Würde man in Washington D.C. im Weissen Haus anklopfen und fragen, ob man im präsidialen Garten einen Eiskanal aufstellen dürfe, der Secret Service würde einem wohl glatt ein One-Way-Ticket nach Guantanamo buchen.
Was in den USA unvorstellbar ist, ist in Nordirland kein Problem. Denn dort heisst der Regierungschef nicht Barack Obama, sondern Peter Robinson; und der hat offenbar nichts dagegen, wenn in seinem Garten für ein Wochenende eine gigantische «Ice-Skate-Party» stattfindet.
Angeklopft, hat aber auch nicht irgend ein dahergelaufener Nobody, sondern der Event-Dinosaurier «Red Bull». Der Energy-Drink-Hersteller hat dieses Wochenende wieder einmal keine Kosten gescheut und vor dem Regierungssitz der nordirischen Hauptstadt Belfast einen 430 Meter langen Eiskanal aus dem feinen Palast-Rasen gestampft.
Auf 40 Meter Gefälle geht es mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 65 km/h mit Schlittschuhen runter dem Ziel entgegen. Der Track in Belfast ist der schnellste der Crashed-Ice-Geschichte. Dabei müssen die Athleten halsbrecherische Hindernisse wie die «Dutch Mountains», die «Carson Bridge» oder den «Wallride» überwinden. Wenn überhaupt, würde ich mich höchstens nach acht Guiness und mit einem gut aufgeblasenen Schlauchboot diesen Höllenschlund hinunterwagen.
Deutlich mehr Mumm hat da meine irische Journalisten-Kollegin Sinéad. Sie hat den Selbstversuch gewagt. Vor sieben Wochen hat sie sich das erste Mal in ihrem Leben mit Schlittschuhen aufs Eis begeben. Am 3. Advent im Central Park rund um den Christbaum skaten, könnte sie mittlerweile wohl ziemlich graziös.
Doch das hier hat mit Besinnlichkeit und Romantik ziemlich wenig zu tun, wie sie mir mitteilt. «Ob ich Angst hatte? Sogar die Athleten machen sich in die Hosen! Das sagt ja wohl alles.» Wie muss man sich einen solchen Ritt denn vorstellen, hake ich nach. «Wie wenn man motorisierte Skier anhat, welche einen laufend schneller machen. Das Eis ist aalglatt. Du hast eigentlich nichts unter Kontrolle und fliegst ständig um», meint sie. Die blauen Flecken an ihren Beinen könne sie gar nicht mehr zählen. Autsch!
Angst, sollen die Athleten also haben? Davon ist am Teamrennen vom Freitagabend allerdings nichts zu sehen. Vor 17'000 Zuschauern brettern sie den Parcours hinunter, als hätte ihnen am Start der Regierungschef höchstpersönlich einen Klaps auf den Hintern gegeben. Keine Rücksicht auf Verluste, Vollgas!
Only one team could rise to the top. Watch Friday's team highlights video. #Crashedice
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— Red Bull Ireland (@redbullIRE) 22. Februar 2015
Zwei Teams an je drei Fahrern stürzen sich jeweils gleichzeitig den Eiskanal hinunter. Jene Equipe, welche zuerst zwei Fahrer über der Ziellinie hat, qualifiziert sich für die nächste Runde. Insgesamt steigen 32 Teams an diesem Freitagabend ins Rennen. Nach zwei Stunden voller Action, Stürze und Rempeleien kann sich das Team «Living the Dream» als Sieger feiern lassen.
Aus der ganzen Welt sind die Athleten angereist. Im Siegerteam stehen ein Kanadier, ein US-Amerikaner und ein Franzose. Mit von der Partie ist auch Ex-Ski-Profi Alain Baxter. Der Brite, welcher an den Olympischen Spielen in Salt Lake City im Slalom Bronze gewann, stützt Sinéads These, dass der Sport eine Mischung aus Skifahren und Schlittschuhlaufen ist. «Ich bin sowohl ein leidenschaftlicher Skifahrer als auch ein angefressener Hockeyspieler», so der 41-Jährige, «das ‹Crashed Ice› ist für mich die perfekte Kombination dieser Sportarten.»
Armer Barack Obama, er wird wohl nie in den Genuss einer solch spektakulären Show in seinem Garten kommen. Das Gelände vor dem Oval Office wäre sowieso viel zu flach für den Eiskanal. Ganz anders würde dies allerdings in der Schweizer Hauptstadt aussehen. Nur einen Katzensprung vom Bundeshaus entfernt, in der Berner Altstadt unterhalb der «Zytglogge», fällt die Strasse ab in Richtung Aare. Man könnte dort einen Parcours aufstellen, welcher demjenigen in Belfast in Nichts nachstehen würde.
In der eishockeyverrückten Stadt Bern wäre eine krachende Crashed-Ice-Party vorprogrammiert. Würde dann noch ein Team bestehend aus Ivo Rüthemann, Beat Feuz und Reto von Arx an den Start gehen, der Unterhaltungswert wäre maximal. Und ich bin mir sicher, Ueli Maurer würde höchstpersönlich am Start stehen und den Eisgenossen einen Klaps auf den Hintern gehen.