Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, lautet eine bekannte Redewendung. Wie sehr das im Geschäftsleben zutreffen kann, musste Pascal Kuttelwascher kürzlich feststellen.
«So etwas haben wir noch nie erlebt», sagt Kutttelwascher zu watson. Zusammen mit seinem Vater führt er die Kuttex AG im thurgauischen Wängi. Der Familienbetrieb ist spezialisiert auf den Verkauf von Transportgeräten wie Treppensteiger oder Hubwagen.
Bis heute beschäftigt sich Kuttelwascher mit einem Kunden, dem er vor eineinhalb Jahren Geräte für über 12’000 Franken verkauft hatte. Was der Unternehmer in dieser Zeit erlebte, macht ihn noch immer nachdenklich. Dabei fing alles so gut an.
«Im Juni 2022 kaufte der Kunde in unserem Laden zwei Occasion-Treppensteiger. Auf seinen Wunsch hin haben wir auch einen Griff ersetzt und Zubehör mitgegeben», sagt Kuttelwascher. Kostenpunkt: exakt 7000 Franken. Der Kunde habe damals angegeben, die Ware für seine eigene GmbH – eine Montagefirma – zu kaufen. Deshalb prüfte Kuttelwascher lediglich, ob die Firma im Handelsregister eingetragen war – und gab ihm dann die Geräte auf Rechnung mit.
«Kurz darauf rief der Kunde an, weil er nochmals einen Treppensteiger kaufen und ein anderes Gerät reparieren wollte», sagt Kuttelwascher. Insgesamt habe er über seine Montagefirma Dienstleistungen und Ware für über 12'000 Franken bezogen. Alles ohne eine Bonitätsprüfung.
Pascal Kuttelwascher sagt dazu: «Normalerweise prüfen wir die Bonität nicht, wenn alles legitim aussieht.» Bis zu besagtem Kunden mit der Montagefirma habe das immer gut funktioniert. Doch bei ihm ging alles schief.
Der Kunde bezahlte die Rechnung der Kuttex nicht. Drei Mahnschreiben später habe er auch auf Telefonanrufe nicht mehr reagiert. Kuttelwascher wurde langsam skeptisch: «Ich begann, die Google-Bewertungen seiner Montagefirma zu lesen.»
Schockiert musste er feststellen, dass sich dort schlechte Bewertungen häuften. «Bezahlt nicht», schrieb jemand. «Hat meinen Lohn seit Februar nicht überwiesen», lautete eine andere Rezension. Und: «Falls ihn jemand sucht: Er hat eine neue Firma gegründet. Denkt wohl, er kann sich verstecken vor all den Betreibungen.»
Nach diesen Rezensionen leitete Kuttelwascher umgehend eine Bonitätsprüfung ein. Er stellte fest, dass der Kunde auf seiner Montagefirma Betreibungen von über 80’000 Franken hatte, das Dokument liegt watson vor. Kuttelwascher blieb nichts anderes übrig, als den Kunden durch ein Inkassobüro ebenfalls zu betreiben. Doch da dieser bereits eine neue Firma gegründet hatte, kam der Brief vom Betreibungsamt zurück. Mit der Mitteilung: nicht zustellbar.
Pascal Kutttelwascher war verzweifelt. Er fragte sich, ob er noch eine Chance hätte, mindestens die Ware wieder zurückzubekommen, wenn der Kunde schon nicht bezahlte. Doch die Hoffnung wurde schnell zunichtegemacht.
«Ich erhielt einen Anruf von jemandem, der sagte, er benötige einen Adapter für ein Treppensteiger-Netzladegerät, den er auf Facebook gekauft habe. Das fand ich komisch, weil diese Netzladegeräte damals brandneu waren. Somit musste ein neues Gerät verkauft worden sein», sagt Kuttelwascher. Er habe den Anrufer gefragt, ob er das Gerät von der Montagefirma gekauft habe, die bei ihm noch offene Rechnungen hatte. Und so war es. «Der Kunde verkaufte tatsächlich unsere Ware online weiter, obwohl er sie nicht einmal bezahlt hatte», ärgert sich der Kuttex-Geschäftsführer.
Auch einen weiteren seiner Treppensteiger entdeckte Kuttelwascher auf Tutti. Frech schreibt der nicht zahlende Kunde in der Anzeige: «Wird verkauft, weil wir nur einen brauchen.»
Kuttelwascher schaltete seinen Rechtsschutz ein. Er wollte wissen, was er nun unternehmen könne. Die Antwort: nichts. Sobald die Ware dem Kunden übergeben worden sei, habe sich das Eigentumsverhältnis geändert. Und auch mit der Betreibung werde er nicht mehr weiterkommen. Auf Anfrage von watson bestätigt auch die Rechtsschutzversicherung Protekta der Mobiliar den Sachverhalt: «Ausser eventuell einer Strafanzeige ist eine Durchsetzung (Rückholung des Geldes) auf dem Rechtsweg aus unserer Sicht kaum noch möglich.»
Kuttelwascher gab die Hoffnung auf. Der Kunde verkaufte weiterhin die nicht bezahlte Ware und machte Geld mit seiner neuen Firma, die er in einem anderen Kanton auf den Namen seiner Frau gegründet hatte. «Ich wollte das Geld schon abschreiben, doch mein Vater war hartnäckiger», sagt der Kuttex-Chef.
Er habe den treulosen Kunden so oft angerufen und ihm Nachrichten geschrieben, dass dieser irgendwann einlenkte – zum Teil. Denn zunächst habe er mehrfach gelogen, dass er das Geld überwiesen habe. «Schlussendlich hat er uns gesagt, dass wir zwei der drei Treppensteiger wieder bei ihm abholen können, was wir gemacht haben.» Dadurch habe sich der offene Betrag von über 12’000 Franken auf 5000 Franken reduziert. Seitdem herrsche aber Funkstille, der Kunde reagiere auf keine Anrufe oder Nachrichten mehr. Das ist nun über ein halbes Jahr her.
Die Betreibungen der Montagefirma haben sich seitdem auf 180’000 Franken erhöht, wie ein aktueller Betreibungsregisterauszug zeigt. Auch seine neu gegründete GmbH im Kanton Baselland verzeichnet bereits Betreibungen von über 8000 Franken. Bei den meisten Positionen handelt es sich um «laufende Inkassoverfahren». watson hat den Kunden und Eigentümer der Montagefirma telefonisch kontaktiert. Als dieser realisierte, worum es ging, legte er sofort den Hörer auf. Trotz mehrmaliger weiterer Versuche war er nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Pascal Kuttelwascher hat seine Lehren aus dem Fall gezogen: «Mittlerweile machen wir viel mehr Bonitätsprüfungen. Denn für ein KMU geht es bei offenen Rechnungen schnell um viel Geld. Solche Zahlungsausfälle können wir uns nicht leisten.» Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.