Martin Hirzel ist ein ruhiger Mann. Doch wenn der oberste Schweizer Industrievertreter auf Donald Trumps Zollhammer zu sprechen kommt, dann werden seine Worte lauter. Sollten die USA hart bleiben und die Schweiz nach der 90-tägigen Schonfrist mit einem Einfuhrzoll von 31 Prozent belegen, dann sei das «schädlich », ja sogar «dramatisch» für den hiesigen Werkplatz. Mehr als die Hälfte der Schweizer Industriefirmen müsste mit empfindlichen Margenverlusten rechnen, ein Viertel dürfte sich aus dem Geschäft mit den USA gar ganz zurückziehen.
Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor, die der Tech-Industrieverband Swissmem bei seinen total rund 1450 Mitgliedsfirmen im April durchgeführt hat und die der «Schweiz am Wochenende» vorliegt. Macht Trump seine Drohung wahr, sehen sich 13 Prozent der Unternehmen nach eigenen Angaben zum «Geschäftsabbruch» gezwungen. Weitere 13 Prozent beklagen «starke Auswirkungen», weil sie die Zollkosten nur teilweise oder gar nicht auf ihre Kunden überwälzen können.
Damit sei deren US-Geschäft ebenfalls Geschichte, erklärt Swissmem-Präsident Hirzel. Denn in der Schweizer Industrie belaufe sich eine «gute» bis «sehr gute» Marge heute auf 8 bis 15 Prozent. Müssten die Unternehmen den Zoll von 31 Prozent mehrheitlich oder ganz selbst tragen, resultiere ein Minusgeschäft – oder eben gar kein Geschäft mehr. «Das können unsere Firmen nicht stemmen, das liegt nicht drin.»
Das Zollchaos auf dem US-Markt trifft den Schweizer Industriestandort hart. Die Vereinigten Staaten seien mit einem Exportanteil von 15 Prozent für seine Branche nach Deutschland das zweitgrösste Abnehmerland. Zwei Drittel der Firmen machten Geschäfte mit den USA, mehr als die Hälfte erwirtschaftet dort mehr als 10 Prozent ihres Umsatzes, ein Fünftel gar über 20 Prozent.
Ein Drittel der Schweizer Industriefirmen ist in den USA sogar physisch präsent, wie die neuste Umfrage zeigt: Die meisten betreiben ein Verkaufsbüro, 70 Prozent bieten vor Ort einen Kundendienst oder einen technischen Support. Über eine Produktion in den USA verfügt ein Drittel der Firmen mit US-Präsenz – respektive zwischen 10 und 15 Prozent aller Firmen. Und das dürfte auch in Zukunft so bleiben.
Denn die überwiegende Mehrheit der Schweizer Industriefirmen denkt nicht daran, wegen der Strafzölle von 31 Prozent eine Produktion in den USA aus- oder gar neu aufzubauen: Ganze 75 Prozent erteilen damit Donald Trump indirekt eine Abfuhr, wie die Swissmem-Umfrage offenbart. Das ist ein klares Verdikt. Und es steht im grossen Kontrast zu all den Grosskonzern- und Pharmachefs, die nun vollmundig von Milliarden-Investitionen reden und wie etwa Novartis-CEO Vas Narasimhan in trumpschen PR-Videos gute Miene zum bösen Spiel machen.
Selbst Hirzel zeigt sich ob der Deutlichkeit des Umfrageresultats überrascht. Dahinter vermutet der Swissmem-Präsident jedoch keine politischen, sondern vielmehr wirtschaftliche Gründe. «Die USA sind für uns ein schwieriger Industriestandort.» Die Schweizer Firmen zeichneten sich durch hohe Präzision und einen hohen Spezialisierungsgrad aus. «Das ist unser Erfolgsrezept.» In den USA habe die Deindustrialisierung ihre Spuren hinterlassen, «das spürt man». Es fehle an vielem, was die hiesigen Firmen auszeichne: an Fachkräften, an einer guten Berufsbildung und an einer hohen Loyalität der Firma gegenüber. Das mache es für Schweizer Unternehmen anspruchsvoll, vor Ort den hohen Produktionsstandard aufrechtzuerhalten.
Das musste auch der Boss des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH, Bernard Arnault, schmerzlich erfahren, der in Trumps erster Amtszeit eine Fabrik für Louis-Vuitton-Designerhandtaschen in Texas eröffnet hatte – mit dem Versprechen, dort 1000 Jobs zu schaffen. Sechs Jahre später ist der Standort ein Problemkind der Marke, wie die Nachrichtenagentur Reuters dank konzerninterner Quellen zu berichten weiss. Demnach mangelte es vor allem an qualifizierten Mitarbeitenden, welche die Qualitätsstandards der Marke erfüllen konnten. «Fehler beim Zuschnitt, bei der Vorbereitung und bei der Montage führten dazu, dass bis zu 40 Prozent der Lederhäute verschwendet wurden.»
Zu den Qualitätsproblemen auf dem US-Industriemarkt gesellt sich nun die grosse Verunsicherung, verursacht von zwischenzeitlich fast stündlich ändernden Spielregeln für den Handel. Hirzel hat das als Vizepräsident des Verwaltungsrats des Felgenherstellers Ronal selbst «hautnah» miterlebt, wie er erzählt. Das Unternehmen mit Hauptsitz im solothurnischen Härkingen hat zwei Fabriken in Mexiko und wurde folglich mit Zöllen bestraft – zuerst beim Aluminium, dann beim Autoindustriezubehör und dann auch noch für die mexikanische Herkunft. Die in die USA exportierten Ronal-Felgen wurden zuerst mit immer wechselnden Zöllen belegt und dann wieder nicht mehr, weil einzelne Strafzölle wieder aufgehoben und zahlreiche Ausnahmen gewährt wurden. «Die Hektik war gross», sagt Hirzel, «die Verunsicherung bleibt.»
Nun hofft der Swissmem-Präsident auf die Schweizer Handelsdiplomatie, auf Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin, die am Freitag in Genf den US-Finanzminister Scott Bessent sowie den US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer getroffen haben. Diese hätten «versichert», dass die Vereinigten Staaten während der Verhandlungen «auf weitere Erhöhungen der Zölle gegenüber der Schweiz verzichten» würden, wie es aus Bundesbern heisst. Das verschafft der Industrie eine kurze Verschnaufpause.
Aber das reicht nicht. «Wir brauchen eine Verhandlungslösung», sagt Hirzel. Eine, die, im besten Fall, das Rad zurückdreht, zu den Regeln vor dem Chaos, als die Schweizer Industrieprodukte mit Zöllen von 2 bis 6 Prozent belegt wurden.
Verhandelt wird auch zwischen den Firmen, obwohl theoretisch klar ist, wer Trumps Zollzuschlag zahlen muss: der US-Importeur. In der Realität ist die Sache jedoch komplizierter, wie Hirzel anfügt. «Die Firmen und ihre Kunden machen untereinander ab, wie sie die Zusatzkosten aufteilen können.» Dabei gilt die Regel: Je exklusiver das Produkt, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass die Schweizer Firmen die Kosten ihren US-Kunden aufbrummen können.
Das ist offenbar nur bei 6 Prozent der Unternehmen der Fall. Sie befürchten gemäss Swissmem-Umfrage keine Einbussen, da sie faktisch konkurrenzlos sind und es in den USA keine Firma gebe, die «ein vergleichbares Produkt» herstellen könne. Weitere 18 Prozent gehen davon aus, dass sie die Zollkosten immerhin «grösstenteils» abwälzen können. Für alle anderen wird die Rechnung kaum oder gar nicht mehr aufgehen. (aargauerzeitung.ch)
Die USA können die Voraussetzungen dafür nicht bieten.
Nicht innert nützlicher Frist und nicht ohne gravierende Umstrukturierungen und Investitionen ins Bildungswesen.
Ich denke, die ennet dem grossen Teich merken schnell einmal, wie sich MAGA auf ihr Portemonnaie, die Verfügbarkeit der Waren in den Regalen und auf ihren Job auswirken wird. In absehbarer Zeit wird es nur noch ein MArGinAles Grüppchen von Unverbesserlichen sein...