Das neueste Wahlplakat, das in deutschen Städten die Wählerinnen und Wähler zur Europa-Wahl mobilisieren soll, kann der Schweiz nicht gefallen: Unser Land dient im Wahlkampf zumindest nach aussen hin als Vorbild für die rechtsextreme NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands). Gegen die offen fremdenfeindlich und antisemitisch agierende Kleinpartei läuft in Deutschland wieder einmal ein Verbotsverfahren.
Die NPD ist nicht die einzige politische Gruppierung, die aus dem Schweizer Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative am 9. Februar politisches Kapital schlagen will. Auch die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) buhlt auf Plakaten um Wählerstimmen mit Verweis auf die direkte Demokratie und das Schweizer Votum.
Die AfD ist keine extreme Partei, macht sich aber für eine restriktive Zuwanderungspolitik in der EU stark. Einige Parteimitglieder der noch jungen politischen Kraft tummeln sich ausserdem zumindest in der Nähe rechtsnationaler Gruppierungen. Der Einzug der AfD ins Europaparlament ist nach dem Wegfall der 3-Prozent-Hürde so gut wie besiegelt. Ob auch die NPD Abgeordnete nach Strassburg entsenden kann, ist hingegen ungewiss.
Die Instrumentalisierung durch die extreme Rechte im Europa-Wahlkampf – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich oder Grossbritannien – kratzt am Image der Schweiz. Schon zuvor konnte der Eindruck entstehen, der Ruf der Schweiz in Deutschland habe gelitten. In den Medien ist im Zusammenhang mit der Eidgenossenschaft oft die Rede vom überteuerten Schwarzgeldparadies. Fälle von Steuerhinterziehungen Prominenter wie Uli Hoeness oder Alice Schwarzer sorgten für Aufsehen.
Zwar stiess das Schweizer Ja zur Begrenzung der Zuwanderung bei vielen Deutschen auf Verständnis. Doch indem eine fremdenfeindliche Partei wie die NPD mit dem Schweizer Entscheid auf Stimmenfang geht, könnte der Schweizer Entscheid vom 9. Februar in Deutschland falsch interpretiert werden: nämlich alleine als fremdenfeindlich begründete Abschottung gegen aussen. Doch rechtlich hat die Schweiz nichts in der Hand, um der NPD das Werben mit dem Matterhorn zu verbieten. Beim Departement für auswärtige Angelegenheiten in Bern (EDA) will man sich zur Kampagne der Rechtsextremen nicht äussern: «Wir kommentieren den Wahlkampf in anderen Ländern grundsätzlich nicht», sagt EDA-Sprecher Stefan von Below.
Die Gefahr der Instrumentalisierung durch Extremisten erkennt jedenfalls der Zürcher SP-Nationalrat und Europarat Andreas Gross. «Die Schweiz wird von vielen Europäern schon jetzt falsch oder gar nicht verstanden. Jedenfalls nicht so, wie wir Schweizer das gerne hätten», sagt er gegenüber der Nordwestschweiz.
Kampagnen wie jene der NPD könnten das Unverständnis verstärken. Gross ortet das Problem in einem mangelnden innenpolitischen Diskurs nach dem Ja vom 9. Februar. «Wenn etwas im Ausland nicht verstanden wird, dann hapert es meist schon im eigenen Land am Verständnis.» Die Schweiz habe es bislang versäumt, einen Diskurs darüber zu führen, «was die tatsächliche Botschaft dieser knappen Mehrheit der Stimmenden war. Mit irgendwelchen Anpöbelungen am Freitagabend in der ‹Arena› kann dies nicht geschehen, im Gegenteil: Dort wird das Problem bewirtschaftet, niemand bemüht sich um ein gemeinsames Problemverständnis.»
Imagekampagnen des Bunds «à la Fondueplausch in der Wall Street oder Skifahren in Berlin» seien kontraproduktiv. «Das schürt bloss das Unverständnis der Menschen gegenüber unserem Land.» Gross fordert eine breite Auseinandersetzung. Nur so könne die Schweiz mit ihren vielen Eigenheiten und Facetten im Ausland richtig erklärt werden.
Der Politologe Hermann Adam von der Freien Universität Berlin zeichnet ein nicht ganz so düsteres Bild wie Nationalrat Gross. «Natürlich, bei den Sympathisanten der NPD zieht der Verweis auf die Schweiz. Aber das Gros der Deutschen kann das Abstimmungsergebnis schon differenziert beurteilen», sagt er. Hermann Adam schätzt das Potenzial EU-kritischer Stimmbürger in Deutschland auf 15 bis 20 Prozent. Davon werde bei den Europawahlen im Mai vor allem die AfD profitieren.
Bei der NPD war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.