Sicher, der Fussball steht im Mittelpunkt. Pässe wie an einer Schnur gezogen, Paraden und Penaltys, Fouls und Fehlentscheide, Bombenstimmung und Bier – viel Bier. Weltmeisterschaften, das sind die grossen Feste, deren Enden mit dem Abpfiff der Partie noch lange nicht besiegelt werden. Beschwingt und beduselt vom Sieg kommen sich Männlein und Weiblein schnell näher, vergessen dabei nur allzu schnell, dass entsprechende Verhütung so mancher bösen und sehr bösen Überraschung vorbeugen könnte. Dass die sexuelle Triebkraft während Grossanlässen besonders gesteigert ist und damit verbunden auch die Hirnfunktion der kopulierenden Paare vermindert, lässt sich anhand des gestiegenen Verkaufs der «Pille danach» ablesen.
Dementsprechend gingen in der Apotheke beim Zürcher Hauptbahnhof im Juni bislang mehr Präparate, die eine ungewollte Schwangerschaft verhindern, über den Ladentisch. Im Vergleich mit dem Vorjahr ist das ein Plus von neun Prozent. Es sei gut möglich, dass der Anstieg mit der Weltmeisterschaft in Zusammenhang stehe, sagt Megy Keller, Geschäftsleitungsmitglied der Bahnhof-Apotheke: «Während Grossanlässen verzeichnen wir tendenziell mehr ‹Pille danach›-Beratungen.» Konkrete Zahlen, wie viele solcher Präparate seit dem WM-Start verkauft wurden, weist die Apotheke keine aus.
Eine gestiegene Nachfrage gegenüber dem Vorjahr verzeichnet auch die Zürcher Bellevue-Apotheke – knapp zehn Prozent mehr «Pillen danach» wurden verkauft als im Juni 2013. «Vor allem bei Grossanlässen wie der Street Parade – aber auch jetzt während der WM, wenn ausgelassen gefeiert wird – gehen junge Menschen ein grösseres Risiko ein. Es wird schlechter verhütet», sagt Inhaber Dr. Roman Schmid. Meistens werde ein geplatztes Kondom als Grund angegeben. Überhaupt erstaunt es Schmid, wie sorglos junge Menschen mit dem Thema umgehen, und wie wenig junge Frauen über ihren eigenen Körper und Verhütung Bescheid wissen.
Dass die WM die Libido beflügelt, zeigen die Beispiele Deutschland und Spanien: Gut acht Monate nach dem Anpfiff der Fussball-Weltmeisterschaft am 9. Juni 2006 zeigte das deutsche Sommermärchen ungeahnte Spätfolgen. Die Geburtsvorbereitungskurse in einigen WM-Städten waren voll wie nie zuvor, viele Entbindungsstationen und Geburtshäuser ausgebucht. Die Geburtenrate stieg damals, je nach Bundesland, zwischen 10 und 15 Prozent an.
Der Fortpflanzung nicht abträglich war auch der WM-Triumph der spanischen Fussball-Nationalmannschaft in Südafrika vor vier Jahren. Er löste auf der iberischen Halbinsel einen Babyboom aus. Sogar renommierte Ärzte führten den starken Anstieg der Geburtenrate damals – neun Monate nach dem Finale in Johannesburg – auf den Sieg der Spanier gegen die Niederlande zurück. Nach dem frühen Ausscheiden der Furia Roja an der laufenden WM müsste demnach mit einem Einbruch der Geburtenrate zu rechnen sein. Aber vielleicht werden die Spanier die Zeit, die sie nun nicht mehr vor der Mattscheibe verbringen, für das eine oder andere Schäferstündchen nutzen und so den Fussballfrust beim Liebesspiel tilgen.