Der neue Präsident wirkt locker. Zu Beginn der Medienkonferenz posiert er für die Fotografen neben dem Raiffeisen-Banner. Nach Tagen der Anspannung kann er nun aufatmen. Mit über 90 Prozent der Stimmen wählten ihn die 163 Delegierten am Samstag in Brugg zum neuen Verwaltungsratspräsidenten von Raiffeisen Schweiz. Für Lachappelle war das wichtig, denn nur mit einer klaren Mehrheit der Stimmen, so war im Vorfeld der Wahl in Wirtschaftskreisen zu vernehmen, ist es ihm möglich die Bank in Zukunft erfolgreich zu führen. «Ich bin sehr zufrieden, und ich fühle mich getragen», sagte er dann auch vor den anwesenden Journalisten. Und er gab zu: «Von dem klaren Resultat bin ich ebenfalls etwas überrascht».
Überrascht wohl auch deshalb, weil es für ihn nicht einfach war, einen Teil der Delegierten von sich zu überzeugen. Im Vorfeld der Wahl waren kritische Stimmen zu vernehmen. Sie störten sich daran, dass der Neue deutlich mehr verdient als sein Vorgänger Johannes Rüegg-Stürm. Überschattet war die Wahl ferner von einem Verfahren gegen die Basler Kantonalbank, deren Chef Lachapelle vor seinem Wechsel zu Raiffeisenbank war. Der Basler Kantonalbank wird vorgeworfen, in einem Betrugsfall einen Verdacht auf Geldwäscherei zu spät gemeldet zu haben. Gegen Lachapelle selber ist kein Verfahren hängig.
Zwar gab es keinen Gegenkandidaten, der Lachappelle das Amt hätte streitig machen können. Trotzdem reiste dieser in den Wochen vor der Wahl quer durch die Schweiz und nahm an Fragerunden teil, um sich seinen Kritikern zu stellen. Dies sei auch für ihn wertvoll gewesen, so Lachapelle. «Ich hatte Zeit, die DNA der Bank kennenzulernen und habe viel gelernt.»
Viel Zeit zum Feiern bleibt ihm jetzt aber nicht, hat er doch eine Menge Arbeit vor sich. Ein wichtiger Schritt steht bereits in den nächsten Wochen an. Lachapelle muss mitentscheiden, wer Nachfolger oder Nachfolgerin von CEO Patrik Gisel werden soll. Gisel gab am Freitag seinen Rücktritt bekannt, nachdem öffentlich geworden war, dass er privat mit einer ehemaligen Verwaltungsrätin der Bank liiert ist. Das ist deshalb problematisch, weil der Verwaltungsrat dem CEO im täglichen Geschäft auf die Finger schauen muss.
Der Schritt sei besser für die Bank und für ihn selber, kommentierte Gisel seinen vorgezogenen Rücktritt. Ende Jahr wäre er ohnehin abgetreten. Eine Abgangsentschädigung werde Gisel nicht erhalten, erklärte Pascal Gantenbein, Vize-Präsidenten des Verwaltungsrats. Das sei bei der Raiffeisenbank nicht vorgesehen. Und er gab zu: «Wir sind enttäuscht, dass Herr Gisel uns nicht früher über seine Beziehung zu einer ehemaligen Verwaltungsrätin informiert hat.»
Das Ziel des Verwaltungsrats sei es nun, die Stelle des CEOs bis Ende Jahr zu besetzen. Ob das gelingt, ist laut Gantenbein aber noch nicht klar. Sowohl er als auch Lachappelle hätten aber bereits mit verschiedenen Kandidaten gesprochen.
Neben Guy Lachapelle wurden vier Sitze im Verwaltungsrat neu besetzt. Die Verwaltungsräte Karin Valenzano Rossi, Andrej Golob, Thomas A. Müller und Beat Schwab wurden laut VR-Vize Gantenbein ebenfalls mit grosser Mehrheit gewählt. Die bisherigen Mitglieder Daniel Lüscher, Philippe Moeschinger und Urs Schneider waren zuvor zurückgetreten. Der Verwaltungsrat umfasst nun neun Mitglieder und ist nach der Affäre um den ehemaligen CEO Pierin Vincenz komplett ausgetauscht worden.
Die neuen Köpfe sollen helfen, die Raiffeisen Gruppe unter dem Stichwort «Reform 21» in eine neue Richtung zu lenken. Die Versammlung erteilte Raiffeisen Schweiz ein Mandat, um die nächsten Schritte des Programms zu organisieren. Unter anderem sollen die einzelnen Banken mehr mitreden können. Ausserdem genehmigten die Delegierten das überarbeitete Vergütungssystem von Raiffeisen Schweiz. Neu will die Gruppe zu einer mandatsbezogenen Vergütung übergehen. Ausserdem werden die Sitzungsgelder und Sitzungsspesen abgeschafft. (aargauerzeitung.ch)