Master…
Dann kommen sie auf den Arbeitsmarkt und können….
„Nichts“…
Sind wir ehrlich: Oftmals ist jemand der eine Lehre macht, dann 2-3 Jahre arbeitet und danach in der Freizeit / Teilzeit studiert „brauchbarer“….
Für mich total unverständlich und ungerechtfertigt warum rein studierte ohne Berufserfahrung meist mehr verdienen als solche die bereits Erfahrung und noch ein Studium gemacht haben…