Die Erinnerung ist noch frisch: Mitte Juni stürzte das CO2-Gesetz an der Urne ab. Und damit auch die Einführung einer Flugticketabgabe. Diese war Teil des Gesetzespakets gewesen, das 51.6 Prozent der Stimmbürger ablehnten. Das Ergebnis war eine Überraschung und ein Rückschlag für den Bundesrat – sowie alle Parteien ausser der SVP, die einen grossen Sieg einfuhr.
Jetzt, nur etwas mehr als drei Monate später, wird im Bundeshaus bereits wieder über eine Flugticketabgabe diskutiert. Den Anlass dazu bieten Standesinitiativen, die heute im Nationalrat auf der Traktandenliste stehen. Diese unterscheiden sich in den Details, haben aber das gleiche Ziel: Der Flugverkehr soll für seine Treibhausgasemissionen stärker zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Standesinitiativen verlangen mehrheitlich eine Abgabe auf Flugtickets, teilweise auch eine internationale Kerosinsteuer. Aus insgesamt neun Kantonen wurden die Initiativen nach Bern geschickt. Ursprünglich auch als Signal für die Beratung des CO2-Gesetzes. Das zeigte Wirkung, weil das Parlament auf Initiative des Ständerats beschloss, eine Flugticketabgabe ins Gesetz einzubauen. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Das Gesetz scheiterte.
Auf dem Tisch der Umweltkommission des Nationalrats sind die Standesinitiativen erst jetzt, nach dem Urnengang, gelandet. Bei der Beratung ist ein Streit darüber entbrannt, was das Nein vom Juni für die Flugticketabgabe bedeutet. Das linke Lager beharrt auf einer Einführung und sprach sich in der Kommission für die Standesinitiativen aus. Bei den Bürgerlichen sieht man das meist anders - natürlich in der SVP, aber auch in der Mitte und der FDP, die sich im Abstimmungskampf für das CO2-Gesetz eingesetzt und auch zuvor im Parlament die Flugticketabgabe befürwortet hatten.
Am Ende ging es in der Kommission knapp aus: zehn Ja- und zwölf Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen. Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini gehört zum Nein-Lager. Er sagt, eigentlich habe das Parlament die Standesinitiativen bereits umgesetzt - und das Volk diese Umsetzung dann mit dem Nein zum CO2-Gesetz abgelehnt. Dieses Signal müsse man ernst nehmen. «Das Thema der zusätzlichen Abgaben und Steuern ist vorderhand vom Tisch», sagt der St. Galler. Alles andere sei Zwängerei.
Die Linke sieht das anders. Zum Beispiel SP-Nationalrätin Gabriela Suter (AG). In ihren Augen kann man das Nein zum CO2-Gesetz nicht als Nein zu sämtlichen Elementen des Gesetzes lesen – und namentlich nicht als Nein zu einer Flugticketabgabe. «Die Leute verstehen nach wie vor nicht, warum eine Zugreise im Inland mitunter teurer ist als der klimaschädliche Flug nach Mallorca», sagt sie. Auch der Flugverkehr müsse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Die Sozialdemokraten und auch die Grünen wollen deshalb die Flugticketabgabe vorantreiben, und zwar in einer eigenen Vorlage. Man müsse nun sektoriell vorgehen, sagt Kurt Egger (Grüne/TG). Aus diesem Grund verzichte man darauf, bei der Übergangslösung für das CO2-Gesetz auf eine Flugticketabgabe zu pochen.
Diese kommt am Mittwoch in den Nationalrat und soll sicherstellen, dass unumstrittene Elemente der Klimapolitik trotz des Neins zur Revision im Juni weiterlaufen können. Jedes zusätzliche Element würde dieses Vorhaben gefährden. Die Flugticketabgabe soll deshalb separat vorangetrieben werden, sagt Egger.
Matthias Jauslin gehörte jenen bürgerlichen Politikern, die bei der Beratung des CO2-Gesetzes für eine Flugticketabgabe waren. Der Aargauer sagt, auch er halte die Preise für gewisse Billigflüge «für einen Witz». Und er glaubt auch nicht, dass das Nein zum CO2-Gesetz ein explizites Nein zur Flugticketabgabe war.
Dennoch hält er es für verfrüht, nun bereits wieder ein separates Gesetzesprojekt voranzutreiben. «Es hilft niemanden, wenn wir jetzt zu viele Baustellen eröffnen», sagt er. Es gelte vorderhand, die Übergangslösung für das CO2-Gesetz durch das Parlament zu bringen. (aargauerzeitung.ch)