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Zürich will Opfer von Zwangsmassnahmen entschädigen

ARCHIV - ZUR WINTERSESSION 2019 MIT DEM THEMA VERDINGKINDER, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Aufnahme eines Verdingkindes waehrend der Arbeit, aufgenommen im Jahr 1945. (KEYS ...
Ein Verdingbub bei der Arbeit im Jahr 1945.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Von links bis rechts unbestritten: Zürich will Opfer von Zwangsmassnahmen entschädigen

Die Stadt Zürich will den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen einen Solidaritätsbeitrag auszahlen. Der Gemeinderat hat am Mittwochabend eine entsprechende Verordnung beraten.
09.03.2023, 02:26
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Eine finanzielle Entschädigung gleiche zwar die psychischen und physischen Narben der Opfer nicht aus, hatte der Stadtrat in seinem Antrag festgehalten. Doch sei ein Beitrag zumindest «ein Zeichen der Stadt, dass sie das begangene Unrecht anerkennt».

Ein dunkles Kapitel

Sozialvorstand Raphael Golta (SP) bezeichnete die fürsorgerischen Massnahmen am Mittwochabend als «eines der dunkelsten Kapital der Schweizer Sozialgeschichte». Bis 1981 wurden Kinder und Jugendliche in Heimen weggesperrt, bei Pflegefamilien platziert und als billige Arbeitskräfte ausgenutzt.

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Der Zürcher Stadtrat Raphael Golta.Bild: keystone

Sogenannt liederliche oder arbeitsscheue Erwachsene wurden entmündigt und sterilisiert. Frauen und Männer wurden zur Nacherziehung in Arbeitsanstalten gesteckt oder kamen gegen ihren Willen in psychiatrische Kliniken.

Die geplanten Solidaritätsbeiträge blieben im Gemeinderat von links bis rechts unbestritten: Die Betroffenen würden angesichts des massiven Unrechts, das sie erlitten hätten, ein Leben lang leiden, sagte etwa Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne).

«Man kann es heute nicht mehr glauben, dass derartige Massnahmen in Zürich und in der Schweiz getroffen wurden», ergänzte Ronny Siev (GLP). Es seien Gräueltaten begangen worden, die kaum wieder gut zu machen seien, hielt Sebastian Zopfi (SVP) fest. «Jetzt können wir immerhin ein kleines Zeichen setzen.»

Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen

Auf Bundesebene schaffte im Jahr 2016 das Gesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 die Grundlage, um einen Solidaritätsbeitrag an Opfer auszurichten.

Analog dazu will die Stadt Zürich mit ihrer Verordnung auf kommunaler Stufe ebenfalls Beiträge an Personen ausrichten, deren fürsorgerische Zwangsmassnahme oder Fremdplatzierung vor 1981 einen Bezug zu einem Entscheid einer städtischen Behörde hatte.

Noch ist die historische Aufarbeitung nicht abgeschlossen. Welche Rolle die städtischen Behörden gespielt haben, werde noch geklärt, hält der Stadtrat fest. Es sei aber bereits klar, «dass ihnen eine Rolle zukam».

Da viele Opfer ein beachtliches Alter erreicht hätten und ihnen der Beitrag noch vor dem Lebensende zukommen soll, soll die Verordnung bereits jetzt erlassen werden.

Kosten von acht Millionen Franken

Der Solidaritätsbeitrag soll gemäss Verordnung 25'000 Franken pro Person betragen. In seinem Antrag geht der Stadtrat von der Annahme aus, dass von 2023 bis 2025 insgesamt 320 berechtigte Personen ein Gesuch stellen könnten. Die Gesamtkosten beliefen sich in diesem Fall auf acht Millionen Franken.

Die Schlussabstimmung über die Verordnung findet nach der erfolgten ersten Beratung an einer der nächsten Sitzungen des Stadtparlamentes statt. Die Verordnung dürfte dann angesichts der im Gemeinderat herrschenden Einigkeit ohne weitere Diskussion angenommen werden. (sda)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hierundjetzt
09.03.2023 07:40registriert Mai 2015
Die SVP war übrigens auf nationaler Ebene dagegen.

Als einzige Partei.

Einfach das immer im Hinterkopf behalten.

Und warum muss jetzt wieder jede unserer 3000 Gemeinden ein Sonderzüglein fahren?

Warum nicht eine kantonale Lösung?

Ach ja stimmt: SVP 😤

Merci Züri für d Hilf 💙
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