Ausländerinnen und Ausländer, die ein Verbrechen begehen, sollen automatisch ausgeschafft werden. Nur in schweren persönlichen Härtefällen soll davon eine Ausnahme gemacht werden. Der Nationalrat hat am Mittwoch dieser Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative zugestimmt – gegen den Willen der SVP.
Ihrer Meinung nach wird damit die heutige Ausweisungspraxis nahtlos weitergeführt. «Das ist nicht der Sinn der Übung», sagte der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz. Die Härtefallklausel entspreche ziemlich genau dem, was Volk und Stände mit dem Gegenvorschlag zur Initiative 2010 abgelehnt hätten. Die Vorlage sei darum ein grosser Schritt rückwärts.
Der Nationalrat hatte bei der ersten Beratung vor einem Jahr den Text der noch hängigen Durchsetzungs-Initiative als Vorlage für die Umsetzung genommen. Damit ging er über den Verfassungsauftrag hinaus, weil Straftäter auch wegen relativ geringfügiger Straftaten ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz verwirken könnten. Statt mit 1500 wäre mit geschätzten 11'000 zusätzlichen Ausschaffungen zu rechnen.
Der Ständerat entschied sich jedoch für eine andere Lösung, welche seine vorberatende Kommission ausgearbeitet hatte: Nur schwere Straftaten sollen zu einer automatischen Ausschaffung führen. Ausnahmsweise soll das Gericht aber davon absehen können, wenn die Landesverweisung für den Ausländer oder die Ausländerin einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde.
Bei SVP-Präsident Toni Brunner (SG) löste diese Umsetzung «nichts als Enttäuschung» aus. Das Volk habe 2010 explizit Nein gesagt zur Härtefallklausel. Offenbar habe es das Parlament darauf angelegt, dass die Durchsetzungs-Initiative zur Abstimmung komme. «Dann haben Sie dann den Salat», sagte Brunner. Erstaunt zeigte er sich über die Kehrtwende von FDP und CVP, die vor einem Jahr noch der Umsetzung gemäss Durchsetzungs-Initiative zugestimmt hatten.
Kurt Fluri (FDP/SO) bestritt, dass mit der Härtefallklausel der Ausschaffungs-Automatismus ausgehebelt wird. Den Meinungsumschwung der FDP begründete er mit terminlichen Gründen, nicht weil der Entscheid vor einem Jahr falsch gewesen wäre: Die Initiative müsse bis im November umgesetzt sein. Es sei vorhersehbar, dass sich am Schluss ohnehin der Ständerat durchsetzen werden. Die Mehrheit der FDP werde sich darum dessen Version anschliessen, sagte Fluri.
Es sei nicht Sache der Initianten, den Volkswillen zu definieren, sagte CVP-Sprecherin Ruth Humbel (AG). Initianten und Gesetzgeber hätten unterschiedliche Rollen. Aufgabe des Gesetzgebers sei es, die verfassungsmässigen Grundsätze zu wahren. «Ich bin nicht bereit, so rasch so viele Grundsätze des Rechtsstaates über Bord zu werfen», sagte auch Beat Flach (GLP/AG).
Justizministerin Simonetta Sommaruga erinnerte die Nationalrätinnen und Nationalräte daran, dass sie geschworen hätten, die Verfassung zu beachten. Der Nationalrat stimmte dem vom Ständerat beschlossenen Deliktskatalog schliesslich mit 122 zu 59 Stimmen bei 6 Enthaltungen zu, der Härtefallklausel mit 121 zu 60 Stimmen bei 6 Enthaltungen. (sda)