Sekunden nach dem Schlusspfiff des Finals der Champions League eilt Cristiano Ronaldo in Richtung Haupttribüne. Er zieht sein Trikot aus, jeden Zuschauer kribbelt's im Bauch: «Kann ich es auffangen, wenn er es wirft?»
Es kommt nicht dazu. Der Portugiese steuert auf ein Ziel zu, das er längst ausgemacht hat. Er deutet auf einen Fan, signalisiert: Für dich ist das Trikot. Sofort ist der Auserkorene an der Bande, CR7 reicht ihm die rechte Hand und hilft ihm, auf den Platz zu gelangen.
Dort umarmt Ronaldo den Mann, dem Beobachter ist klar: Ein gewöhnlicher Fan ist das nicht. Aber wer ist es? Nach tagelangem Rätseln kursiert nun eine Geschichte, die schon seit einiger Zeit durch Internetforen und Blogs geistert. Sie ist erfunden – und zwar so gut, dass es wert ist, sie nachzuerzählen.
Beim von Cristiano Ronaldo umarmten Mann im Estadio da Luz handelt es sich um Albert Fantrau, einen Jugendfreund des Superstars. In einem Interview erzählte CR7 vor einigen Jahren davon, dass er seine ganze Karriere nur Albert zu verdanken habe.
Gemeinsam spielten die beiden in der Akademie von Andorinha auf der Insel Madeira. Eines Tages seien Scouts von Sporting Lissabon gekommen, um ein Spiel zu beobachten. Sie hätten den Jungs mitgeteilt, dass derjenige, der die meisten Tore schiesst, einen Platz im Nachwuchs des Hauptstadtklubs erhält.
«Wir haben das Spiel 3:0 gewonnen», erzählte Ronaldo im erwähnten Interview. «Ich habe das erste Tor erzielt, Albert das zweite mit einem grossartigen Kopfball. Das dritte Tor war dann unglaublich», erinnerte sich der Goalgetter von Real Madrid.
Er beschrieb: «Albert lief alleine auf den Goalie zu, umkurvte ihn und hätte den Ball nur noch ins leere Tor schieben müssen. Stattdessen passte er ihn zu mir – ich war mitgelaufen –, so dass ich meinen zweiten Treffer machte und den Platz bei Sporting erhielt». Nach dem Spiel habe er Fantrau gefragt, wieso er nicht selber geschossen habe, und er habe ihm geantwortet: «Weil du besser bist als ich.»
Als Journalisten dieses Interview lasen, stöberten sie Albert Fantrau auf und fragten ihn, ob diese unglaubliche Story stimme. Er bejahte. Zudem erzählte er, dass er seine eigene Fussballkarriere kurze Zeit nach dem besagten Spiel beendet habe und arbeitslos sei.
Fantrau schien jedoch ein wohlhabender Mann zu sein. Woher er das schöne Haus und das tolle Auto habe, fragten also die Reporter. Die Antwort: «Es ist alles von Cristiano Ronaldo!»
Eine wunderschöne Geschichte, nicht wahr? Der Haken: Das Spiel soll mit der U18-Mannschaft von Andorinha stattgefunden haben. Dabei wechselte Ronaldo schon als Zwölfjähriger zu Sporting, spielte mit 18 Jahren bereits für Manchester United. Ausserdem lässt sich keine seriöse Quelle finden, die über Ronaldos Verhältnis zum angeblichen Jugendfreund Fantrau berichtet hat.
Und wer war nun der Mann wirklich, dem Cristiano Ronaldo am späten Samstagabend in Lissabon sein Trikot geschenkt hat? Es war sein Bruder, Hugo Aveiro.
Die beiden hatten offenbar bei der Verleihung des Titels zum Weltfussballer des Jahres folgende Vereinbarung getroffen: Wenn Ronaldo mit Real Madrid die Champions League gewinnt, trinkt Hugo keinen Alkohol mehr. Wie ihr Vater, der als Säufer schon mit 51 Jahren starb, soll auch Hugo öfters tief ins Glas geschaut haben. Diese Geschichte sei wahr, betont La Repubblica.