In der Stimme der Coiffeuse lag etwas Feierliches, als sie sagte: «Übrigens, wir haben keine Preisunterschiede mehr zwischen Männern und Frauen.» Es habe schon länger eine Angleichung stattgefunden, aber seit dem Frauenstreik würden sie das nun deutlich kommunizieren.
Ihr Arbeitgeber ist der Coiffeursalon Mad Hairstyle in Zürich. Zürcherinnen sind sich gewöhnt, dass sie nicht unter 110 Franken wegkommen. Nun können alle zwischen einem kurzen, mittleren oder langen Service wählen. Das Günstigste ist der Trockenhaarschnitt für 56 Franken. Geschäftsführer Marc Menden sagt:
Als Unternehmen in einer frauendominierten Branche müsse man auf das Thema Gleichberechtigung sensibilisiert sein. Er hat die Dienstleistungen nach Zeitaufwand begutachtet und verrechnet sie nun auch so.
In der Schweiz ist das immer noch die Ausnahme. Bei Neueröffnungen ist es einfacher, Unisexpreise einzuführen. Anderen können auf eine zahlungskräftige Stadtkundschaft zählen. Denn Männer müssen dadurch mehr bezahlen. Auch Mad Hairstyle hat ein paar Kunden verloren. Die Coiffeuse meinte selbstbewusst: «Jenen, denen Gleichberechtigung egal ist, weinen wir nicht nach.»
Anders tönt es, wenn man die Grossstadt verlässt. Daniel Stalder, Inhaber der Salons Hauptsache in Kriens, Sursee und Luzern, sagt: «Ich finde das Thema wichtig, habe es oft diskutiert. Aber ich könnte die Frauenpreise nicht günstiger machen, ohne viele Männer zu verlieren. Das kann ich mir nicht leisten.»
Für Waschen-Schneiden-Föhnen bezahlen hier Frauen 27 Franken mehr als Männer. Bei beiden dauert es eine Stunde. Trotzdem, sagt Stalder, sei bei Männern die Konkurrenz von Billiganbietern enorm. Sogenannte Barber-Shops florieren. Da gibt es Schneiden für knapp 20 Franken, Waschen-Schneiden für 25 Franken. Drei Haarschnitte im Angebot reichen, eine abgeschlossene Ausbildung muss nicht sein. «Ich kann nur mit Qualität dagegen halten», sagt Stalder.
Das Ganze ist historisch bedingt: Ohne aufwendige Föhnfrisur verliess früher kaum eine Frau den Salon. Doch der Preisunterschied blieb auch als Kurzhaarfrisuren bei Frauen Mode wurden und sich die Techniken vereinfachten.
Allerdings geht es eben um das Styling danach, nicht um den Kurzhaarschnitt. Bei Cut and Color, einem Coiffeur mit 15 Filialen in der Schweiz, kostet ein Haarschnitt nicht nur bei Damen und Herren gleich viel, sondern auch unabhängig von der Länge: «Für den perfekten Haarschnitt ist der Zeitaufwand ungefähr gleich», sagt Raffaella de Simoni Thomann vom Marketing. Das Föhnen, wo die Frauen oft mehr Zeit benötigen, ist in ihrem Konzept der Kundschaft überlassen.
Dass der Hauptunterschied beim Föhnen liegt, bestätigt Branchenleader Gidor. «Das Föhnen dauert bei einer Dame mit Kurzhaar im Durchschnitt 20 bis 30 Minuten, bei den Herren 2 bis 5 Minuten», sagt Maria Jiménez vom Marketing bei Gidor. Allerdings könne die Frau darauf verzichten und bezahle dann 42 Franken für Waschen-Schneiden. Unisexpreise seien aktuell keine Option, aber man orientiere sich ständig nach den Bedürfnissen des Marktes.
Dass der Markt es richten werde, davon sind viele überzeugt. Aber bei der einen Hälfte der Bevölkerung besteht wohl geringes Interesse daran.
Sara Stalder, Geschäftsleiterin Schweizer Konsumentenschutz, sagt zwar, es gebe immer wieder Anfragen und Beschwerden von Frauen, die Beispiele von «Gender-Pricing» zuschickten. Doch sie könnten bei Missständen nicht eingreifen, weil es seitens des Staates keine Schützenhilfe gibt: «Die Marktfreiheit ist das oberste Gut in der Schweiz», sagt Stalder. Die Hersteller ihrerseits würden sich meist darauf berufen, dass die Produkte nicht vergleichbar seien.
Der letzte stammt von SP-Nationalrat Jean Christophe Schwaab, in dem er auf die Gleichstellung von Mann und Frau in der Bundesverfassung verwies und schrieb: «Bei den Konsumentenpreisen für zahlreiche Produkte und Dienstleistungen sind wir jedoch meilenweit von Gleichstellung entfernt.» Viele fast identische Produkte und Dienstleistungen hätten unterschiedliche Preise, wenn sie speziell an Männer oder an Frauen gerichtet seien.
Der Bundesrat stritt dies nicht komplett ab, argumentierte jedoch: «Ein Teil der Preisdifferenz ist unter Umständen aber auch darauf zurückzuführen, dass sich die Qualität der Dienstleistung unterscheidet, andere Produkte verwendet werden oder der Stil ein anderer ist usw.» Die aktuellen Regulierungen würden genügen. Eine Mehrheit des Nationalrates war 2018 derselben Meinung. Seitens der Schweizer Preisüberwacher heisst es: «Wir können möglichen Unmut verstehen», so Rudolf Lanz. «Da im Coiffeurgewerbe Wettbewerb herrscht, kann der Preisüberwacher aber nicht intervenieren.»
Auch Coiffure Suisse, der Verband Schweizer Coiffeurgeschäfte, sieht den Handlungsbedarf nicht, denn Kunden könnten sich den passenden Salon aussuchen. Und: «Herrenhaarschnitte benötigen weniger Zeit, was den tieferen Preis rechtfertigt», sagt Zentralpräsident Damien Ojetti und verweist auf weitere Kostenargumente: teurere Geräte für Frauen oder mehr Weiterbildung für Brautfrisuren oder Haarverlängerungen. Ojetti sagt ausserdem:
Das Beispiel mit den Einwegrasierern ist ein oft genanntes, das Problem wird deshalb auch «Rosa Steuer» genannt. Aber es ist auch eines der am wenigsten relevanten Beispiele: Der Preis für Rasierer ist ohnehin tief und frau könnte tatsächlich auf «blau» ausweichen– vorausgesetzt, sie bemerkt den Unterschied. Die Einwegrasierer von Big sind für Frauen auf den ersten Blick nicht teurer: vier für 4.60 Fr. Männer: sechs für 5.95 Fr. Aufs Stück gerechnet bezahlen Frauen 25 Rappen mehr.
Preise für Frauen sind vielerorts erhöht – auch beim Bügeln: 8.80 Fr. kostet «nur bügeln» beispielsweise bei Terlinden für Blusen – ein Herrenhemd kann offenbar für 4.40 Franken kostendeckend gebügelt werden.
Das Argument «der Preis sei es den Frauen wert» kommt bei Angeboten, wo die Frauen die Wahl nicht haben, ins Wanken. Mehr noch: Könnte es sein, dass Frauen bei solchen Dienstleistungen Männer querfinanzieren? Genau das gibt ein Coiffeur in einem Recherchegespräch zu. «Ja, eigentlich bezahlen die Frauen die Herrenpreise mit», sagt er und bittet, seinen Namen nicht zu nennen.
Sehr schlechtes Beispiel...
Ich Bügle unter anderem die Blusen meiner Freundin und meine Hemden. Für meine Hemden benötige ich 1/2 bis 1/3 der Zeit...
Meine Hemden sind Bügelleicht oder Bügelfrei, ihre Blusen nicht...
Meine Hemden sind einfach, ohne Schnickschnack und nahezu straight. Ihre sind tailliert, mit Rüschchen etc...
Ja meine Güte. Müssen wir nun die Bewohner der Schweiz völlig vom Mitdenken befreien? Meine Frau benutzt seit Jahren Männerrassierer von Gilette, weil sowohl der Raiserer wie auch die Klingen extrem viel billiger sind als die der Frauen... Ein bisschen Eigeninitiative darf ja wohl noch von einem mündigen Erwachsenen erwartet werden...