Die Schweizer Wälder werden momentan von einer Käferplage heimgesucht. Deswegen kommt viel mehr Holz als sonst auf den Markt, die Preise sind massiv unter Druck. Das bedeutet Arbeit für die Holzmarktkommission: Vertreter der Waldbesitzer und der Holzindustrie sitzen alle paar Monate zusammen an einem Tisch. Sie sprechen im Detail über Preise für einzelne Holzarten und -qualitäten, sowie darüber ob die Waldbesitzer Bäume fällen sollen oder eben nicht.
Danach veröffentlicht die Kommission eine Pressemitteilung mit Empfehlungen an die Industrie und die Waldbesitzer. Vor ein paar Wochen etwa gab der Waldbesitzer-Verband an seine Mitglieder die Devise heraus, von Holzschlägen ohne Bestellung abzusehen, weil ohnehin bereits sehr viel Holz auf dem Markt sei. Das offensichtliche Ziel: Der Preis soll nicht weiter fallen.
Wird eine Mengenreduzierung ohne Rechtfertigungsgründe mehrheitlich befolgt, gibt es ein ernsthaftes Problem.
In der Schweiz ist der Wettbewerb zwischen Konkurrenten heutzutage eigentlich heilig. Das Kartellgesetz verbietet grundsätzlich Absprachen über Preise oder Liefermengen. Wie passt da die Holzmarktkommission, die seit Jahrzehnten aktiv ist, ins Bild?
Patrick Krauskopf, Professor für Kartellrecht und ExVizepräsident der Wettbewerbskommission (Weko), sagt: «Erlaubt sind Kalkulationshilfen. Bei allem, was darüber hinausgeht, ist man kartellrechtlich bereits im gelben Bereich.» Wird eine empfohlene Mengenreduzierung ohne Rechtfertigungsgründe mehrheitlich befolgt, gebe es ein ernsthaftes Problem.
Die beiden Verbände, Waldschweiz und Holzindustrie Schweiz, sehen das naturgemäss anders. Für sie sind die Treffen der Holzmarktkommission «Marktgespräche» unter Beteiligung aller Marktpartner. Michael Gautschi, Direktor von Holzindustrie Schweiz, sagt: «Die Kommission hat eine Ausgleichsfunktion. Es geht darum, die Mengen zu steuern, um eine Stabilität auf dem Markt zu schaffen und wie jetzt bei einer Holzschwemme, den Preis möglichst oben zu behalten, wenn in allen benachbarten Ländern die Preise in den Keller fallen.» Die Holzindustrie biete dazu «aus Solidarität» Hand. Ein weiteres Ziel sei, die Versorgung der Anlagen optimal sicherzustellen. Der Handlungsspielraum sei jedoch wegen der Internationalität des Marktes begrenzt.
Markus Brunner, sein Pendant bei Waldschweiz, sagt, die Aktivitäten der Kommission seien rechtlich absolut problemlos: «Das Kartellgesetz erlaubt solche Koordinationsgespräche, wenn sie der wirtschaftlichen Effizienz dienen.» Die Preisempfehlungen würden ohnehin kaum eingehalten. Und längst nicht alle der 250 000 Waldbesitzer folgten der Empfehlung, momentan nicht unnötig Holz zu schlagen.
Auch Brunner sagt: «Bei der Holzmarktkommission geht es darum, dass alle Marktpartner ein Auskommen haben. Extreme Ereignisse sollen abgefedert und die Preise stabilisiert werden.» Die Waldbesitzer könnten ohnehin nicht stark erhöhte Preise verlangen, weil die Konkurrenz aus dem Ausland droht: «Ein, zwei Franken gingen vielleicht, doch dann wird importiert», sagt Brunner.
Gemäss Kartellrechtsprofessor Krauskopf ist die Mengenreduzierung dennoch heikel: «In meiner Anwaltstätigkeit frage ich daher immer, welche Gründe für eine Empfehlung bestehen. Ist der Hauptzweck der Mengenreduktion, eine sogenannte Preisstabilität zu sichern, ist das sehr problematisch. Die Grundidee der ‹Empfehlung› muss zwingend das Erlangen von Effizienzvorteilen sein.» Aus politischer Sicht könnten auch Umweltschutzüberlegungen geltend gemacht werden, so Krauskopf, der an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) lehrt.
Markus Brunner, Direktor von Waldschweiz, ist sich sicher, dass die Holzmarktkommission korrekt arbeitet. «Ich kann aber offen sagen, dass ich an Kommissionssitzungen auch schon darauf hinweisen musste, dass es in der Schweiz ein Kartellgesetz gibt», sagt er. Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses etwa sei die Forderung herumgeschwirrt, man müsse die Grenze für ausländisches Holz schliessen. «So etwas war für uns aber nie ernsthaft ein Thema, und es hätte realpolitisch keine Chance», so Brunner. Es ist nicht so, dass Waldbesitzer und Forstbetriebe viel verdienen. Ein grosser Teil der Branche schreibt rote Zahlen. Rund 60 Prozent des Waldes ist im Besitz öffentlich-rechtlicher Eigentümer, zum Beispiel von Bürgergemeinden.
Keiner der beiden Verbände hat bisher die rechtliche Zulässigkeit des Vorgehens überprüfen lassen. Brunner vom Waldbesitzer-Verband sagt: «Wir sehen dafür keinen Anlass. Die Realität zeigt uns, dass der Markt trotz der Holzmarktkommission spielt.»
Patrik Ducrey, Direktor der Wettbewerbskommission, sagt auf Anfrage: «Absprachen über Preise und Mengen sind grundsätzlich problematisch. Um eine Einschätzung zu machen, muss aber der Einzelfall detailliert angeschaut werden.» (aargauerzeitung.ch)
Es geht immer darum Markt zu verhindern und den Käufer auszunehmen.