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Weshalb die Finanzmärkte mit einer Rückkehr des Negativzins rechnen

Martin Schlegel, Praesident des Direktoriums, spricht zu einem Kollegen des Direktoriums, an der Generalversammlung der Schweizerischen Nationalbank SNB, am Freitag, 25. April 2025 in Bern. (KEYSTONE/ ...
Mag negative Leitzinsen nicht, hat aber keine Wahl: SNB-Präsident Martin Schlegel.Bild: keystone

Weshalb die Finanzmärkte mit einer Rückkehr des Negativzins rechnen

Zurück in eine verkehrte Welt: Weshalb die Finanzmärkte mit einer Rückkehr der Negativzinsen rechnen.
09.05.2025, 22:5109.05.2025, 22:51
Niklaus Vontobel / ch media
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Die Zinsen sind zuletzt stark gefallen: für zehnjährige Schweizer Staatsanleihen auf nur noch 0,2 Prozent. Zusammen mit diesem Trend sinken auch die Zinsen auf Hypotheken. Nicht alle haben etwas davon, aber durchschnittlich werden Hausbesitzer und Mieter entlastet. Sparen hingegen lohnt sich wieder weniger.

Und es dürfte weiter abwärtsgehen. Zumindest wetten die Finanzmärkte auf eine Rückkehr zu negativen Leitzinsen. Ihrer Erwartung nach wird Martin Schlegel als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) noch dieses Jahr einen negativen Leitzins von 0,25 Prozent festlegen müssen.

Diese Wette lässt sich an den Zinsen auf zweijährige Staatsanleihen ablesen, wie der Ökonom Alexander Koch von der Raiffeisenbank erklärt. Diese Zinsen sind schon Mitte April in den negativen Bereich abgerutscht, zuletzt auf minus 0,16 Prozent. Bei diesen Anleihen hat die Schweiz also heute schon wieder negative Zinsen.

Die Zinsen für zweijährige Staatsanleihen zeigen vereinfacht gesagt vor allem eines: mit welchen Leitzinsen die Investoren in den kommenden zwei Jahren rechnen. Ein Beispiel.

Würde morgen ein Boom beginnen, hätte die Schweiz morgen schon eine höhere Inflation, eine dagegen ankämpfende SNB und deshalb höhere Leitzinsen. Mit den Leitzinsen steigen auch die Zinsen auf Staatsanleihen oder Hypotheken. Sehen die Investoren einen solchen Boom kommen, wollen sie nicht heute ihr Geld billig verleihen und morgen dumm dastehen. Also verlangen sie heute schon mehr Zins. Die Zinsen auf zweijährige Staatsanleihen steigen.

Was die Finanzmärkte an negative Leitzinsen glauben lässt

Der Schweiz steht leider kein Boom bevor. Eher das Gegenteil: eine längere Phase von niedriger oder gar negativer Inflation und damit von niedrigen SNB-Leitzinsen. Auf den Beginn einer solchen Phase deuten vor allem die neuesten Inflationszahlen hin.

Im April hatte die Schweiz gar keine Inflation. Das Preisniveau war nicht höher als ein Jahr zuvor. Und selbst diese Nullinflation kam nur zustande, weil die Mieten stark gestiegen sind. Diese sind wiederum vor allem deshalb gestiegen, weil die Schweiz in den letzten fünf Jahren eine Baukrise hatte und zu wenige Wohnungen gebaut hat. Sieht man von den Mieten ab, sind alle anderen Preise durchschnittlich um 0,7 Prozent gefallen. Alles ist also billiger geworden. Die Schweiz hat nicht zu viel, sie hat zu wenig Inflation.

Auf die Aussicht einer zu niedrigen Inflation haben die Investoren reagiert. Klar ist für sie, dass SNB-Präsident Schlegel dagegen ankämpfen wird. Unklar ist hingegen, wie genau. Wie Raiffeisen-Ökonom Koch erklärt, lässt sich an den Zinsen auf zweijährige Staatsanleihen ablesen, dass sie ungefähr auf den folgenden Ablauf wetten: Schlegel senkt im Juni auf 0 Prozent und im September dann auf minus 0,25 Prozent.

Bei diesem Negativzins würde Schlegel einige Zeit bleiben, dann aber innerhalb von zwei Jahren wieder auf null Prozent oder leicht darüber gehen. Im Durchschnitt kommen über die zwei Jahre so Leitzinsen von ungefähr minus 0,16 Prozent zustande – so wie der aktuelle Zins auf zweijährige Staatsanleihen.

Die Schweiz kehrt damit zurück zu den ungeliebten Negativzinsen, welche die SNB einst im Jahr 2014 im Kampf gegen einen überbewerteten Franken einführte und erst 2022 inmitten der Corona-Inflation wieder aufgab. Negative Zinsen auf Staatsanleihen bedeuten: Wer dem Staat sein Geld leiht, muss ihm für dieses Privileg obendrauf einen Zins zahlen. Es ist eine verkehrte Welt.

Mehr Unternehmen wollen Stellen abbauen

Für eine niedrige Inflation und niedrige bis negative Zinsen sprechen auch neue Daten zum Arbeitsmarkt. Die Boomjahre seien anscheinend vorbei, hat die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) kürzlich vermeldet. Ihre regelmässige Befragung einiger tausend Unternehmen hatte ergeben, dass es endgültig vorbei ist mit der Euphorie der beiden Nach-Coronajahre 2022 und 2023.

Der Anteil von Unternehmen, welche Stellen abbauen wollen, ist nun deutlich höher. Längst nicht so hoch wie in der Corona-Rezession oder wie in der Finanzkrise von 2008, sondern lediglich wie in mittelmässigen Jahren. Doch die Trends, die den Boom am Arbeitsmarkt wohl beendet haben, werden ihre volle Wirkung wohl erst noch entfalten.

Das grösste Risiko ist wohl Donald Trumps chaotische Zollpolitik. Schlegel bemerkte dazu kürzlich, die Schweizer Wirtschaft werde aufgrund der US-Handelspolitik wahrscheinlich schwächer wachsen als vor einigen Wochen erwartet. Der Starökonom Kenneth Rogoff sagt im Interview mit der «Financial Times» über Trump: «Ich suche nach Worten, um seine Politik zu beschreiben, und es fällt mir schwer, nicht an plumpe Worte zu denken und sie auf verschiedene Weise als ‹dumm› zu bezeichnen.»

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
10.05.2025 00:08registriert Juni 2016
Alles wurde Billiger?
Wenn die Krankenkassenprämien in die Rechnung einfliessen würde, hui da hätten wir fast immer eine starke Inflation
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slnstrm
09.05.2025 23:15registriert August 2023
Man braucht kein Experte zu sein um zu erkennen, dass wir uns im Kapitalismus im Endstadium befinden. Mal schauen wie das endet. Das weiss übrigens auch keiner der Experten. 😄
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In diesem Punkt ist die Schweiz die Nummer 1 der Welt
Die Schweiz ist einer Studie zufolge neu das wettbewerbsfähigste Land der Welt.

Sie verdrängte im neusten World Competitiveness Ranking des Lausanner Wirtschaftsinstituts IMD Singapur und Hongkong auf die Plätze zwei und drei.

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