Im Fall der russischen Olympiasiegerin Kamila Valieva sieht US-Dopingjäger Travis Tygart schwere Versäumnisse. Die Verzögerungen bei der Analyse des Dopingtests der Eiskunstläuferin vom Dezember «hätten nie passieren dürfen», sagte der Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada bei «Yahoo Sports».
Der positive Befund auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin war nach Angaben der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada erst am 7. Februar, also kurz nach dem olympischen Team-Wettbewerb, vom Stockholmer Testlabor übermittelt worden. Dies sei «unentschuldbar» und ein «katastrophaler Fehler des Systems», schimpfte Tygart.
Die Rusada hatte die aktuelle Corona-Situation und erkranktes Laborpersonal als Gründe für die Verzögerungen bei der Auswertung des Tests genannt. Das glaube er nicht für eine Sekunde, versicherte Tygart. «Schickt es doch an ein anderes Labor, wenn so etwas auftritt», fügte der Doping-Ermittler hinzu, der einst auch den Radstar Lance Armstrong überführt hatte.
Für gewöhnlich würden Anti-Doping-Behörden solche Testauswertungen vor grossen Wettbewerben sogar beschleunigen, um Szenarien wie nun bei den Winterspielen zu verhindern. Wegen des Dopingfalls Valieva ist offen, ob die Russen das Team-Gold behalten dürfen und ob die Topfavoritin eine Starterlaubnis für den Einzel-Wettkampf erhält.
Die Rusada hatte die am 8. Februar verhängte vorläufige Sperre gegen die 15 Jahre alte Eiskunstläuferin einen Tag später nach einem Einspruch Valievas wieder aufgehoben. Dagegen legte die Internationale Test-Agentur im Auftrag des IOC Berufung ein. Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur geht gegen den Rusada-Entscheid vor.
Der Internationale Sportgerichtshof CAS versicherte am Samstag, dass der Entscheid am Montag getroffen werde und damit rechtzeitig vor der Einzelkonkurrenz am Dienstag, für die Valieva als Favoritin gilt. Die Beratungen in dem Fall nehme das Gremium, das aus drei Schiedsrichtern besteht, am Sonntagabend Ortszeit in Peking auf.
Derweil sprach sich das IOC für Ermittlungen auch im Umfeld von Valieva aus. «Wir würden da eine harte Linie begrüssen. Auf die Entourage sollte in diesem und allen anderen Fällen geschaut werden», sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Samstag in Peking. Zum Umfeld von Sportlern seien zum Beispiel Trainer, Ärzte und Eltern zu zählen. «Das ist bei einigen früheren Fällen übersehen worden», so Adams.
Die angesprochene Trainerin Eteri Tutberidse, die in Russland in den Fokus gerät, nahm ihre Athletin in Schutz genommen. «Ich möchte sagen, dass ich absolut sicher bin, dass Kamila unschuldig und sauber ist», sagte Tutberidse im russischen Staatsfernsehen. Es gebe viele Fragen und wenige Antworten. «Wir hoffen wirklich, dass die Gerechtigkeit siegen wird», erklärte die Trainerin.
Es sei «sehr merkwürdig», dass Valieva Fall erst während der Olympischen Spiele zur Sprache gekommen sei, kritisierte Tutberidse weiter. «Entweder ist dies ein fataler Zufall oder ein gut ausgeklügelter Plan.»
Auch Russlands Sportminister Oleg Matyzin zeigte sich überzeugt davon, dass die junge Sportlerin «absolut unschuldig» sei. Er habe selbst zwei Mal mit Valieva telefoniert, sagte Matyzin der Agentur Interfax zufolge. «In ihrer Stimme liegt Optimismus und Energie.» (sda/dpa)