Schweiz
Umwelt

So will Umweltministerin Sommaruga den CO2-Ausstoss halbieren

So will Umweltministerin Sommaruga den CO2-Ausstoss halbieren

17.12.2021, 14:3017.12.2021, 17:11
Mehr «Schweiz»

Sechs Monate nach dem Nein des Stimmvolks zum CO2-Gesetz nimmt der Bundesrat einen neuen Anlauf in der Klimapolitik. Nun will er konkret dort investieren, wo es die Bevölkerung zu einem klimafreundlichen Verhalten animiert - also etwa in Ladestationen für E-Autos und Gebäudesanierungen. Auf neue Abgaben verzichtet die Regierung wie erwartet.

«Das Gesetz trägt eine klare Handschrift», sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga am Freitag bei der Vorstellung des neuen Entwurfs. Der Bundesrat habe seine Lehren gezogen aus der im Juni an der Urne gescheiterten Vorlage. Die Bevölkerung solle nicht das Gefühl haben, dass sie mit der Klimapolitik bestraft werde - und man könne auch nicht verlangen, dass sich alle mit einem Elektroauto eine eigene Ladestation bauen könnten. Es brauche staatliche Unterstützung und sinnvolle Anreize. Das sei der Kern dieser neuen Vorlage, sagte Sommaruga.

An der abgelehnten Vorlage war unter anderem kritisiert worden, dass die Bevölkerung etwa mit höheren Benzinpreisen für die Klimapolitik aufkommen müsse. Die nun vorgestellte Revision verzichtet wie angekündigt auf neue Abgaben. Stattdessen sollen Anreize geschaffen werden, sodass die Bevölkerung klimaneutraler leben kann. Zudem sollen bestehende Fehlanreize eliminiert werden.

Geld fliesst an Bevölkerung zurück

Was bestehen bleibt, ist die CO2-Abgabe, die auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas erhoben wird. Sie bleibt bei 120 Franken pro Tonne CO2 und bringt der Schweiz wichtige Einnahmen, die nun gezielter eingesetzt werden sollen. Neu soll die Hälfte der Gelder an die Bevölkerung zurückverteilt werden. Bisher war dies bei einem Drittel der Fall. Damit sollen etwa jene unterstützt werden, die ihre Gas- und Ölheizungen durch erneuerbare Systeme ersetzen.

Potenzial ist durchaus vorhanden: Es gebe noch etwa 900'000 klimaschädliche Heizungen, sagte Sommaruga. «Wenn wir das Netto-Null-Ziel erreichen wollen, müssen wir sicherstellen, dass es keine Gas- und Ölheizungen mehr gibt.» Mit der Vorlage könne der Bund zwischen 2025 und 2030 gesamthaft 2,9 Milliarden Franken in diesem Bereich bereitstellen.

Der Bundesrat will zudem sicherstellen, dass bis 2030 jährlich zusätzlich vierzig Millionen Franken garantiert zur Verfügung stehen. Damit will er verhindern, dass Geld fehlt, wenn die Einnahmen aus den CO2-Abgaben sinken, wenn weniger CO2 verbraucht wird. Das sei wichtig für die Sicherheit der Sanierenden, sagte Sommaruga.

Ladestationen für E-Autos im ganzen Land

Zudem sollen in Mehrparteiengebäuden, in Betrieben und auf öffentlichen Parkplätzen Ladestationen für E-Autos gebaut werden. Rund dreissig Prozent aller neu zugelassenen Autos seien E-Autos, sagte Sommaruga. Für den Ausbau der Ladestationen sind insgesamt rund 210 Millionen Franken vorgesehen.

Ein Teil dieser Gelder soll aus den Sanktionen kommen, die Autoimporteure bezahlen müssen, wenn sie die CO2-Vorgaben nicht erreichen. Damit zeigt sich eine weitere Neuerung gegenüber der Vorlage vom Sommer: Der Bundesrat will sektorspezifisch investieren und etwa Gelder, die aus dem Fahrzeugsektor kommen, wieder im Fahrzeugsektor investieren.

Der Bundesrat will auch Fehlanreize ausmerzen. Heute sind etwa Dieselbusse steuerlich privilegiert. «Man muss sich das mal vorstellen - in der heutigen Zeit», sagte Sommaruga. Dieses Privileg soll aufgehoben werden. Die daraus gewonnenen Einnahmen sollen in fossilfreie Busse im Orts- und Regionalverkehr investiert werden. Der Bund rechnet für die fünf Jahre mit rund neunzig Millionen Franken. Gefördert werden soll auch der Zugverkehr ins Ausland inklusive Nachtzüge mit maximal dreissig Millionen Franken pro Jahr.

Wie ebenfalls erwartet sollen die Anbieter von Flugzeugtreibstoffen dem in der Schweiz getankten Kerosin künftig erneuerbare Flugtreibstoffe beimischen müssen. Zudem sollen innovative Firmen unterstützt werden, die Pilotanlagen zur Herstellung von erneuerbaren Flugtreibstoffen machen. Dafür sind jährlich rund 25 bis dreissig Millionen Franken vorgesehen. Beim Finanzsektor, der insbesondere von der Klimajugend ins Visier genommen wurde, sieht der Bundesrat Berichterstattungspflichten über Klimarisiken vor.

Kritik schon bei Bekanntgabe

Der Bundesrat hat also den Turbo gezündet. Umweltministerin Sommaruga ist innert sechs Monaten mit neuen Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten. Das Gesetz knüpft dabei an das geltende CO2-Gesetz an, welches das Parlament in der Wintersession um ein Jahr verlängert hat. Ziel ist weiterhin die Halbierung des CO2-Ausstosses gegenüber jenem von 1990 sowie einen Netto-Null-Ausstoss bis 2050. Die Vernehmlassung dauert bis am 4. April 2022.

Erste Reaktionen gab es noch am Tag der Veröffentlichung. Für die Grünen und die SP sind die Massnahmen ungenügend, die Grünen bezeichnen sie gar als «mutlos», wie die Parteien in Mitteilungen schrieben. Die SP plant gemäss eigenen Angaben eine Initiative, mit welcher durch einen Klimafonds die Treibhausgase reduzieren werden sollen. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Aufforstungs-Potential in der Schweiz und weltweit
1 / 18
Aufforstungs-Potential in der Schweiz und weltweit
In der Schweiz befinden sich die für Aufforstung geeigneten Flächen vornehmlich im Mittelland, in den Voralpen und im Jura. Das zeigt sich deutlich in diesen Screenshots der Landesteile. Hier ist die Nordostschweiz zu sehen. (karte: crowther lab / eth zürich)
quelle: crowther lab / eth zürich
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Warum ist Diesel tödlich?
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
89 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Matthiah Süppi
17.12.2021 14:45registriert Mai 2015
Zwar verständlich nach dem Nein zum alten Gesetz, aber grundsätzlich ist das zu wenig.
6022
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
17.12.2021 15:03registriert November 2015
Diese Anpassungen sind zu begrüssen, aber grundsätzlich genügen sie nicht und schieben das Ziel um Jahre hinaus. Mit jeder Verzögerung wird der Druck immer grösser, der zu leistende Einsatz, um das Ziel zu erreichen, immer grösser. Die Zeit läuft uns allen davon.
4821
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pal_01
17.12.2021 15:20registriert Juli 2020
Damit wird man nicht annähernd das Co2 halbieren.
Und wo bleibt die Landwirtschaft?
2011
Melden
Zum Kommentar
89
    Nur noch knapp 4000 Aufgriffe – irreguläre Migration in die Schweiz nimmt weiter ab

    Die irreguläre Migration in die Schweiz hat in den ersten vier Monaten dieses Jahres im Vorjahresvergleich laut den neuesten Zahlen des Bundes stark abgenommen. Derweil haben sich die irregulären Übertritte an der Südgrenze zwischen März und April mehr als verdoppelt.

    Zur Story