Der Bundesrat möchte sämtliche Industriezölle abschaffen. Die Kosten belaufen sich auf rund 500 Millionen Franken pro Jahr. Es handelt sich um eine Massnahme gegen die Hochpreisinsel Schweiz, von der auch Konsumentinnen und Konsumenten profitieren sollen.
Das erklärte Volkswirtschaftsminister Guy Parmelin am Mittwoch vor den Bundeshausmedien. Als Beispiele nannte er Fahrräder, Autos, Kosmetikprodukte, Kleider oder Schuhe, auf die heute teilweise erhebliche Zölle erhoben werden.
Gemäss einer Berechnung des Bundesrats würde die Abschaffung der Industriezölle Einsparungen für Konsumentinnen und Konsumenten von 350 Millionen Franken ermöglichen. In der Vernehmlassung hatten Konsumentenschutzorganisationen Zweifel angemeldet, ob diese Einsparungen tatsächlich an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden. Diesen Vorbehalten will der Bundesrat mit der Einrichtung eines Monitorings entgegenkommen.
Von der Abschaffung der Industriezölle gleichermassen profitieren soll die Wirtschaft. Parmelin sprach von tieferen Importpreisen, besseren Rahmenbedingungen und weniger administrativem Aufwand. Heute lägen die Preise von Konsum- und Investitionsgütern rund 30 Prozent über dem Niveau westlicher EU-Länder.
Dazu tragen unter anderem die Industriezölle bei. Diese beliefen sich 2018 auf rund 541 Millionen Franken plus damit zusammenhängende Steuern von 20 Millionen Franken. Deren Abschaffung senke die Preise für Vorleistungen und stärke die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen im internationalen Wettbewerb, schreibt der Bundesrat in der Botschaft.
Hinzu kommt ein erheblich geringerer administrativer Aufwand für Unternehmen. Laut Parmelin belaufen sich die Einsparungen auf rund 100 Millionen Franken pro Jahr. Dazu trägt auch eine geplante Vereinfachung der Zolltarifstruktur für Industriegüter bei. Die Zahl der Tarifpositionen soll von heute rund 6200 auf 4600 reduziert werden. Insgesamt schätzt der Bundesrat die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen auf rund 860 Millionen Franken.
Dem gegenüber stehen Einnahmenausfälle beim Bund von rund einer halben Milliarde Franken. Die Frage, ob sich der Bund das leisten könne, sei berechtigt, sagte Parmelin. Der Volkswirtschaftsminister beantwortete sie positiv, unter anderem, weil die positiven Effekte einen Teil der Ausfälle wettmachen. Es handle sich um eine Priorität des Bundesrats, sagte Parmelin.
Zusammen mit den geplanten Massnahmen gegen die Heiratsstrafe führt die Abschaffung der Industriezölle gemäss Finanzplan 2022 zu einem kleinen Defizit. Dabei sind Vorhaben wie internationale Bestrebungen zur Abschaffung der Gewinnbesteuerung, die Reform der Wohneigentumsbesteuerung, die Abschaffung der Stempelabgaben oder höhere Prämienabzüge allerdings noch nicht berücksichtigt.
In der Vernehmlassungen war das 500-Millionen-Geschenk für die Wirtschaft nicht nur gut angekommen. Kritisch äusserte sich insbesondere die Landwirtschaft, obwohl der Grenzschutz auf Agrarprodukte unangetastet bleibt. Die Bauern befürchten, bei Verhandlungen über künftige Freihandelsabkommen Verhandlungsmasse einzubüssen.
Parmelin zeigte Verständnis für diese Bedenken. Er erinnerte aber daran, dass die Industriezölle in den Verhandlungen bereits stark an Gewicht eingebüsst hätten. Viele Verhandlungspartner profitieren im Rahmen der Zollpräferenzen für Entwicklungsländer bereits heute von weitgehend zollfreiem Marktzugang für Industrieprodukte.
Die Vorlage geht nun ans Parlament. Stimmt dieses zu, sollen die Industriezölle auf Anfang 2022 aufgehoben werden. (aeg/sda)
Würde man hier fordern die Zollfreigrenze für durch Private gekaufte Produkte im Ausland aufzuheben (von heute 300chf) wäre das Geschrei gross.
Fahrräder kauft man nicht jeden Tag.