Rückblende: Olympische Spiele von Peking 2008. Roger Federer ist im Einzel der grosse Favorit auf den Olympiasieg. Doch bereits im Viertelfinal platzt gegen James Blake der grosse Goldtraum. Doch mit Stan Wawrinka kämpft sich der Baselbieter in der Doppel-Konkurrenz mit einem Halbfinal-Sieg gegen die Bryan-Brothers bis in den Final.
Dort ringen «Fedrinka» das schwedische Duo Simon Aspelin/Thomas Johansson in vier Sätzen nieder und holen Gold. Wie «heiss» Wawrinka damals ist, zeigt Federer dem Publikum, indem er seine zitternden Hände über seinen «brennenden» Kumpel hält.
Lille 2014: Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen vor sechs Jahren. Wieder ist es Federer, der vor dem Davis-Cup-Final gegen Frankreich mit Problemen zu kämpfen hat. Sein Rücken streikt. Doch Stan holt am ersten Tag die Kohlen aus dem Feuer. Dank seinem Sieg gegen Jo-Wilfried Tsonga ist die Affiche nach Tag 1 und Federers Klatsche gegen Gaël Monfils noch offen.
Nach den beiden Einzeln legen die Schweizer fest, dass nicht Marco Chiudinelli und Michael Lammer – wie zunächst vorgesehen – das Doppel bestreiten, sondern die Olympia-Helden von Peking. Obwohl sie zuletzt zusammen vier Davis-Cup-Doppel in Folge verloren haben. Es ist dennoch die richtige Entscheidung, wie sich im Nachhinein zeigt.
Der bestens aufgelegte Wawrinka reisst Federer, der zunächst nicht richtig in Schwung kommen will, von Beginn an mit. Wie in Peking passt einfach alles zusammen. Jeweils ein Break reicht am Schluss zum ungefährdeten 6:3, 7:5, 6:4-Sieg.
Federers Rücken? Macht keine Probleme. Wundertüte Wawrinka? Spielt so beständig wie nie. Auch wenn Federer den Vergleich mit Peking scheut, sagt er: «Das war auf alle Fälle eines der besten Doppel, das wir je zusammen spielten. Es passte alles zusammen. Wir spielten wie ein perfekt harmonierendes Doppel und nicht wie zwei gute Einzelspieler.»
Die beiden Schweizer setzen die Tipps von David McPherson, dem von Severin Lüthi eingeflogenen Coach der Bryan-Zwillinge perfekt um und haben sogar die Musse, sich nach den Ballwechseln schmunzelnd darüber zu amüsieren, was ihnen jetzt wieder Tolles gelungen ist.
«Wir haben uns über die schönen Punkte gefreut. Wenn Stan zum Beispiel wieder einen Return reingepfeffert hat», erklärt Federer. «Wenn du vorne bist, bist du natürlich auch entspannter. Aber das zeigt auch, was für eine gute Stimmung wir im Team haben.»
Die Lockerheit, mit der die beiden nach der Partie im Presseraum Red und Antwort standen, war erfrischend. Der Geist von Peking scheint durch das Stade Mauroy von Lille zu fliegen. Kein Anzeichen mehr davon, dass im Team Unstimmigkeiten herrschen könnten.
Dass sich Wawrinka nach dem epischen Halbfinal bei den World Tour Finals über Zwischenrufe von Federers Ehefrau Mirka geärgert hat, ist längst vergessen. Der Romand wirkt ausgesprochen locker, blüht in seiner Rolle förmlich auf. «Ich fühle mich grossartig, habe viel Selbstvertrauen getankt», sagt er. Immer noch ist da ein Grinsen in seinem Gesicht.
Noch fehlt aber ein Sieg zum Gewinn der «hässlichsten Salatschüssel der Welt». Ob Stan die Chance bekommt, auch den dritten Punkt für die Schweiz einzufahren, hängt von Federer ab. Er trifft in der vierten Partie auf Jo-Wilfried Tsonga, wenn sich die Franzosen nicht noch umentscheiden.
Sollte der «Maestro» patzen, wäre Wawrinka an Reihe. Dann könnte ausgerechnet das «Cry Baby» von London, seinem Kumpel Federer den letzten grossen Titel sichern, der diesem in seinem Palmarès noch fehlt.