Die Anhänger des FC Zürich wollen sich den Polizeieinsatz vom Samstag nicht ohne weiteres gefallen lassen. Rund 800 Fans waren während eines Marsches zum Letzigrundstadion von der Polizei eingekesselt worden, 11 verhaftet. Sie kündigen nun rechtliche Schritte an: «Die Zürcher Südkurve wird das weitere Vorgehen der Stadtpolizei auf jeden Fall juristisch und anwaltlich begleiten», schreibt die Südkurve auf ihrer Website.
Die Fan-Vereinigung übt massive Kritik am Einsatz: «Mit ihrem aggressiven und unverhältnismässigen Vorgehen nahm die Polizei stundenlange Verkehrsbehinderungen und Ausschreitungen mutwillig in Kauf».
Auch der FCZ scheint nicht ganz glücklich über das Vorgehen der Einsatzkräfte. In einem Statement begrüsst der Verein zwar, «dass Einzeltäter für fehlbares Handeln zur Rechenschaft gezogen werden». Was dann folgt, kann man aber als Polizeikritik hinter vorgehaltener Hand sehen:
«Gleichzeitig appelliert der FC Zürich aber auch, dass die Verhältnismässigkeit von allen involvierten Parteien gewahrt wird und nicht eine ganze Gruppe von Personen unter dem Fehlverhalten von einzelnen zu leiden hat und in der Folge so auch der Besuch des Spiels verunmöglicht wurde.»
Ob die Polizei unverhältnismässig gehandelt hat, ist schwierig zu sagen. Reto Müller, Lehrbeauftragter für Sicherheits- und Polizeirecht an der Universität Basel, sagt zu watson: «Die Festhaltung und die Kontrolle gehören zu den Massnahmen, welche im Polizeigesetz generell-abstrakt geregelt sind.» Es komme in erster Linie darauf an, welche konkreten Gefahren man habe abwehren wollen.
Die FCZ-Anhänger argumentieren, der Einsatz von Pyros habe sich im Vergleich zu anderen Fanmärschen im normalen Rahmen bewegt. «Das ist bei der Gefahrenabwehr unerheblich», sagt Müller. «Zudem haben die politischen Behörden ja angekündigt, künftig restriktiver vorzugehen».
Dies thematisiert die Südkurve auch in ihrem Statement. Man ist überzeugt, dass «die Aktion von langer Hand geplant war und nicht wie angegeben durch das Zünden von Feuerwerk ausgelöst wurde».
Besonders sauer stösst den Fans auf, dass alle Marschteilnehmer von der Polizei registriert wurden. Per Megaphon forderte die Polizei alle Teilnehmer dazu auf, sich kontrollieren und fotografieren zu lassen sowie ihre Personalien anzugeben.
Dass die Polizei die Personalien von 800 Marschteilnehmern zur weiteren Kontrolle festhalten sei grundsätzlich zulässig, sagt Rechtsexperte Müller. Bei jenen, denen man keine Gesetzesverstösse nachweisen könne, müssten die Daten aber wieder gelöscht werden.
«Die Personalien der Marschteilnehmer kommen nicht automatisch in die Hooligan-Datenbank Hoogan, sondern in die Polizei-Datenbank Polis», sagt Michael Wirz von der Stadtpolizei Zürich auf Anfrage. Dort würden sie, wie es das Gesetz in solchen Fällen vorsehe, nach fünf Jahren gelöscht. «Falls jedoch im Zuge der Ermittlungen eine konkrete Straftat nachgewiesen werden kann, wird ein Eintrag in der Hooligan-Datenbank geprüft.»
Aus Sorge, in einer Datenbank registriert und darum mit künftigen Repressalien rechnen zu müssen, weigerten sich die Fans zunächst, mit der Polizei zu kooperieren, sagt ein Marschteilnehmer zu watson.
Daraufhin eskalierte die Situation. Die Einsatzkräfte griffen immer wieder Fans aus der Menge heraus, um sie zu kontrollieren, worauf sie von einzelnen Teilnehmern mit Steinen und Flaschen angegriffen wurden. Ein Beamter sei mit einer Stange attackiert worden. Die Polizei setzte Tränengas, Gummischrot und Wasserwerfer ein.
Die Polizei handelte im Rahmen des Hooligan-Konkordats, das eine rechtliche Grauzone darstellt. «Das Konkordat ist umstritten, weil damit teilweise das Strafrecht umgangen werden kann, indem eine verwaltungsrechtliche Massnahme an die Stelle eines Strafverfahrens tritt», so Experte Müller. Stadionbetreiber und Polizei könnten Massnahmen wie Rayonverbote aussprechen – ohne Untersuchungen und Verfahren. «Es besteht die Gefahr, dass Unschuldige, die sich in der Nähe von Chaoten aufhalten, hineingezogen werden», ergänzt er.