Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Schweiz wegen eines Polizeieinsatzes am 1. Mai 2011 in Zürich verurteilt. Laut dem Urteil verletzte die Einkesselung und anschliessende Inhaftierung die Rechte von zwei Demonstranten.
Laut der am Dienstag veröffentlichten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat die Polizei die Rechte der beiden Betroffenen auf Freiheit und Sicherheit verletzt. Die Schweiz wurde dazu verurteilt, beiden eine Entschädigung für immaterielle Schäden in Höhe von 1000 Euro sowie Kosten und Ausgaben in Höhe von insgesamt 10'000 Euro zu zahlen.
Der Vorfall hatte sich am 1. Mai 2011 in Zürich ereignet. Die Polizei hatte damals die Demonstranten eingekesselt. Die beiden Beschwerdeführer wurden daraufhin festgenommen und bis zum Abend inhaftiert. Nach einer eingehenden Identitätsprüfung wurden sie wieder freigelassen.
Die Zürcher Justiz und später das Bundesgericht begründeten die Massnahmen mit den gewalttätigen Ausschreitungen bei den Demonstrationen in den Vorjahren. Auch 2011 hatten linksextreme Gruppen zu Demonstrationen aufgerufen.
Nach Ansicht der Strassburger Richter hatte die Schweiz nicht nachgewiesen, dass eine Festnahme notwendig war, um die Identitätskontrolle durchzuführen. Die beiden Beschwerdeführer hätten ihre Identität auch direkt vor Ort belegen können. Im Zweifelsfall hätte die Polizei eine Überprüfung per Funk vornehmen können. Es sei deshalb nicht auszuschliessen, dass die Inhaftierung einen schikanösen Zweck gehabt habe, fügt das Gericht hinzu.
Das Urteil hält fest, dass die Einrichtung eines Polizeikordons zur Verhinderung von Ausschreitungen voraussetzt, dass zuvor ein Befehl zur Auflösung gegeben wurde. Dies war am 1. Mai 2011 in Zürich nicht der Fall. Zudem befanden sich die beiden Beschwerdeführer auf dem Helvetiaplatz und nicht auf dem Kanzleiareal, wo die Anzeichen für Unruhen am stärksten ausgeprägt waren.
Der EGMR stellte schliesslich fest, dass die von der Schweiz angeführten Gründe - frühere Gewalttätigkeiten, Aufrufe von Linksextremen, Unruhen während des offiziellen Teils - allgemeiner Natur sind. Sie lassen nicht vermuten, dass die beiden Betroffenen die Absicht hatten, an der illegalen Demonstration teilzunehmen oder Straftaten zu begehen.
Unter diesen Umständen wurden die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Notwendigkeit, die die Inhaftierung rechtfertigen, nicht eingehalten, so die Strassburger Richter abschliessend. Die Schweiz habe somit Artikel 5 EMRK verletzt.
Der Entscheid aus Strassburg könnte auch Auswirkungen über den bereits zwölf Jahre zurückliegenden Fall hinaus haben. «Das Urteil hält fest, dass die Polizei an Demonstrationen nicht durch Einkesselungen zahlreichen Personen die Freiheit entziehen darf», sagte Viktor Györffy, der Anwalt der beiden Beschwerdeführer gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Eine Einkesselung sei praktisch gar nicht EMRK-konform durchführbar. Vor diesem Hintergrund sei es fraglich, ob die gerade in Zürich praktizierten Einkesselungen künftig noch haltbar seien.
Die Stadt Zürich kann das Urteil, das erst am Dienstagmorgen veröffentlicht wurde, noch nicht kommentieren. Es müsse erst in Ruhe analysiert werden, heisst es beim Sicherheitsdepartement. (saw/sda)
Und à propos fremde Richter: Im Spruchköper sass auch ein Schweizer Richter.
Für alle, die beim Wort "Europäisch" tiefrot werden; der EGMR hat nichts mit der EU zu tun. Der EGMR, ist ein Organ des Europarats, wo die Schweiz seit 1963 Mitglied ist und wacht über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention, die alle Mitgliedsstaaten mitunterzeichnet haben. Alle Sprüche von fremden Richtern sollten damit hinfällig sein.