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Köchin Rebecca Clopath: «Ich mische lieber Baumrinde mit Reh oder Rottanne mit einheimischen Beeren als Kartoffeln mit Zitronengras»

Rebecca Clopath kocht mit Erde, Wurzeln und Knospen.
Rebecca Clopath kocht mit Erde, Wurzeln und Knospen.
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Köchin Rebecca Clopath: «Ich mische lieber Baumrinde mit Reh oder Rottanne mit einheimischen Beeren als Kartoffeln mit Zitronengras»

Die Bündnerin Rebecca Clopath gehört zu den aufstrebenden Koch-Talenten des Landes. Die preisgekrönte Köchin spricht im Interview über das Kochen mit Erde und Wurzeln, Essen bei Mama und ihren Frust am Döner-Stand.
18.07.2015, 21:0119.07.2015, 10:49
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anna miller
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Frau Clopath, was heisst das eigentlich für Sie, gut kochen? 
Rebecca Clopat: 
Gut kochen, das ist für mich, mit Gefühl, bewusst und aufmerksam. Das klingt jetzt etwas schmalzig, aber mit Güte, sorgfältig. Dass ich mir überlege, wie ich am besten und behutsamsten mit einem Lebensmittel umgehe: Wie behandle ich das Rüebli? Und seine Schale? 

Rebecca Clopath

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Rebecca Clopath, 1988 im Kanton Graubünden geboren, wurde bereits mit 24 Jahren Chefkoch beim Stargastronom Stefan Wiesner im Gasthof Rössli in Escholzmatt LU und realisiert daneben eigene Projekte. Seit 2013 ist Clopath ausserdem Max-Havelaar-Botschafterin. Mehr Infos auf www.natur-kochart.ch.

Das klingt sehr menschlich. Als wären Sie mit dem Rüebli in einer Partnerschaft. 
Ja, irgendwie ist es seltsam, aber ich bin tatsächlich in einer Partnerschaft, mit dem Kochen. Es gehört zu meinem Leben integral dazu, und die Liebe dazu ist ein Teil davon. Deshalb mögen wir doch alle am liebsten, was das Mami kocht. Weil da so viel Liebe drin ist. 

Viele Mamis haben aber heute gar nicht mehr so viel Zeit für Liebe. 
Das ist mir natürlich klar, und auch ich bin ab und zu im Stress. Aber ich habe die Erfahrung gemacht: Das Essen wird nur halb so gut, wenn ich mir nicht die Zeit lasse, mich darauf einzulassen. Das, was ich koche, kann sehr einfach sein, simpel. Ein paar Tomaten, eine Zwiebel, ein bisschen Salz. Dafür ist immer Zeit. 

«Deshalb mögen wir doch alle am liebsten, was das Mami kocht. Weil da so viel Liebe drin ist.»
Köchin Rebecca Clopath

Das klingt aber gar nicht anspruchsvoll. 
Meine Freunde haben immer Angst, für mich zu kochen, weil sie meinen, ihr Essen genüge meinen Ansprüchen nicht. Dabei ist eine gute, frische Tomatensauce zusammen mit guten Gesprächen ein Erlebnis. Gehe ich aber in ein Restaurant, und bezahle für die Kulinarik, ist die Sache natürlich eine ganz andere.  

Welche Ansprüche haben Sie denn dort?
Meine Erwartungen sind natürlich hoch. Und entsprechend oft bin ich enttäuscht. Ich habe einen hohen Anspruch, was die Frische, die Authentizität des Essens betrifft. Es frustriert mich, wenn ich in eine Pizzeria oder an einen Döner-Stand gehe und die Saucen nicht mal selbstgemacht sind. Die Leute geben sich einfach zu wenig Mühe. Da gebe ich mein Geld lieber in einem Bioladen aus. 

Sind Sie enttäuscht von der Schweizer Gastronomie?
Enttäuscht ist ein grosses Wort. Aber ich finde es schade, dass die Köche sich vielerorts nicht wirklich auf die Produkte, auf das Kochen an sich einlassen. Kein Wunder, boomen am Ende die wenigen Lokale, die wirklich authentisch kochen. 

«Es frustriert mich, wenn ich in eine Pizzeria oder an einen Döner-Stand gehe und die Saucen nicht mal selbstgemacht sind. Die Leute geben sich einfach zu wenig Mühe.»
Rebecca Clopath, Köchin

Wie der Betrieb, in welchem Sie gerade kochen, der Gasthof Rössli. Von avantgardistischer Naturküche ist da die Rede. Was soll das bedeuten?
Wir kochen mit Wurzeln, mit Rinde, Moos, Heu. Wir wollen das ganzheitliche Essen fördern, indem wir wirklich versuchen, alles zu verwerten, was die Natur uns bietet.  

Was meinen Sie mit ganzheitlich?
Ganzheitlich heisst für mich zu Ende gedacht. Ich möchte den ganzen Baum verwerten, ihn auseinandernehmen, mit seinen Früchten und seiner Rinde, diese Idee ist für mich auf dem Teller stimmiger, als wenn ich Schweizer Kartoffeln mit thailändischem Zitronengras mische. 

Was mischen Sie stattdessen?
Die Baumrinde mit dem Reh, die Rottanne mit einheimischen Beeren.  

Sie treiben den Gedanken des Lokalen ins Absurde.
Ja, so könnte man das auch sagen. Ich möchte alles zusammenbringen, was sich auf einem kleinen Fleck Erde tatsächlich begegnet. So wird sichtbar, wie die Natur wirklich aufgebaut ist. 

Was tun Sie denn, wenn Sie im Restaurant eingeladen sind und es Hummer gibt?
Ich esse und geniesse ihn. Aber ich würde ihn selber nicht zubereiten. Ich habe mit der Idee ein Problem, dass die Produkte aus der ganzen Welt zu uns geschifft und geflogen werden. Dabei liegt vor unserer eigenen Haustür ein Paradies. Nur haben wir diese Vielfalt vernachlässigt. 

«Ich möchte den ganzen Baum verwerten, ihn auseinandernehmen, mit seinen Früchten und seiner Rinde, diese Idee ist für mich auf dem Teller stimmiger, als wenn ich Schweizer Kartoffeln mit thailändischem Zitronengras mische.»
Jung-Köchin Rebecca Clopath

Das bedeutet aber Verzicht.
Vielleicht in der Masse, aber nicht in der Qualität. Im Tessin wachsen die wunderbarsten Zitrusfrüchte, oder Tomaten, aber eben nicht das ganze Jahr über. Man muss sich gedulden, bis die Dinge reif sind und ihre Zeit haben. Und die Gäste begreifen und respektieren das langsam immer mehr – und fragen das auch nach. Denn dafür erhalten sie im Gegenzug Hochwertigkeit. Die Mini-Rüebli aus Kenia müssen heute nicht mehr um jeden Preis auf den Tellern sein. 

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Und statt Entrecôte landet wieder Nierli auf dem Tisch.
Ethische und moralische Überlegungen spielen wieder eine stärkere Rolle. Man kauft ein Rind, und verwertet alles davon. Auch die Innereien. Das liegt im Trend. Weil wir langsam ahnen, wie viel wir wegwerfen, weil wir uns nur auf die hochwertigsten Stücke des Tiers fixieren. 

Das mit den Nierli ist aber auch keine einfache Sache.
Nein, weil wir uns daran gewöhnt haben, dass Fleisch nicht nach Tier riechen soll. Leberli riechen stark, Rind und Lamm haben einen intensiveren Geschmack als Pouletbrust. Die schmeckt meistens völlig neutral. 

«Die Mini-Rüebli aus Kenia müssen heute nicht mehr um jeden Preis auf den Tellern sein.»
Rebecca Clopath

Woher haben Sie eigentlich diesen Drang nach dem Ursprung der Schweizer Erdkultur?
Ich bin in einem kleinen Dorf in Graubünden aufgewachsen, auf einem Biobauernhof. Ich musste als Kind immer die Rüebli im Garten holen, das hat mir gar nicht gepasst. Doch je älter ich werde, desto mehr stelle ich fest: Meine Kindheit und meine Herkunft haben mich stärker geprägt, als ich ahnen konnte. Dieses Bewusstsein habe ich von Zuhause. Meine Eltern wohnen auf 1600 Metern über Meer. Dort wachsen nunmal keine Kirschen. Dafür andere tolle Sachen.

Berg-Gerüche beispielsweise.
Ja, Kräuter. Ich liebe die Wildkräuter-Küche, die will ich noch entdecken. Ich bin ein grosser Fan von Meret Bissegger. Eines Tages möchte ich selbst einen grossen Garten haben, meine Rüebli anpflanzen, meinen Honig machen. Möglichst alles, was die Natur hergibt. Und neue Geschmäcker aus alten Zeiten finden, die niemand mehr kennt. 

Und wenn Sie jetzt irgendwo einkehren könnten? Jetzt sofort?
Ich würde nach Hause fahren, zu meiner Mutter. Und mir wünschen, was es sonst bei uns immer nur an Weihnachten gibt: Schwarte, Gans, Quitten, gefüllte Zwiebeln. Rezepte aus einer vergessenen Zeit.  

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