Die Erfolgsgeschichte der Street Parade begann vor 23 Jahren. Inspiriert von der Berliner Love Parade organisierte der Mathematikstudent Marek Krynksi eine «Demonstration für Liebe, Friede, Freiheit, Grosszügigkeit und Toleranz». Das erklärte Ziel: Eine liberalere Gesellschaft.
Seit 1992, als der Anlass zum ersten Mal über die Bühne ging, hat sich die Street Parade sehr stark entwickelt. Zogen damals noch sieben Love-Mobiles und 1000 Rave-Begeisterte durch die Innenstadt, waren es bei der letzten Parade 30 Trucks und fast eine Million Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Das diesjährige Motto heisst «Magic Moments». Laut Veranstalter demonstriert die Street Parade damit «für ein gewaltfreies Miteinander – egal welcher Rasse, Hautfarbe, Religion, sexueller Ausrichtung oder Interessengruppe die Leute angehören».
Das Prinzip wäre also klar: Die Street Parade ist ein Fest für alle, auch für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen und Genderqueere. Aber wie wichtig ist die Veranstaltung für LGBTQ tatsächlich?
Hier werde diejenige Toleranz gelebt, die immer und überall gelebt werden sollte. «Wir hoffen, dass diese Botschaft nach wie vor durchdringt und den Leuten weiterhin bewusst ist.» Alle seien willkommen, um das gehe es bei diesem Fest. Es spiele keine Rolle, ob jemand hetero- oder homosexuell sei.
Die Zürcher Drag-Queen Jazzmin Dian Moore ist beruflich und privat oft in der Schwulenszene unterwegs und hat ein dementsprechend gutes Gespür für deren Belange. Der Anlass sei eine zweite Pride und ein wichtiger Anlass für die Community. «Ich kenne sehr viele, die hingehen, gerade auch junge Schwule», sagt die Travestiekünstlerin, die für den TV-Sender 3+ schon drei Mal als «Style Police» an der Street Parade fungierte.
Tatsächlich sei es so, dass viele Schwule die Parade zum Anlass nähmen, selbst einmal als Drag Queen auszugehen. Der Fokus der Street Parade liege aber nicht auf LGBTQ-Themen.
Auch für Heterosexuelle sei die Veranstaltung eine gute Gelegenheit, einmal anders zu sein und Seiten auszuleben, die man sonst vielleicht nicht zeigen könne.
Dennoch sagt auch Schlumpf, gerade die ältere Generation sei seit den Anfängen mit dem Anlass verbunden und vielfach noch begeistert mit dabei. Er weist aber auch darauf hin, dass es unterdessen grosse Gay-Events gebe, die der Street Parade Konkurrenz machten. «Tolle Prides in Europa oder in Tel Aviv, aber auch Anlässe wie die Circuit Party in Barcelona.» Zudem spiele für die lokale Community das Wetter eine grosse Rolle. «Immer häufiger wird spontan über eine Teilnahme entschieden.»
Dennoch hält Erik Schlumpf die Street Parade weiterhin für einen wichtigen Anlass, der den kommenden Samstag auch für den Gay-Party-Veranstalter attraktiv macht: Im Anschluss an die Street Parade findet im Zürcher X-Tra-Club die Flash Party statt, gerechnet wird mit rund 1500 Gästen, sagt Erik Schlumpf.
Die Toleranz sei an der Street Parade zwar sehr hoch. Trotzdem würden aber viele Schwule gerne noch im vertrauten Umfeld weiterfeiern.
Seit Jahrzehnten eine sehr bedeutende Veranstaltung ist die Street Parade für Maria von Känel, Geschäftsführerin des Dachverbands Regenbogenfamilien.
Als Homosexuelle unter so vielen Heterosexuellen akzeptiert zu werden – das habe sie enorm gestärkt. Die vorurteilslose Aufnahme der LGBTQ-Community ist laut Maria von Känel auch heute noch ein wichtiger Bestandteil des Anlasses und sie kennt viele Lesben, die seit Jahren mit von der Partie sind, aber auch junge Frauen, die hingehen.
Ein Pulsfühlen in der Zürcher «Heldenbar» zeigt, dass die meisten Schwulen der Street Parade gegenüber positiv eingestellt sind und Toleranz nach wie vor ein Thema ist. Einige Kommentare fielen hingegen auch indifferent oder gar negativ aus.
Hingehen werden Joel, Pete und Tsewane zwar nicht. «Dafür sind wir zu alt», scherzt die 38-jährige Tsewane. Von der Street Parade sind die drei aber dennoch überzeugt, sie müsse für immer weiterbestehen.