Food-Delivery boomt, und das seit Jahren. Die bunt gekleideten Velo- oder Töffkuriere mit ihren grossen, würfelförmigen Taschen auf dem Rücken sind aus dem urbanen Stadtbild nicht mehr wegzudenken.
Die Corona-Pandemie hat den Boom aber in ein Erdbeben verwandelt. Wer nicht ins Restaurant gehen kann und nicht selbst kochen will, bestellt sich das Menü seiner Wahl schnell und kontaktlos nach Hause.
Uber Eats hat seinen Umsatz auf 1,2 Milliarden Franken verdreifacht, beim Schweizer Branchenprimus eat.ch sieht es ähnlich aus: Der niederländische Mutterkonzern Just Eat Takeaway steigerte seinen Umsatz um 54 Prozent auf 2,6 Milliarden Franken.
Wirkliche Profite konnte aber noch keiner der grossen Player aufweisen. Auch ob die Restaurants, die jetzt gezwungenermassen nur noch liefern, von dem Boom profitieren, ist fraglich. Die Margen für die Tech-Unternehmen sind dünn, für die angeschlagenen Restaurants happig. Die Konkurrenz ist mittlerweile riesig, die Branche gleicht einem Haifischbecken. Die Velokuriere werden zudem oftmals schlecht bezahlt und müssen im Falle von Uber sogar auf jegliche Sozialversicherungen verzichten.
Doch von vorne: Tatsächlich hat noch keiner der grossen Lieferdienste seit ihrer Gründung Gewinn gemacht. Uber Eats schloss 2020 mit einem Verlust von 6,1 Millionen Franken ab, Just Eat Takeaway verbuchte einen Verlust von 166 Millionen Franken.
Ob die Schweizer Ableger auch rote Zahlen schreiben, ist nicht bekannt. Sowohl Uber Eats als auch Just Eat Takeaway geben sich bedeckt und wollten auf Anfrage keine Auskunft geben. Uber Eats liess lediglich durchblicken, dass der Umsatz um 600 Prozent gestiegen sei. In einem Interview mit der «Handelszeitung» sagte eat.ch-Chef Dominic Millioud zudem, dass seine Firma «profitabel» sei.
Klar ist, dass die Anbieter aggressiv expandieren: Eat.ch hat zum Beispiel vor einigen Monaten einen neuen «Hub» in Bern eröffnet. Uber Eats hat seinen Service auf acht neue Städte erweitert und liefert mittlerweile in 21 Schweizer Städten. Über 1000 Restaurants haben sich der App letztes Jahr angeschlossen. Auch neuere Anbieter wie Smood fallen mit aggressiver Werbung auf.
Dabei drängt sich die Frage auf, inwiefern das Geschäftsmodell der IT-Unternehmen nachhaltig ist. Die digitalen Plattformen müssen Heerscharen von Zustellern beschäftigen und um das zu bezahlen, muss den Restaurants Kommissionen von durchschnittlich 30 Prozent in Rechnung gestellt werden. Eine Lose-Lose-Situation?
«Für die Gastrobetriebe sind Lieferdienste kaum rentabel», sagt Patrik Hasler-Olbrych, Mediensprecher beim Verband Gastrosuisse. Doch aufgrund geschlossener Beizen bleibt den meisten keine andere Wahl, um wenigstens ein bisschen Umsatz zu machen. Laut Olbrych lag bei knapp 50 Prozent der Gastrobetriebe, die auf Take-Away oder Home-Delivery umgestellt haben, der Umsatz unter 10 Prozent des Vorjahres.
Ob es in der Schweiz genug Platz gibt für so viele Lieferdienste, wird sich zeigen müssen. Die meisten erwarten, dass der Boom auch nach Corona anhalten werde.
Lokale Unternehmen haben gegen die grossen Techfirmen jedenfalls keinen Stich. Für sie bleiben nur die Krümel. Doch diese können sich in boomenden Zeiten auch als lukrativ erweisen.
In Bern gibt es seit knapp fünf Jahren den Lieferdienst schnellerteller.ch. Co-Geschäftsleiter Alex Lötscher sagt auf Anfrage, dass auch sie im letzten Jahr einen starken Umsatzzuwachs verzeichneten. «Das war eine grosse Herausforderung, diesen Ansturm zu bewältigen. Wir hatten viele Anfragen von neuen Restaurants. Wir konnten gar nicht alle bei uns aufnehmen.» Denn man wolle nachhaltig bleiben.
Das heisst: Den Mitarbeitenden eine langfristige, sichere Arbeitsstelle bieten, die auch Corona überleben wird. «Wenn die Restaurants dereinst wieder offen sind, wollen wir unseren Kurieren nicht sagen müssen: Danke für deinen Einsatz, aber du musst dir jetzt einen neuen Job suchen.» Deswegen möchte das Unternehmen klein bleiben. «Konkurrieren mit den Grossen, die in Bern die ganze Stadt zupflastern mit Plakatwerbung, ist weder machbar noch unser Wunsch.»
Mittlerweile liefert schnellerteller 50-70 Essen pro Tag aus. Damit schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen. «Man muss dazu aber sagen, dass das Geschäft für uns nur rentiert, weil wir auf bereits bestehende Infrastruktur zurückgreifen können.» Schnellerteller.ch stammt vom Unternehmen velokurierbern.ch, dass bereits seit 1988 existiert. «Wenn man schnellerteller als eigenständiges Unternehmen frisch aus dem Boden gestampft hätte, dann könnte ich mir vorstellen, dass es in diesem Markt, mit diesen Margen, sehr sehr schwierig geworden wäre.»
Das Start-Up Dabbavelo aus Zürich hat es trotzdem gewagt. Im April 2020 legte das kleine Unternehmen mit dem Betrieb los. Die Geschäftsstrategie ist ähnlich wie bei schnellerteller: Man setzt auf besseres Essen und Ökologie, Fastfoodketten wie McDonalds oder KFC findet man bei Dabbavelo nicht.
Und es funktioniert: «Unser erstes Jahr lief toll. Wir konnten uns eine treue Kundenbasis aufbauen», sagt Mike Diaz, Mitglied der Geschäftsleitung. Mittlerweile arbeite Dabbavelo mit 30 Restaurants zusammen. Mit den Grossen konkurrieren wolle man jedoch nicht. «Wir wollen nicht mit Uber Eats oder eat.ch konkurrieren, da wir ein anderes Konzept verfolgen. Wir wollen nicht unbegrenzt wachsen und dann andere aus dem Markt drängen.»
Noch wirft Dabbavelo keinen Gewinn ab. Der Umsatz wird reinvestiert, man wolle das Geschäft noch etwas ausbauen. In zwei bis drei Jahren soll es dann aber so weit sein. Momentan sei man aber zufrieden mit den rund 25 Kurieren, die das Essen auf Stundenlohnbasis und mit fixem Vertrag ausliefern. «Wir wollen niemanden ausnützen», sagt Diaz.
Dass man seine Mitarbeitende ausnützt, wird Uber sowohl bei seinen Taxifahrern als auch bei den Velokurieren oft vorgeworfen. Der Grund: Uber stellt seine Fahrer nicht an, sie sind selbständige «Partner», die nach Leistung vergütet werden. So verhindert Uber, seinen Kurieren Sozialleistungen zu bezahlen. Das sorgt für viel Kritik.
Das Genfer Verwaltungsgericht hat dem im Sommer 2020 einen Riegel vorgeschoben und Uber Eats dazu verdonnert, die Kuriere in Genf künftig als Angestellte mit den zugehörigen Sozialleistungen zu behandeln.
Andere Firmen wie eat.ch machen dies bereits landesweit. Und geht es nach ihnen, so gehört der Lieferindustrie die Zukunft. Auch wenn sie stets betonen, dass der Restaurantbesuch nicht ersetzbar sei. Auch Patrik Hasler-Olbrych von Gastrosuisse ist dieser Meinung: «Diese Angebote werden den Restaurantbesuch nicht verdrängen. Die Menschen haben das Bedürfnis, in ein Restaurant zu gehen.»
Ob die Restaurants auf der anderen Seite nach Corona weiterhin auf die Lieferdienste setzen werden, wird sich zeigen. Mike Diaz von Dabbavelo ist sich ganz sicher: Der Deliverymarkt wird weiter wachsen. «Vielleicht nicht ganz so schnell wie jetzt, aber er wird wachsen. Diese Krise hat Restaurants dazu gebracht, sich für Delivery zu interessieren, die das vorher nie in Betracht gezogen hätten.»
Ich bleibe beim Telefon und den örtlichen Lieferdiensten. Man kennt sich und die Marge für den Techkonzern fällt auch weg.