Die Kurzarbeit ist ein gesetzliches Mittel, um einem Unternehmen in Zeiten der Krise das Überleben und den Erhalt der Arbeitsplätze zu ermöglichen. Der Staat (die Arbeitslosenkasse) bezahlt bei vorübergehender Einstellung der Arbeit 80 Prozent des Lohnes.
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die restlichen 20 Prozent des Lohnes zu bezahlen. Da es um eine Lohnkürzung geht, muss der Arbeitnehmer mit der Einführung der Kurzarbeit einverstanden sein. In normalen Zeiten ist Kurzarbeit nur für drei Monate möglich. Weil wir jetzt nicht in normalen Zeiten leben, hat der Bundesrat diese Frist auf sechs Monate verlängert.
So gesehen wäre also diese Regelung eigentlich eine spürbare Entlastung für die Profiklubs im Fussball und Eishockey. Bei einer Jahres-Gesamtlohnsumme von 15 Millionen könnte beispielsweise im Monat eine Million eingespart werden.
Nun gibt es tatsächlich Einfaltspinsel, die verkünden, die armen, armen Profis müssten bei Einführung von Kurzarbeit auf 20 Prozent ihres Einkommens verzichten. Bei einem Jahreslohn von 200'000 Franken wäre das ein Verzicht auf immerhin 40'000 Franken oder gut 3'300 Franken pro Monat.
Für einen der zahlreichen Topverdiener mit einem Salär von 500'000 Franken wären es gar 100'000 Franken oder 8'300 Franken im Monat. Da wäre ein wenig jammern und das Sträuben gegen die Kurzarbeitsregelung noch einigermassen verständlich.
So ist es aber ganz und gar nicht. Die Kurzarbeitsregelung gilt nämlich «nur» für einen Jahreslohn von 148'000 Franken oder 12'300 Franken im Monat. Was darüber ist, muss der Arbeitgeber weiterhin zu 100 Prozent bezahlen. Der Klub muss zudem bei der Einführung der Kurzarbeitszeit bestätigen, dass alle einverstanden sind. Keiner kann gezwungen werden, der Kurzarbeitsregelung zuzustimmen.
Selbst Grossverdiener wie Leonardo Genoni müssen also bei Kurzarbeit nur auf 20 Prozent von 148'000 Franken verzichten. Das macht im Monat exakt 2'470 Franken. Wahrlich, ein solcher Lohnverzicht in den Monaten April, Mai und Juni bringt einen Profi mit 200'000 Franken und mehr Jahreslohn nicht in Existenznot. Salopp gesagt: Für die Spieler sind die Folgen der Kurzarbeit eigentlich «Peanuts».
Um den berühmt gewordenen Ausdruck zu verwenden, den einst Hilmar Kopper, der Vorstandssprecher der Deutschen Bank im Rahmen einer Medienkonferenz verwendet hat, um die Folgen der Milliarden-Pleite von Jürgen Schneider für seine Bank zu relativieren.
Das Geschrei wegen eines Lohnverzichtes von 20 Prozent durch Kurzarbeit ist also bei Hockeyprofis geradezu lächerlich. Im richtigen Leben werden hingegen selten 148'000 Franken im Jahr verdient und bei Löhnen von weniger als 100'000 Franken kann ein Lohnverzicht von 20 Prozent für eine Familie tatsächlich existenziell werden. Weil jeder Franken zählt. Auch so gesehen ist die Jammerei eines Sportprofi über Kurzarbeit stossend.
Etwas ganz anderes wäre ein freiwilliger Verzicht auf 20 Prozent des Jahreslohnes. Doch davon sind die Klubs weiter entfernt als von einem Lottogewinn. Der Lohnverzicht müsste erstens freiwillig sein und zweitens, wenn er Sinn machen soll, von allen Spielern geleistet werden – sonst ist der Kabinenfrieden dahin.
Die Erfahrung lehrt, dass es einfacher ist, einer gereizten Löwin das Junge als einem Profisportler in der Schweiz 20 Prozent seines Lohnes zu entreissen. Unvergessen ist beispielsweise das grandiose Theater, als der HC Davos vor 16 Jahren in wirtschaftlicher Existenznot war (ja, das gab es tatsächlich einmal…).
Selbst ein so charismatischer Trainer wie Arno Del Curto in der Blüte seiner Autorität und Macht brachte einen Lohnverzicht aller Spieler nicht zustande – und es waren Stars, die partout nicht verzichten wollten. Einer davon arbeitet heute in einer hohen Position in der Verbands-Administration.
Da es im Eishockey keinen Gesamtarbeitsvertrag gibt (aus diesem Grund ist die «Spielergewerkschaft» im Eishockey nur eine völlig unbedeutende Operetten-Organisation) kann die Liga keine für alle Spieler und Klubs verbindliche Lohnkürzung aushandeln. Am Ende des Tages muss jeder einzelne Spieler einer Lohnkürzung zustimmen. Wer nicht auf Lohn verzichten will, muss nicht.
Wie steht es nun um die Existenznot der Klubs? Der Monat der Wahrheit wird der August.
Kurzarbeit ist erst einmal für drei Monate bis und mit Juni bewilligt. Wenn wir von 25 Profiverträgen ausgehen (für die die Kurzarbeitsregelung ja nur bis 148'000 Franken gilt), dann beträgt die finanzielle Entlastung der Klub-Lohnbuchhaltung rund 300'000 Franken im Monat. Das ist viel Geld, aber im Hinblick auf die wirtschaftliche Existenz eigentlich nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Da die Spieler ab August das Training wieder aufnehmen müssen und zu hundert Prozent arbeiten, wird eine Kurzarbeitsregelung ab August sowieso nicht mehr möglich sein.
Matchentscheidend wird die Entwicklung der Einnahmen. Die Liquidität sichern die Klubs ab Juli durch das Geld aus dem Verkauf der Saisonkarten und der ersten Raten der Sponsoren-Verträge.
In der Regel werden die Rechnungen für die Saisonabos im Mai verschickt. Es zeichnet sich ab, dass es nicht möglich sein wird, schon ab Mai Tickets für eine ganze kommende Saison zu verkaufen. Wahrscheinlich ist im Mai noch nicht einmal klar, ob die Saison wie geplant am 19. September beginnen kann. Und fraglich ist auch, ob das Publikum in Zeiten der Krise das Geld hat, um schon ab Mai Saisonabos zu kaufen. Die Klubs müssen also ab Juni mit erheblich weniger Einnahmen aus dem Aboverkauf rechnen.
Noch wichtiger ist die Frage, ob die Sponsoren (Werbepartner) nach wie vor die Mittel haben, um ihre Verträge zu verlängern bzw. die bestehenden Kontrakte einzuhalten und wie üblich die ersten Raten vor Saisonbeginn zu überweisen.
Das wird bei Zug, den ZSC Lions, Davos und Lugano nicht das Problem sein: Diese Klubs sind im Besitz von Milliardären bzw. haben im Umfeld ihrer Organisation (beispielsweise im «Kristallclub» beim HCD) mehrere Milliardäre. Um es etwas salopp auszudrücken (wofür ich mich sogleich entschuldige): Da wird die Krise aus der Portokasse überbrückt.
Aber für Klubs, die auf die Beiträge von mittleren und kleineren Unternehmern angewiesen sind – und das gilt mehr oder weniger für die restlichen Klubs – kann es eng werden. Die Gefahr ist gross, dass sich durch die Krise die Schere zwischen den Grossen und Kleinen öffnet und die Ausgeglichenheit der Liga verloren geht. Eine Ausnahme ist Lausanne. Dort sind die Besitzverhältnisse unklar.
Nicht ins Gewicht wird die Kürzung der TV-Einnahmen («MySports») durch den vorzeitigen Abbruch der Saison ins Gewicht fallen. Der Rückgang wird pro Klub in der NL für die kommende Saison weniger als 200'000 Franken betragen.
Was gibt es in Zeiten der Krise für Hilfsmöglichkeiten?
Zuerst einmal den Sofortzugriff auf die Kredite für die Gesamtwirtschaft. Die Fussball- und Hockeyclubs sind auch in dieses Programm des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) aufgenommen worden.
Bei der Hausbank gibt es ohne formelles Kreditgesuch einen zinsfreien Sofortkredit in der Höhe von 500'000 Franken, der in der Regel in weniger als einer Stunde bewilligt wird und in 5 Jahren zurückbezahlt werden muss. Der Bund verbürgt diese Kredite.
Wenn dieses Geld nicht reicht, dann ist es möglich, ein Darlehen bis zur Höhe von 10 Prozent des Jahresumsatzes bei der Hausbank zu bekommen. Allerdings braucht es dann ein formelles Kreditgesuch und es werden 0,5 Prozent Zins erhoben. Der Bund verbürgt einen Teil dieser Kredite.
Wenn auch das nicht reicht, gibt es Hilfe aus dem 50 Millionen-Packet, das vom Bundesamt für Sport (BASPO) für den Profisportbetrieb bereitgestellt worden ist. Diese 50 Millionen sind als «lebensrettende letzte Massnahme» für Sportunternehmen – also primär die Proficlubs im Fussball und im Hockey – vorgesehen. Allerdings gibt es hier erst dann Hilfe, wenn alle anderen Möglichkeiten (Kurzarbeit, Kredit vom SECO) ausgeschöpft und Verhandlungen mit den Gläubigern (dazu gehören auch AHV und die Mehrwertsteuer) geführt worden sind.
Alles in allem sehen wir: Bis und mit Juli ist die Existenz der Proficlubs im Hockey noch nicht gefährdet. Auch deshalb, weil sie – anders als im Fussball – die Saison praktisch zu Ende gespielt haben. Der Abbruch der Meisterschaft (Verzicht auf die Playoffs) hat die wirtschaftliche Stabilität nicht beeinträchtigt. Es fehlen nur die Einnahmen aus einem Qualifikations-Geister-Heimspiel. Die Hockeyclubs budgetieren ohne die Playoffs. Weil die Einnahmen aus den Playoffs ungewiss sind.
Aber ab August werden sich die finanziellen Folgen der Krise für die Klubs auswirken. Ist dann nach wie vor offen, ob die Saison am 19. September beginnen kann, geht es an die Existenz.
Und dann müssen auch alle Spieler um ihre Gehälter zittern und haben Grund zum Jammern.