Sag das doch deinen Freunden!
Wenn Menschen über 70 sind, darf man von alt reden. Oder nicht? Gut. Es trafen sich also zwei alte Männer im Fernsehstudio. Klingt schrecklich. War aber wunderbar. Der eine ist 70 (Roger Schawinski), der andere 72 (Franz Hohler).
Der 70-Jährige, der zwar gleich zu Beginn der Sendung betonte, wie toll es sei, das Publikum «bi mir» willkommen zu heissen, ist in dem Fall nicht so wichtig. Er wollte eigentlich bloss über den andern Roger reden, den Köppel, und vom 72-Jährigen hören, wie skandalös beschissen es doch sei, dass ein ehemals Linker zu einem Ultrarechten geworden ist.
Aber der 72-Jährige fiel nicht darauf herein. Denn er ist schlau. Einer, dem man gerne das abgelutschte Prädikat «schlauer Fuchs» anhängt. Dabei ist er ein Linker, der ein Linker geblieben ist. Der das aber ganz undogmatisch immer wieder hinterfragt und reflektiert.
«Man soll nicht meinen, ein Kräftefeld bleibe so, wie wir uns das gewohnt sind. Es ist auch richtig, dass wir unsere Position immer wieder überdenken», sagt er. Und wer hat eigentlich recht? Wer ist eigentlich das Volk? Alle, die sich in seinem Namen äussern, sagt er. Die Mehr- genauso wie die Minderheiten. Damit müsse man zurecht kommen.
Wie Schawinski ist auch Hohler eine Rampensau. Seit gut 50 Jahren. Und auf den Rampen, die man ihm baute, setzte er sich nicht wie Schawinski bloss für einen eigenen Radiosender ein, sondern gegen Atomkraftwerke, gegen die Armee, gegen das Waldsterben, gegen die Abschottung der Schweiz und für Flüchtlinge. Unbeirrbar, mit seiner Stimme, seinem Cello, seinen Texten. Abertausende hör(t)en ihm dabei zu, Franz Hohler ist das nachhaltige Gewissen der Schweiz.
Und was hat sich in den 50 Jahren grundsätzlich verändert? Früher sei er viel härter kritisiert worden, sagt er, in den 80er-Jahren habe er sehr viel mehr «Shitstormartiges» erlebt als heute, jetzt würden wir ja in einer perfiden Zeit der Wellness-, Wohlfühl- und Wir-haben-es-alle-so-gut-Kultur leben.
Perfid deswegen, weil die sozialen Mechanismen heute so funktionieren wie in der Werbung. Wo einem nette Menschen mit viel Kuschelfaktor eine Message unterjubeln. So sei heute auch die Politik. Deshalb müsse man den «ganz harten Äusserungen» gegenüber genauso misstrauisch sein wie der «Software».
Schawinski will Hohler immer wieder einreden, dass er doch eigentlich ein Wutbürger sein müsse. Aber Franz Hohler ist ein Altersmilder. Einer, der auf Tausende von Auftritten zurückblickt, auf gut 60 Bücher für Kinder und Erwachsene, die in 20 Sprachen übersetzt wurden, auf das «Totemügerli», das finanziell noch immer ganz gut für ihn «sorgt», auf die seit 46 Jahren anhaltende Ehe mit seiner Ursula.
Aber auch auf dutzende von Katastrophen und Kriegen, auf Tschernobyl und Fukushima. «Wut ist nicht meine Gefühlslage. Das ist die Sorge, die Besorgnis», sagt der Mann, von dem einmal dieses typische Franz-Hohler-Lächeln wie ein Mond über der Schweiz stehen bleiben wird.
Vielleicht meint er uns ja alle ein bisschen mit. Denn die Vorstellung, dass sich Franz Hohler, dieser idealste Grossvater, den wir uns vorstellen können, um uns sorgt, die hat etwas enorm Tröstliches. Und damit wäre «Schawinski» für 2015 am Ende. Was für eine schöne letzte Sendung.
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