Keiner ist länger im Geschäft als er. Seit über 23 Jahren lockt Conan O’Brien mit seiner Late-Night-Show ein Millionenpublikum vor den Fernseher. Es gibt kaum einen Star, der nicht schon bei ihm auf der TV-Couch sass. Zeit für Interviews hat er selten, macht für die «Schweiz am Wochenende» aber eine Ausnahme.
«Er steckt noch im Stau», sagt O’Briens Assistentin beim ersten Anruf nach Los Angeles. 15 Minuten später ist er am Apparat: «Hi, hier ist Conan.» Er spricht über Satire in Zeiten von Trump, humoristische Tabus – und Sex-Parkplätze in Zürich.
Herr O’Brien, Sie wuchsen in einer
irisch-katholischen Familie auf, Ihr
Vater war Arzt, Ihre Mutter Anwältin,
Sie selbst studierten in Harvard.
Heute verdienen Sie Ihren
Lebensunterhalt mit Albernheiten.
Was ist schiefgelaufen?
Conan O’Brien: Mein Vater sagt immer,
ich verdiene mein Geld mit etwas,
wofür ich eigentlich in ärztliche
Behandlung gehöre. Aber ich albere
eben gern herum. Ich hatte schon als
Kind eine lebhafte Fantasie und liebe
die Comedy, seit ich denken kann.
Weil aber niemand aus meiner Familie
im Showbusiness war, dachte ich, eine
eigene Sendung werde immer nur ein
Traum bleiben.
Wann änderte sich das?
Ironischerweise war es die Elite-Universität
Harvard, die mich zum Comedian
machte. Ich habe hart gearbeitet,
habe viel gelesen und war ein guter
Schüler. Doch als ich nach Harvard
ging, fiel mir nach wenigen Tagen
«The Lampoon» in die Hände, das Satiremagazin
der Studenten. Ich begann
für das Heft zu schreiben, von da an
wusste ich: Das will ich mein Leben
lang machen.
Will Ihr Vater Sie noch immer in
Behandlung schicken?
Ich habe etwas gelernt: In dem Augenblick,
in dem man seine eigene Miete
bezahlen kann, ist den Eltern der Beruf
ihrer Kinder egal. Wenn ich ihnen
gesagt hätte, ich bin eine männliche
Prostituierte, hätten Sie entgegnet: Na
ja, zumindest verdienst du gut.
Nun arbeiten Sie seit über 20 Jahren
als Moderator einer Late-Night-Show
und kennen die Höhen
und Tiefen des Business wie kaum
ein anderer. Wie hat Donald Trump
die Satire verändert?
Viele Menschen kommen auf mich zu
und sagen, ach, muss das für dich einfach
sein, jetzt, da Trump Präsident
ist. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es
ist unheimlich schwer, über etwas Witze
zu reissen, das an sich schon völlig
bizarr ist. Als ob Sie Witze über eine
Ente schreiben müssten, die Skianzug
und Sonnenbrille trägt. Das ist dermassen
lächerlich, wie kann ich da
noch einen draufsetzen?
Also haben Sie nicht gefeiert, als
Trump Präsident wurde?
Ich bin zwar ein Narzisst, aber ich
würde nie meine Comedy über das
Wohl der Welt stellen. Ohnehin liegt
mir alberne Comedy besser als politische
Satire. Ich will Witze erzählen,
die auch in zehn Jahren noch lustig
sind und keine zeitliche Referenz brauchen.
Guter Humor ist universell.
Besteht die Gefahr, dass durch die
vielen Scherze der Late-Night-Shows
Absurditäten der US-Regierung
irgendwann als völlig normal
angesehen werden?
Unser Land ist tief gespalten. Late-Night-Shows
können keine Wähler umstimmen.
Wer Trump wählt, schaut
sich unsere Sendung gar nicht an.
Wenn ich nach der Show nach Hause
fahre, mache ich mir einen Spass daraus,
zwischen dem konservativen Radiosender
von Fox und dem der liberalen
MSNBC hin und her zu schalten.
Ich wähne mich dann in zwei komplett
unterschiedlichen Welten, obwohl beide
Sender über die gleichen Ereignisse
berichten. Tatsache ist: Donald Trump
ist unser Präsident, das gilt für beide
Seiten.
Haben Sie Trump schon in Ihre
Sendung eingeladen?
Nein, er würde nie kommen, weil er
Witze auf seine Kosten nicht erträgt.
Trotzdem war er früher mehrmals
bei Ihnen.
Das waren andere Zeiten. Damals hat
er sogar kurze Sketches für uns gemacht.
Die Witze, die wir für ihn geschrieben
haben, hat er ganz gut rübergebracht.
Wissen Sie, es ist interessant:
Im persönlichen Umgang versucht
Trump alles, um zu gefallen. Er will,
dass man ihn mag. Aber wenn er
merkt, dass Sie ihn nicht mögen, will er
nichts mehr mit Ihnen zu tun haben.
Sie haben auch Barack Obama
mehrmals getroffen, wurden von
ihm sogar als Redner ans traditionelle
Korrespondenten-Dinner in Washington
D. C. eingeladen. Wie hat er
auf Sie gewirkt?
Obama ist der coolste Typ im Raum. Immer.
Er ist belesen, selbstsicher und
macht auch mal einen blöden Spruch.
Zum Korrespondentendinner habe ich
meinen Bruder mitgenommen. Vor der
Veranstaltung durften alle den Präsidenten
treffen. Wir stehen also in einer langen
Schlange und warten auf Obama.
Als er den Raum betritt und mich sieht,
ruft er durch den ganzen Saal: «Hey, Conan,
dein Bruder sieht viel besser aus
als du.» Das war gute Comedy.
Für Ihre eigene Show reisen Sie regelmässig
um die Welt. Sie waren
schon in Südkorea, Finnland und
Mexiko. Kürzlich besuchten Sie Berlin.
Wie gross sind die kulturellen
Humorunterschiede?
Ich spreche lieber über die Gemeinsamkeiten.
Humor ist überall, er verbindet
und gibt einem die Chance, neue Menschen
kennen zu lernen. Viele können
über mich lachen, weil ich ähnlich bin
wie Mr. Bean: Ein alberner Outsider, der
verzweifelt versucht, sich anzupassen.
Es macht mich glücklich, wenn ich Leute
so zum Lachen bringen kann. Humor
ist dann fast wie Diplomatie, sehr verbindend.
Haben Sie sich überlegt, mit Ihrer
Show in die Schweiz zu kommen?
Ich würde liebend gern kommen. Wir
haben eine Liste von Ländern, die wir
besuchen möchten. Darauf ist auch die
Schweiz. Nach Mexiko gingen wir wegen
der aktuellen Stimmung in den USA und
der Diskussion um die Grenzmauer. Es
bedrückte mich sehr, dass viele Mexikaner
glauben, die Amerikaner seien ihnen
böse.
Was haben Sie ihnen gesagt?
Dass sie nicht auf diese eine Person hören sollten und dass es sehr viele Amerikaner
gibt, die Mexiko und die Kultur
des Landes lieben. Die Show vor Ort gab
uns und ihnen die Möglichkeit, diese
Frustration komödiantisch zu verarbeiten.
Wenn Sie in die Schweiz kämen,
könnten Sie vielleicht Roger Federer
treffen.
Das wäre toll, und ich könnte mir eine
Schweizer Uhr kaufen.
Sie haben aber auch schon einige
Witze auf Kosten der Schweiz gemacht.
Habe ich das wirklich?
Ja. Sie meinten, wir Schweizer liebten
vor allem unsere Schokolade, unser Geld – und die Verrichtungsboxen
in Zürich.
Stimmt (lacht). Wobei, wenn ich das so
höre, dann sind das doch keine Beleidigungen,
sondern Komplimente. Da
sprach die Eifersucht aus mir. Überhaupt:
Ihr habt auch wunderschöne
Frauen. Wenn ich mir das so überlege,
Schokolade, schöne Frauen – ich buche
gleich einen Flug in die Schweiz!
Hört Ihre Frau gerade mit?
Nein, weil ich wusste, dass unser Gespräch
diese Richtung nehmen würde,
also verbat ich ihr, in meiner Nähe zu
sein.
Kennen Sie eigentlich einige Schweizer
Komiker?
Leider nicht, es ist noch keiner in unserer
Show aufgetreten. Aber wenn
wir tatsächlich in der Schweiz drehen
sollten, würde ich liebend gern einige
eurer Comedians kennen lernen.
Wenn Trump die Schweiz so beleidigt
wie Mexiko, bin ich sofort bei euch.
Sie erinnern sich aber bestimmt an
den deutschen TV-Satiriker Harald
Schmidt.
Natürlich! Ich liebe Harald.
Obwohl er viele Ihrer Sketche für
seine Late-Night-Show in den 90er-Jahren
geklaut hat?
Ach, das war mir egal. Imitation ist die
ehrlichste Form der Bewunderung. Ich
ging sogar in seine Show, obwohl das
seltsam war. Er stellte mir die Fragen
auf Englisch und übersetzte sie fürs
Publikum. Ich gab wiederum eine lustige
Antwort auf Englisch. Aber das Publikum
reagierte nicht. Erst als Harald
meine Antwort für sie übersetzte, reagierten
die Leute. Aber dann kam
nicht mehr als ein müdes Lächeln.
Dann stimmt das Vorurteil, dass
Deutsche keinen Humor haben?
Nein, nein, das Beispiel zeigt, wie
wichtig Timing in der Comedy ist.
Nach der Sendung ging ich mit Haralds
Witzeschreibern aus. Wir tranken viel
Bier. Sie schenkten mir sogar einen riesigen
Krug in Form eines Deutschen
Schäferhundes. Das war toll.
Sie selber haben in den frühen
90er-Jahren für die Zeichentrickserie
«Die Simpsons» Episoden geschrieben.
Die Sendung feiert gerade
ihr 30-Jahr-Jubiläum. Was ist Ihr
Erfolgsgeheimnis?
Erstens altern die Figuren nicht, weil
sie animiert sind. Bart ist seit 30 Jahren
11 Jahre alt und …
… Bart ist doch zehn.
Zehn, elf, was weiss ich? Sehen Sie,
das ist so was von schweizerisch von
Ihnen. Ich sagte, er sei elf, und Sie
wollen über ein paar Monate Altersunterschied
streiten. So sind die Schweizer.
Später fragen wir Sie auch nach Ihrer
Steuererklärung.
Das dachte ich mir. Ihr habt ja sicher
schon alle meine Kontoinformationen.
Mein ganzes Geld liegt in der Schweiz.
Und in der Karibik.
Zurück zu den «Simpsons» …
… ach ja, das Erfolgsgeheimnis. Ich
glaube, es sind die talentierten Schauspielerinnen und Schauspieler, die den
Figuren ihre Stimmen leihen. Das können
sie machen, bis sie 80 Jahre alt
sind. Solange die Drehbücher scharfsinnig
bleiben, kann die Serie ewig
weiterlaufen.
Dachten Sie damals, die Serie würde
so lange existieren?
Niemals. Manchmal besuche ich die
Drehbuchschreiber. Viele von ihnen
sind immer noch die gleichen wie damals,
einfach mit weissen Haaren. Sie
sitzen dort wie in einem kalten, dunklen
Kerker und flehen mich an, bei ihnen
zu bleiben.
Geben Sie Ihnen Tipps für neue Geschichten?
Nur wenn sie mir genügend bezahlen.
Wer war Ihre Lieblingsfigur bei den
«Simpsons»?
Zweifellos Mr. Burns. Er ist der Traum
eines jeden Witzeschreibers. Er ist gemein,
stinkreich und uralt. Man kann
schreiben, er habe schon im 19. Jahrhundert
gelebt, er kann sich einen teuren
Bunker oder Roboter kaufen, und
er kann die fiesesten Dinge machen.
Grossartig!
Schauen sich Ihre Kinder die «Simpsons»
an?
Früher nie. Aber vor sechs Monaten
hat mein Sohn per Zufall eine Episode
bei einem Freund gesehen, und er
liebte die Folge. Jetzt schaut er die
Simpsons fast nonstop – sofern er am
nächsten Tag nicht zur Schule muss.
Plötzlich hat er deutlich mehr Respekt
vor mir, und er zitiert oft Passagen aus
Episoden, die ich geschrieben habe,
an die ich mich selber gar nicht mehr
erinnern kann.
Finden Ihre Kinder Sie lustig?
Ja, durchaus. Ich bin zu Hause ziemlich
albern. Meine Tochter ist jetzt 13,
und ich bringe sie immer noch zum
Lachen. Aber manchmal verdreht sie
auch nur die Augen, wenn ich versuche,
komisch zu sein. Teenager sind
das strengste Publikum.
Gibt es etwas, über das Sie nie Witze
machen würden?
Auf jeden Fall. Ich sehe absolut nichts
Lustiges an der aktuellen Situation in
Syrien. Natürlich kann jemand einen
Witz darüber schreiben. Aber wieso
sollte man so etwas überhaupt versuchen?
Es gibt Tragödien auf dieser
Welt oder in der Geschichte, bei denen
ich gar nie erst an einen Witz denken
würde. So auch Syrien, das ist einfach
nur schrecklich.
Möchten Sie noch etwas anderes in
Ihrer Karriere machen, oder treten
Sie erst im hohen Alter von der
Late-Night-Bühne ab?
Ich bleibe, wo ich bin. Ich bin wie ein
Wein, der mit dem Alter besser wird.
Ich sollte vor 2050 nicht geöffnet werden.
Erst dann bin ich auf dem Höhepunkt
meines Schaffens. Dann moderiere
ich nicht mehr die Emmys, sondern
die Oscars, auch wenn man mich
bisher nicht gefragt hat.
Mit derselben markanten Frisur
wie heute?
Selbstverständlich. Ich habe sie vor
Jahren erneuern lassen. Sie besteht
jetzt nur noch aus Plastik. Mein ganzer
Körper ist übrigens komplett neu. Von
meinem früheren Ich ist nur ganz wenig
übrig. Ich habe ein grosses Ärzteteam,
das sicherstellt, dass ich auch
2050 genau gleich aussehe. Aber sollten
Sie mich je berühren, sterbe ich
auf der Stelle.
Wen möchten Sie bis 2050 als Gast
begrüssen?
Die meisten Stars, die ich einmal einladen
wollte, kamen bereits einmal in
die Sendung. Ich finde es spannend,
neue, junge Menschen zu treffen, die
mich mit ihrem Talent überraschen.
Die Person, die ich in Zukunft gern bei
mir in der Sendung haben möchte, ist
heute wahrscheinlich ganze fünf Jahre
alt.
Und welcher Gast hat Sie in all den
Jahren am meisten beeindruckt?
Da gab es einige. Sting hat ein gutes
Gespür für Pointen. Oder die Jungs
von der Band U2. Alle wollten in Sketches
mitspielen. The Edge war hinter
der Bühne und versuchte, selber Witze
zu schreiben. Wir tranken Guinness
zusammen. Ich finde es immer toll,
wenn solche Stars, solche Ikonen, sich
wie kleine Kinder freuen und einfach
nur Spass haben wollen.
Unbedingt Trump calls Obama auf Youtube eingeben und schauen. Alle Folgen. Jetzt. Los!