Schweiz
Zürich

Schlichtungsstelle: Kündigungen in Sugus-Häusern waren «missbräuchlich»

Verlassene Sugus-Häuser in der Neustrasse 81, 83 und 85. Viele Mieterinnen und Mieter sind bereits ausgezogen, obwohl der Termin vor der Schlichtungsbehörde gegen Besitzerin und Erbin Regina Bachmann  ...
So sehen die Sugus-Häuser in Zürich aus.Bild: watson/ aylin erol

Bewohnerin zu missbräuchlichen Kündigungen in Sugus-Häusern: «Extrem erleichtert»

In den ersten Anfechtungen der Kündigungen der Zürcher Sugus-Häuser sind diese als «missbräuchlich» bezeichnet worden. Den Bewohnerinnen und Bewohnern fällt eine Last von den Schultern.
23.06.2025, 13:3923.06.2025, 17:53
Reto Heimann
Reto Heimann
Mehr «Schweiz»

Im Zürcher Kreis 5 haben rund ein Drittel der Einwohner der sogenannten Sugus-Häuser letztes Jahr die Kündigung erhalten. Heute haben die ersten Schlichtungen der Anfechtung dieser Kündigungen stattgefunden.

In den ersten vier hat die Schlichtungsbehörde Zürich nun entschieden, dass die Kündigungen «missbräuchlich» sind. Dies teilt der Zürcher Mieterverband mit. Es sei bisher keine Einigung erzielt worden.

«Ich bin extrem erleichtert», sagt eine Bewohnerin gegenüber watson. Sie wohnt in einem der drei Sugus-Häuser, die von den Leerkündigungen betroffen wären. Zwar sei ihr konkreter Fall heute vor der Schlichtungsstelle noch nicht verhandelt worden. Trotzdem sei eine riesige Last von ihr abgefallen: «Wir alle haben heute mitgefiebert und genau auf dieses Resultat gehofft», sagt die Bewohnerin.

Das Resultat der Schlichtungsbehörde ist nämlich: Die Kündigungen von Regina Bachmann waren missbräuchlich. Für die Bewohnerin führt dieser Entscheid vor allem zu einem: Entspannung. «Ich weiss jetzt, dass ich im September nicht raus muss, dass ich nicht unter der Brücke landen werde, wenn ich bis dahin nichts gefunden habe.» Wie zum Beweis, wie sehr sie das erleichtert, atmet sie deutlich hörbar auf und sagt: «Da fällt schon eine Last von den Schultern.»

«Ich weiss jetzt, dass ich im September nicht unter der Brücke landen werde, wenn ich bis dahin nichts gefunden habe.»
Sugus-Haus-Bewohnerin

Denn für sie, die seit 25 Jahren in diesem Haus und seit 32 Jahren im Kreis 5 lebt, sei die Situation schon schwierig, sagt sie. Die Wohnungssuche gestalte sich nämlich schwierig. Das gelte umso mehr für Familien oder IV-Bezüger, berichtet die Bewohnerin. «Du kannst in den Sugus-Häusern alle fragen: Sobald man Kinder hat, wird die ohnehin schon anspruchsvolle Wohnungssuche gerade nochmals schwieriger», sagt sie. Die Stimmung unter den Bewohnern in den Sugus-Häusern sei jedenfalls nach wie vor kämpferisch.

Bald unbefristete Mietverträge?

Walter Angst, Co-Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbands Kanton Zürich, freut sich über die mündliche Einschätzung der Schlichtungsbehörde, dass die Kündigungen missbräuchlich gewesen seien: «Das ist zuerst einmal eine gute Nachricht für die Mieterinnen und Mieter.»

Was genau bedeutet, dass die Kündigungen missbräuchlich gewesen seien? Walter Angst erklärt es so: «Wenn ein Mieter eine ohne jede Begründung erfolgte Mieterhöhung nicht akzeptiert und ihm daraufhin gekündigt wird, dann ist eine solche Kündigung missbräuchlich.» Das sei die aktuelle Praxis Schweizer Rechtssprechung und schütze Mieterinnen und Mieter vor willkürlichen Kündigungen.

«Kein ausgereiftes Konzept»

Anita Thanei ist die Anwältin der heute anwesenden Mieterinnen und Mieter. Sie streicht heraus, warum die Kündigungen missbräuchlich gewesen seien: «Das liegt vor allem daran, dass Regina Bachmann noch kein ausgereiftes Sanierungsprojekt vorlegen konnte, als sie die Kündigungen aussprach», sagt Thanei. Ein solches wäre aber für eine Leerkündigung zwingend notwendig gewesen.

Der Mieterverband geht davon aus, dass im sogenannten Entscheidvorschlag, den die Schlichtungsbehörde nun formulieren wird, das gleiche Verdikt stehen wird: Die Kündigungen waren missbräuchlich.

Denn der Entscheidvorschlag hält die Einschätzung der Schlichtungsbehörde schriftlich fest, erklärt Thanei. Ähnlich wie in einem Gerichtsprozess, bei dem die Richterinnen und Richter das Urteil auch zuerst mündlich eröffnen und später dann schriftlich begründen.

Die heute erfolgte mündliche Einschätzung der Schlichtungsbehörde entspricht der mündlichen Urteilseröffnung nach einem Gerichtsprozess. Nach dem schriftlich vorliegenden Entscheidvorschlag hat die Vermieterin 20 Tage Zeit, ihn anzunehmen oder abzulehnen.

«Wenn ein Mieter eine ohne jede Begründung erfolgte Mieterhöhung nicht akzeptiert und ihm daraufhin gekündigt wird, dann ist eine solche Kündigung missbräuchlich.»
Walter Angst, Co-Geschäftsführer Mieterinnen- und Mieterverband Kanton Zürich

Nimmt sie den Entscheidvorschlag an, können die Bewohnerinnen und Bewohner der Sugus-Häuser erst einmal aufatmen. Das Mietverhältnis würde unbefristet weiterlaufen. Mehr noch: Es käme dann zu einer dreijährigen Sperrfrist, in der Regina Bachmann ihren Mieterinnen und Mietern nicht mehr kündigen dürfte. «Das ist eine Schutzbestimmung des Schweizer Mietrechts. Ohne diese Sperrfrist müssten sich Mieterinnen und Mieter zweimal überlegen, ob sie den Rechtsweg beschreiten wollen», erklärt Walter Angst.

Lehnt die Vermieterin den Entscheidvorschlag der Schlichtungsbehörde hingegen ab, hat sie weitere 30 Tage Zeit, um Klage vor dem Mietgericht einzureichen. Lässt sie diese 30 Tage verstreichen, wird wiederum der Entscheidvorschlag der Schlichtungsbehörde rechtskräftig. Reicht Bachmann hingegen Klage ein, kommt es zum Gerichtsprozess.

Wegen geplanter Totalsanierung erhielten im Dezember 2024 105 Mietparteien in 3 Gebäuden die Kündigung auf Ende März. Von 95 Mietparteien sind daraufhin Kündigungsschutzbegehren bei der Schlichtungsstelle eingegangen.

(mit Material der sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Sugus-Häuser
1 / 8
Sugus-Häuser
Die «Sugus-Häuser» an der Neugasse im Zürcher Kreis 5 erstrahlen in neuem Glanz.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Sugus»-Häuser Mieterschaft übergibt Unterschriften
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
63 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Rodger
23.06.2025 15:21registriert November 2020
Schnell zur Einordnung für Einzele die finden klar darf die Besitzerin dies. Man kann künden, wenn eine Totalsanierung fällig ist, wenn diese aber nicht erfolgt oder in einem Rahmen bei dem die Wohnung wären der Sanierung genutzt werden könnten und es nur um höhere Mieter geht, kann die Kündigung missbräuchlich sein. Die Schlichtungsbehörde besteht aus einem Vertreter des Vermieterverbandes, des Mieterverbands und einer Schlichtungsbeauftragten. Mit dem Entscheid der Behörde haben nun die Mieter recht auf Klage. Wer es gnau wissen will muss die Begründung der Schlichtung lesen.
282
Melden
Zum Kommentar
avatar
RightIsWrong
23.06.2025 13:55registriert November 2023
Jaja, und am Schluss ist trotzdem die Ausbeuterin, die null geleistet hat (ausser Papa haben), am längeren Hebel und entscheidet. Zustände wie zur Feudalzeit...

Lösung für solche Probleme gibt es nur, wenn die perversen Eigentumsverhältnisse endlich nicht mehr gegen das Volk durchgesetzt werden.

Und nein, das heisst nicht Kommunismus, aber z.b. kein privater Grossgrundeigentum, richtige Vermögenssteuer, Stopp das aristokratische Erben usw.

Nur so kann sich die Demokratie endlich gegen die Plutokratie durchsetzen. Darum gehts.
9270
Melden
Zum Kommentar
avatar
insert_brain_here
23.06.2025 15:18registriert Oktober 2019
Wie man lesen konnte lässt die Erbin diese Aktion von einem “Unternehmer” durchführen der in der Branche dafür bekannt ist halblegal zu agieren und jeweils Gläubiger mit einem grossen Haufen unbeglichener Rechnungen sitzen zu lassen.
Nun wird das Verfahren wohl vor dem Mietgericht landen und die involvierten Mietparteien geniessen während der Dauer des Verfahrens und ggf. bis drei Jahre darüber hinaus Kündigungsschutz. So lange wirds wohl nichts mit der Totalsanierung und auch die Leerstände werden wohl nicht viel abwerfen.
Wenn man den Hals nicht vollkriegt 👍😂
254
Melden
Zum Kommentar
63
Sanierung von Hauensteintunnel führt zu Einschränkungen im Bahnverkehr

Wegen der laufenden Sanierung des Hauensteintunnels kommt es an drei Sommerwochenenden zu Streckensperrungen im Raum Tecknau-Olten. Dies führt zu temporären Fahrplanänderungen und Zugausfällen im Juni und Juli.

Zur Story