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Wegen Finma-Rüge? Boris Collardi nimmt den Hut bei der Privatbank Pictet

Wegen Finma-Rüge? Boris Collardi nimmt den Hut bei der Privatbank Pictet

18.08.2021, 12:2318.08.2021, 15:42
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Der einstige Chef der Bank Julius B
Boris CollardiBild: sda

Paukenschlag bei der Genfer Privatbank Pictet: Boris Collardi nimmt auf Anfang nächsten Monats den Hut. Der ehemalige Julius Bär-Chef war lediglich gut drei Jahre Teilhaber beim Westschweizer Geldhaus.

«Nach sorgfältiger Überlegung und in Absprache mit dem Teilhabergremium hat Boris Collardi entschieden, von seiner Funktion als Teilhaber zurückzutreten und Pictet per 1. September 2021 zu verlassen», teilte Pictet am Mittwoch in einem Communiqué mit.

Ein Banksprecher betonte gegenüber der Nachrichtenagentur AWP, dass Collardis Ausscheiden «keinen Zusammenhang mit der Finma-Rüge» vom vergangenen Januar habe: Es handle sich um eine persönliche Entscheidung.

Sehr kurze Amtszeit

Der Wechsel des einstigen Julius Bär-Chefs zum Genfer Traditionshaus im Jahr 2018 hatte für einiges Aufsehen gesorgt. Er war der jüngste Teilhaber in der über zweihundertjährigen Geschichte der Bank, die 1805 zur Zeit der Herrschaft von Napoleon gegründet worden war. Und der 42. Teilhaber ist auch derjenige mit einer sehr kurzen Amtszeit. Mit gut dreieinhalb Jahren liegt Collardi deutlich unter dem Schnitt der Teilhaber, die in der Regel zwischen 20 und 25 Jahren ihre Funktion wahrnehmen.

Boris Collardi erklärte im Communiqué vom Mittwoch: «Ich bin stolz auf das, was wir in den vergangenen mehr als drei Jahren erreicht haben. Wie die Halbjahresergebnisse zeigen, ist die Gruppe so stark wie nie. Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen und dem Teilhabergremium für ihre Unterstützung und die Zusammenarbeit während meiner Zeit bei Pictet danken.»

Der geschäftsführende Senior-Teilhaber von Pictet, Renaud de Planta, lobte Collardi: «Wir sind dankbar für den bedeutenden Beitrag, den Boris Collardi in seinen Jahren bei Pictet für den Erfolg der Gruppe geleistet hat. Er wird uns fehlen, und wir wünschen ihm alles Gute für seine Zukunft.»

Finma informiert

Die Finma sei über das Ausscheiden von Collardi informiert, sagte Sprecher Vinzenz Mathys auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Darüber hinaus gab die Finanzmarktaufsicht keinen Kommentar ab: «Wie üblich nehmen wir keine Stellung zu Personalwechseln.»

Im Januar hatte Collardi von der Finma eine Rüge kassiert wegen seiner Verantwortung für Mängel in der Geldwäschereibekämpfung rund um einen Korruptionsfall in Venezuela.

Collardi hatte die Rüge akzeptiert und sich zufrieden gezeigt, dass die Finma das Verfahren gegen ihn nun abgeschlossen habe: «Diese Entscheidung - und das ist das wesentliche - stellt einen Schlusspunkt in dieser Angelegenheit für mich dar.» Collardi entging mit dem Finma-Entscheid auch einem Berufsverbot.

Bei der Bank hatte es damals geheissen, dass sie die Finma-Entscheidung «zur Kenntnis genommen» habe. Das Finanzinstitut unterstütze Boris Collardi, der «das ganze Vertrauen der Bank geniesse», hatte Pictet im Januar mitgeteilt.

Collardi nicht alleine

Collardi war nicht der einzige, gegen den die Finma vorging: Auch für drei weitere ehemalige Topmanager von Julius Bär hatte die Affäre Konsequenzen. Gegen einen eröffnete die Finma ein Verfahren zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts (im Fachjargon: Enforcementverfahren). Dieses läuft immer noch.

Das Thema der Geldwäscherei rund um Korruptionsfälle beim venezolanischen Ölkonzern Petróleos de Venezuela PDVSA verfolgt Julius Bär seit mehreren Jahren. Bereits 2018 war ein ehemaliger Julius-Bär-Banker in den USA in diesem Zusammenhang festgenommen worden. Der Deutsche hatte sich in der Folge vor US-Gericht schuldig bekannt.

Im Februar 2020 hatte die Finma die Bank Bär im Rahmen eines Enforcementverfahrens wegen schweren Mängeln in der Geldwäschereibekämpfung im Kontext mit dem Korruptionsfall rund um PDVSA aber auch den Fussballverband Fifa gerügt. Dabei stellte sie auch systematische Mängel im Risikomanagement der Bank fest: Das Institut habe auf klare Hinweise auf Geldwäschereirisiken wiederholt nicht oder nicht entschieden genug reagiert. Die Bank war in der Folge von der Finma verpflichtet worden, wirkungsvolle Massnahmen zur Durchsetzung der geldwäschereirechtlichen Pflichten zu ergreifen.

Die mutmasslichen Korruptionsfälle rund um den venezolanischen Ölkonzern PDVSA betreffen nicht nur Julius Bär alleine. Die Finma stand laut eigenen Angaben in diesem Zusammenhang mit über 30 Schweizer Banken in Kontakt. Sie eröffnete schliesslich fünf Verfahren zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts. Zwei Verfahren sind noch offen. (aeg/awp/sda)

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