Schweiz
St Gallen

Mann tötete 45-Jährigen in Mels SG mit Schirm – Urteil verschoben

Mann tötete 45-Jährigen in Mels SG mit Schirm – Urteil verschoben

02.02.2024, 14:3302.02.2024, 16:56
Mehr «Schweiz»
Blick auf den Ortseingang des Dorfes Mels, aufgenommen am Sonntag, 7. Juni 2015, in Mels. Die Bundesanwaltschaft hat im Zusammenhang mit den FIFA-Ermittlungen den Sportrechtevermarkter Kentaro AG mit  ...
Bild: KEYSTONE

Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland in Mels SG hat am Freitag noch kein Urteil gesprochen im Fall um ein Tötungsdelikt an der Fasnacht 2022. Nach Ansicht der Richter muss ein erneutes Gutachten die Schuldfähigkeit des jungen Mannes und offene Fragen klären.

Ein neues Gutachten muss drei zentrale Punkte klären, wie der vorsitzende Richter am Freitag erklärte. Im bisherigen Gutachten stehe etwa, dass sich der Beschuldigte Alkohol nicht gewohnt gewesen sei.

Daran zweifeln die Richter unter anderem wegen eines Videos. In diesem sei zu sehen, wie der Beschuldigte eine Flasche Wein auf einmal leer getrunken habe. Auch habe er selber in Befragungen angegeben, regelmässig betrunken gewesen zu sein.

Ebenfalls hinterfragte das Gericht, inwiefern das Verhalten des Beschuldigten vor und nach der Tat als «ungewöhnlich» einzustufen sei.

Mit Regenschirm tödlich verletzt

Bei dieser Tat soll ein damals 19-Jähriger einen 45-jährigen Italiener durch Stiche mit einem Regenschirm tödlich verletzt haben. Zuvor war es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen.

Der vorsitzende Richter verwies auf einen Zeugen, der das Verhalten des Beschuldigten in der besagten Nacht als «normal» beschrieben hatte. Auch war er gemäss Zeuge nicht sonderlich berauscht. Zudem habe der junge Mann nach der Tat zwei Mal den Notruf gewählt. «Auch das spricht für eine adäquate Reaktion auf die Tat», so der vorsitzende Richter.

Gutachter ist gestorben

Die dritte Frage, die der Richter ausführte: «Inwiefern kann die alkoholbedingte Wahrnehmungsstörung die Tötungshandlung erklären?» Der Beschuldigte sagte am ersten Prozesstag am Donnerstag vor Gericht, dass er sich bedroht gefühlt habe. Nach Ansicht der Richter mag dieses subjektive Empfinden zwar erklären, dass sich der junge Mann gewehrt hatte. Nicht aber, warum er auf den bereits wehrlosen 45-Jährigen nochmals eingeschlagen habe.

«Ein Gutachten, das besagt, dass die Steuerungsfähigkeit komplett aufgehoben war, muss vollständig nachvollziehbar sein», erklärte der vorsitzende Richter. Weil dies nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall ist, brauche es ein neues Gutachten. Der Psychiater, der das aktuelle Gutachten angefertigt hatte, könne nicht mehr befragt werden, um die offenen Fragen allenfalls noch zu klären. Er ist gestorben.

«Wir sind uns bewusst, dass das Warten auf das neue Gutachten eine grosse Belastung ist», so der Richter weiter. Unter anderem den Angehörigen des Opfers sei man ein neues Gutachten aber schuldig.

Die Frage nach den K.O-Tropfen

Auch sei zu klären, ob allenfalls noch weitere Substanzen abgesehen von Alkohol bei der Tat eine Rolle gespielt haben. Diesen Punkt brachte die Verteidigerin an der Verhandlung am Donnerstag auf. Die Anwältin vermutete eine andere Substanz, etwa K.O-Tropfen.

«Fakt ist, der Beschuldigte befand sich in einem völlig abnormalen Zustand, den er vorher noch nie erlebt hatte», sagte die Anwältin am Donnerstag. In seiner Wahrnehmung habe der Beschuldigte um sein Leben gekämpft. Alkohol habe er auch bei früheren Gelegenheiten konsumiert. Noch nie sei er aber aggressiv geworden.

Der Beschuldigte selbst, der mittlerweile Rechtswissenschaften studiert, hatte am Donnerstag von Erinnerungslücken gesprochen. «Nein, ich habe keine Erklärung für meine Handlungen», antwortete der junge Mann damals auf eine Frage eines Richters. Noch nie zuvor habe er einen solchen «Blackout» gehabt. «Ich muss damit umgehen. Es ist extrem schlimm, es tut mir leid und es belastet mich sehr.»

Der Opferanwalt zweifelt

Am ersten Prozesstag sprach der Jus-Student zudem von einer «panischen Angst», die er gehabt habe. Dies, weil das Opfer ihm gegenüber aggressiv geworden sei. Der 45-Jährige habe ihn ans Geschlechtsteil gefasst und am Verlassen eines Zimmers oberhalb eines Restaurants gehindert. In diesem Zimmer waren die beiden während der Fasnacht aufeinandergetroffen. Zudem habe ihm der Italiener ins Gesicht geschlagen.

Der Opferanwalt hatte die Aussagen des Verurteilten und seiner Anwältin am Donnerstag ebenfalls bezweifelt. Unter anderem wegen einer Aussage einer Zeugin, die den jungen Mann vor der Tat als «ruhig» beschrieb. Die Zeugin will auch beobachtet haben, dass er für eine gewisse Zeit keine alkoholischen Getränke zu sich genommen hat.

Die Staatsanwaltschaft geht von 1,2 bis maximal 2,1 Promille Alkohol beim Beschuldigten aus. Wegen des hohen Alkoholgehalts im Blut sei er nicht schuldfähig, so die Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte sei zur Tatzeit wegen seines Alkoholkonsums nicht zurechnungsfähig gewesen. Dass es soweit gekommen sei, habe er selber verschuldet, sagte der Staatsanwalt weiter. Er forderte am Donnerstag eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
FJ97
02.02.2024 14:47registriert August 2022
"Dabei stach der junge Mann dem Italiener mit einem Regenschirm in beide Augen. Dieser starb an Schädel-Hirnverletzungen." - Da muss man über Schuldfähigkeit. diskutieren? Das ist ein absolutes Armutszeugnis und einfach nur erbärmlich. Wer so etwas tut war hat ganz sicher gewusst was er tut. Wir sprechen hier nicht von "Auf den Kopf gehauen, umgefallen und dumm gelaufen". Sondern von Stichen in beide Augen. Was gibt es da zu überprüfen?
364
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fritz_Forelle
02.02.2024 15:01registriert März 2022
„Noch nicht ganz geklärt ist für die Richterinnen und Richter beispielsweise die Frage, wie gewohnt es der Beschuldigte war, Alkohol zu trinken.“

Was zum…. spielt doch keine Rolle! Dass Alkohol wirkt, dass wusste er wohl.
345
Melden
Zum Kommentar
13
Weniger Überwachungs-Massnahmen durch Schweizer Strafverfolgungs-Behörden

Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes haben im vergangenen Jahr weniger Überwachungsmassnahmen angeordnet. Hauptgrund ist, dass es zu weniger Antennensuchläufen kam, also der Überprüfung, welche Mobiltelefone wo eingewählt waren.

Zur Story