Kunden der Schweizer Versicherungsgesellschaft Mobiliar (darunter immerhin über eine Million Haushalte) könnten dieser Tage ein Schreiben mit wahrhaft alarmierendem Inhalt bekommen:
Aus dem Innenteil:
Die Mobiliar empfiehlt gegen diese «latente Gefährdung» den Versicherungsschutz «Erdbeben»: Für ein Gebäude ab 90 Franken und für den Hausrat ab 18 Franken pro Jahr.
Die Zahl von jährlich 1000 Erdbeben in der Schweiz stammt vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED). 2014 registrierte diese Fachstelle des Bundes rund 950 Ereignisse und tatsächlich doppelt so viele wie in den Jahren zuvor. Allerdings gibt es dafür einen einfachen Grund:
Es fanden also nicht doppelt so viele Erdbeben statt, es wurden nur dank besserer Technik doppelt so viele aufgezeichnet. «Das Risiko eines stärkeren Bebens irgendwo in der Schweiz ist über die Zeit recht konstant», ergänzt das SED auf Anfrage von watson. Mit stärkeren Beben, die auch gravierendere Schäden anrichten können (ab etwa Magnitude 6), sei in der Schweiz etwa einmal alle 100 bis 150 Jahre zu rechnen.
Die Mobiliar räumt auf Anfrage ein, dass die Aussage mit der Verdoppelung 2014 irreführend und die Tonalität des Flyers für die Firma ungewöhnlich ist: «Einzelne Passagen mögen etwas übers Ziel hinausschiessen, aber zur Grundaussage stehen wir», erklärt Unternehmenssprecher Jürg Thalmann. Vielen Leuten sei nicht bewusst, dass es auch in der Schweiz schwere Erdbeben geben kann. «Man weiss einfach nicht, wann. Ziel dieses Flyers ist es ein Stück weit, aufzurütteln.»
Wer den Flyer zurückschickt, schliesst nicht automatisch eine Erdbebenversicherung ab, wie Thalmann betont. In einem persönlichen Beratungsgespräch würden Wohnregion, Haustyp, Bauweise, Untergrund und Werte eruiert. Aus diesen Faktoren würde anschliessend für jeden Versicherten ein individuelles Risiko errechnet.
Der SED vertritt dieselbe Haltung: «Ob eine individuelle Versicherung für Erdbebenschäden für Private sinnvoll ist, hängt sehr vom Sicherheitsbedürfnis des Einzelnen ab, von den eventuell betroffenen Werten und von den möglichen Auswirkungen eines Erdbebenschadens. Eine generelle Empfehlung können wir nicht abgeben.» Auf der Website des SED steht ein Tool zur Verfügung, mit dem das eigene Erdbebenrisiko berechnet werden kann.