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Aufsicht ortet mehrere Behördenmängel bei der Terrorismusbekämpfung

Aufsicht ortet mehrere Behördenmängel bei der Terrorismusbekämpfung

07.03.2023, 14:0007.03.2023, 13:54
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ARCHIV - THEMENBILD ZU MASSNAHMEN TERRORBEKAEMPFUNG --- Police officers indicate their presence at the Airport of Zurich, in Zurich-Kloten, Switzerland, Tuesday, 22 March 2016. All flights to brussels ...
Bild: KEYSTONE

Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen hat vor und nach den Messerattacken in Morges VD und Lugano TI im Herbst 2020 nicht optimal funktioniert. Die Aufsichtskommission über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hat mehrere Mängel festgestellt und fordert Massnahmen.

Das ist einem am Dienstag veröffentlichten Inspektionsbericht zu entnehmen. Diesen hatte die AB-BA Ende Dezember 2021 angekündigt. Im Fokus stehen die Messerangriffe in Morges und Lugano. In Morges starb ein 29-jähriger Mann in einem Kebab-Restaurant, in Lugano wurde eine Frau in einem Einkaufszentrum schwer verletzt.

Keine Reaktion auf Verstösse

Beim Fall in Morges bemängelt die Aufsichtsbehörde unter anderem «das Ausbleiben einer Reaktion der Bundesanwaltschaft, nachdem die Waadtländer Behörden verschiedene Verstösse gegen die auferlegten Ersatzmassnahmen gemeldet hatten». Der mutmassliche Täter war bereits vor der Messerattacke wegen dschihadistischer Umtriebe im Visier. Trotzdem wurde er aus dem Gefängnis entlassen, was in der Öffentlichkeit für einige Empörung sorgte.

Ausserdem widersprachen sich die Darstellungen. Es gab Quellen, die sagten, dass die Bundesanwaltschaft beantragt habe, den Mann in einer psychiatrischen Einrichtung zu internieren. Das Waadtländer Sicherheitsdepartement hingegen liess verlauten, dass keine kantonale Behörde einen Entscheid der Bundesanwaltschaft erhalten habe, der eine solche Internierung anordnete.

Der Waadtländer Staatsrat wies auf «systemische Mängel im Bereich terroristische Straftaten bei der Bundesanwaltschaft» hin. Zudem richteten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) Fragen an die Aufsichtsbehörde.

Neue Stelle soll Gefährlichkeit abschätzen

Die AB-BA kam während ihrer Inspektion zum Schluss, dass die mit zahlreichen Ersatzmassnahmen verbundene Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft vertretbar war. Trotzdem empfiehlt sie eine «Optimierung der Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften von Bund und Kantonen im Bereich der Terrorismusbekämpfung».

Nach Einschätzung der AB-BA hätte es beim Täter von Morges einer eingehenderen Gefährlichkeitsbeurteilung unter Einbezug der Standpunkte aller am Fall beteiligten Behörden des Beschuldigten bedurft. Künftig solle dies über eine Koordinationsstelle laufen, die alle beteiligten Behörden einbezieht.

Forensische Weiterbildung gefordert

Im Fall der Messerattacke in Lugano hatte die Bundesanwaltschaft ein früheres Strafverfahren gegen die Beschuldigte mit einer Nichtanhandnahmeverfügung erledigt. Die AB-BA ist der Auffassung, dass diese Verfügung nicht ohne weiteres zu rechtfertigen war. Es wäre «notwendig gewesen, den Sachverhalt zu klären und eine eingehende rechtliche Würdigung vorzunehmen», heisst es im Inspektionsbericht. Künftig sollten Nichtanhandnahmeverfügungen in solchen Fällen deshalb nicht mehr ohne Zustellungsvermerk, Begründung oder Rechtsmittelbelehrung erlassen werden.

Um die Gefährlichkeitsbeurteilung von Beschuldigten zu verbessern, empfiehlt die AB-BA zudem, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Bundes, die im Bereich terroristischer Straftaten eingesetzt werden, Grundkenntnisse in forensischer Psychiatrie erwerben. Wenn Zweifel bestehen, ob Untersuchungshaft beantragt werden soll und kein psychiatrisches Gutachten vorliegt, empfiehlt die AB-BA, die Gefährlichkeit von Beschuldigten unter Beizug einer forensischen Psychiaterin oder eines forensischen Psychiaters zu beurteilen.

Kommunikation verbessern

Mängel ortete die AB-BA in beiden Fällen auch bezüglich Definition und Einhaltung der Abläufe, insbesondere in Bezug auf die Kommunikation der Verfahrensleitung. Im Fall von Morges wurden die Waadtländer Behörden aus Sicht der Aufsicht «nicht genügend in die Kommunikation einbezogen». In beiden Fällen erfolgte die Information von Medien und Öffentlichkeit nicht durch die Bundesanwaltschaft, sondern durch die kantonalen Behörden und das Bundesamt für Polizei Fedpol.

Die Empfehlungen der AB-BA werden von der Bundesanwaltschaft begrüsst und befinden sich in Umsetzung, wie es in einer Mitteilung heisst. Die beiden Fälle in Morges und Lugano ereigneten sich noch in der Amtszeit des ehemaligen Bundesanwalts Michael Lauber. Seit Januar 2022 steht Stefan Blättler der Bundesanwaltschaft vor. (aeg/sda)

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