«Das war sehr unvorsichtig von der Frau, das war sehr dumm. Der Präsident ist sehr sensibel, wenn er Kameras sieht.» Die Worte stammten 2006 von Äquatorialguineas Minister für Nationale Sicherheit Manuel Nguema Mba. Angesprochen wurde er vom «Spiegel» auf einen Vorfall, bei dem eine amerikanische Touristin es sich erlaubte, den Konvoi des Präsidenten zu fotografieren. Sie wurde vom Sicherheitspersonal daraufhin hinten auf einen Jeep geworfen, durchsucht, der Kamera entledigt und wieder auf die Strasse gesetzt.
Fotografieren ist im kleinen Land offiziell nur erlaubt, wenn man sich im Ministerio de Turismo die entsprechende Bewilligung eingeholt hat. Diese kostet eigentlich 60 Franken. Meist aber mindestens 160. Warum auch immer. Öffentliche Einrichtungen (selbst Brücken gehören dazu) dürfen jedoch auch mit Bewilligung nicht fotografiert werden.
Ich will mir also so eine Bewilligung holen. Denn auf Reiseforen berichten einige Touristen, welche erwischt wurden, wie sie stundenlang mit der Polizei verhandeln, Busse bezahlen und natürlich die Bilder löschen oder die Kamera abgeben mussten. Alleine herauszufinden, wo das Tourismusbüro sich befindet, ist eine Mission. Ich werde zum Kulturzentrum geschickt. Öffnungszeiten gibt es nicht, man rät mir nicht vor 9.30 Uhr dort zu erscheinen. Ich treffe um 8 Uhr ein. Das Gebäude ist bis auf einen jungen Mann, der in der Stille lernt, leer. Ich überprüfe alle Türen. Ministerio de Turismo steht nirgends – dafür das nationale Koordinations-Büro für die Miss-Welt-Tourismus-Wahlen 2013. Hat zwar mit Fotografieren zu tun, aber hier bin ich wohl falsch.
Der junge Mann stellt sich als José Maria vor. Ich habe noch eine zweite mögliche Adress-Beschreibung des Büros. Er meint, er wisse wo das ungefähr ist und müsse in 15 Minuten in die gleiche Richtung. Wir nehmen ein Taxi zusammen. Tatsächlich steht vor einer Wohnsiedlung im Plattenbau-Stil ein Schild mit der Aufschrift Ministerio de Turismo. Ich frage erst Passanten und Taxifahrer, ob sie vom Amt wüssten, alle verneinen, so mache ich mich halt auf die Suche. In einem Hauseingang sehe ich ein kleines Schild. Tatsächlich: Hier muss es sein. Mittlerweile ist es 9 Uhr.
Die Räumlichkeiten befinden sich in einem Wohnblock, die Türe ist offen, aber niemand scheint hier zu sein. Erst im Büro der Sekretärin sitzt jemand am Platz. Oder besser gesagt: Schläft die Mitarbeiterin am Pult. Ich wecke sie auf und sie braucht erst einige Augenblicke, um zu realisieren, wo sie sich befindet. «Ich habe Kopfschmerzen und Fieber. Eigentlich will ich heim, aber dafür muss erst meine Chefin kommen», klagt sie. Aber ja, ich soll doch mal mein Anliegen aufschreiben und alle Orte, welche ich besuchen möchte. Sie könne die Bewilligung vorbereiten und ihre Chefin unterschreibt dann, sobald sie kommt. Dies wird frühestens um 11 Uhr der Fall sein. Mir wird ein Fresszettel gereicht.
Als ich diesen zurückgebe, meint sie: «Oh, so viele Orte (es sind fünf). Das geht natürlich nicht.» Warum nicht? «Ja, weil es wohl nicht geht.» Ich bleibe hartnäckig, denn von anderen Reisenden habe ich erfahren, dass die Bewilligung normalerweise nicht ganz so schwierig zu bekommen sei. Es dauere einfach einen bis drei Tage. Ich brauch das Ding spätestens in zwei Tagen, dann reise ich aufs Festland weiter. Sie meint mit gequältem Blick, dass sie es versuchen werde.
Beim Rausgehen ruft sie noch nach: «Du musst jetzt bezahlen.» Ich erkläre, dass ich gerne bezahle, wenn ich die Bewilligung erhalte. Sie weigert sich erst einen Finger zu rühren, ehe sie Geld sieht. Nach weiteren Diskussionen meint sie: «Okay, ich mache eine Ausnahme. ich rufe dich an, sobald alles bereit ist.» Auf den Anruf warte ich noch immer.
Wenig später erzählt mir der Hotel-Manager des Hilton, dass diese Bewilligung in seinen Augen herausgeworfenes Geld sei: «Lass dich am besten einfach nicht erwischen. Und wenn, dann kannst du das Geld für die Bewilligung dann investieren, um die Busse zu bezahlen.»
Ganz so geheuer ist mir mit dem Tipp des Hilton-Mannes nicht. So rufe ich Angel (ihr erinnert euch, mein Amigo vom Flughafen) an, ob er einen Rat habe. Angel erklärt sich bereit, am nächsten Tag mit mir aufs Tourismus-Büro zu kommen. Er kenne da jemanden. Eingetroffen erkennt mich die Sekretärin sofort wieder und verspricht mir, sich sogleich an meine Bewilligung zu machen. Angel lässt sie links liegen: «Wir wollen zum Vize-Chef.» Dieser ist mit ihm aufgewachsen und kümmert sich gleich um uns. Seine persönliche Sekretärin erledige dies. «Die von gestern hat überhaupt nichts zu melden.»
Er liest mir die Bedingungen vor. 30’000 Franc (ca. 60 Franken) für die «Reisebewilligung», um überhaupt im Land herumzureisen. Weitere 50’000 Franc (ca. 100 Franken) pro Ort, an welchem ich fotografieren möchte. Macht bei meinen fünf Zielorten umgerechnet 560 Franken. Ich sage, das sei mir zu viel. Da erklärt der Herr Vize-Tourismusdirektor todernst: «Wenn du die Fotos heim bringst, kannst du die verkaufen. Das ist wie eine Lizenz, um sie zu verkaufen. Das leuchtet dir auch ein, oder?» Ich überlege einige Sekunden und sage dann so ehrlich wie möglich: «Nichts hat mir jemals mehr eingeleuchtet.»
Als ich jedoch erwähne, dass ich nur mit meinem Smartphone fotografieren möchte und keine Kamera mit dabei habe, meint der Vize-Tourismusdirektor, dass ich in dem Fall keine Bewilligung benötige. Ich dürfe einfach keine militärischen oder polizeilichen Einrichtungen knipsen. Weil ich gehört habe, dass es es bei den häufigen Polizei-Checkpoints abschreckend wirkt, wenn man die Visitenkarte eines hohen Tiers vorweisen kann, frage ich ihn noch nach seiner Karte, welche er mir freudig aushändigt.
So bleibe ich ohne Bewilligungen und werde weiterhin illegal fotografieren. Allerdings hab ich neben den Beteuerungen des Vize-Tourismusdirektoren auch noch die Akkreditierung. Wie ich von anderen Journalisten höre, bewirkt diese Wunder und ausserdem seien die Polizeikontrollen während dem Afrika-Cup stark zurückgegangen, wie Einheimische versichern. Um den Präsidenten-Konvoi werde ich allerdings trotzdem einen grossen Bogen machen.