Grüne bringen Solarpflicht für Eigenheim-Besitzer vors Volk
Für die Grünen stand viel auf dem Spiel und es sah nicht gut aus. Eigentlich hatten sie eine Legislatur der Opposition angekündigt und jetzt das: Ende August, vier Monate vor Ablauf der Sammelfrist fehlten ihrem Prestigeprojekt noch mehrere Zehntausend Unterschriften. Die Solarinitiative drohte früh zu scheitern.
«Als uns dies bewusst wurde, setzte eine enorme Mobilisierung ein», sagt Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone gegenüber dieser Zeitung. Jetzt ist klar: «Wir haben die nötigen Unterschriften zusammen.» Rund 125'000 werden aktuell von den Gemeinden beglaubigt, um die Volksinitiative fristgerecht einzureichen. Es ist die erste seit zehn Jahren, welche die Grünen alleine zustande bringen: «Ein wichtiger Moment für unsere Partei», sagt Mazzone.
Und für sie selbst. Ein Scheitern hätte ihre Position arg ramponiert. Auch wenn die Arbeit an dieser Vorlage bereits vor ihrer Zeit als Parteipräsidentin eingesetzt hat, ist es Mazzone, welche die Grünen als ökologische Vetomacht etablieren will. Nicht von ungefähr tingelte Mazzone in den vergangenen Wochen von Standaktion zu Standaktion durch die ganze Schweiz. Der Erfolg gibt ihr Recht: Schon bald dürften die Schweizerinnen und Schweizer über eine allgemeine Solarpflicht abstimmen.
Hausbesitzern bleiben 15 Jahre zur Umsetzung
Eine solche ist der Kern der Initiative. Sie will in der Verfassung festschreiben, dass sämtliche geeigneten Flächen für die Energiegewinnung durch Erneuerbare zur Verfügung stehen sollen. Für Eigenheim-Besitzer bedeutet dies, dass sie binnen 15 Jahren eine Solaranlage aufs Dach schrauben müssen; im Fall von Um- oder Neubau schon vorher. Auch Fassaden dürften von der neuen Solarpflicht umfasst sein.
Die Grünen streben damit an, den grössten Teil der Schweizer Dächer mit Solarmodulen zu überziehen. «Das Potenzial zur Energiegewinnung ist in etwa so gross wie der jährliche Stromverbrauch der gesamten Schweizer Bevölkerung», sagt Mazzone.
Lediglich zwei Einschränkungen sieht der Initiativtext vor. Einerseits sind Häuser ausgenommen, bei denen «die Installation von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien mit überwiegenden Schutzinteressen unvereinbar oder aus anderen Gründen unverhältnismässig ist.» Und auch bezüglich der Frist gibt es eine Härtefallklausel. In «Einzelfällen» könne die Umsetzung bis ins Jahr 2050 hinausgezögert werden. Die Rechnung bezahlen die Hauseigentümer, wobei der Bund «Massnahmen zur finanziellen Unterstützung vorsehen» kann.
Reaktion auf mögliches AKW-Comeback
Die Grünen wollen damit die Solarkraft als das grösste Standbein der Schweizer Energieversorgung neben der Wasserkraft zementieren. Es ist die direkte Antwort auf die Pläne aus den Reihen von FDP und SVP zu einem Schweizer Atom-Comeback. Dieses, wie auch eine allgemeine Solarpflicht, diskutierte das nationale Parlament bereits rund um das Stromgesetz. Um die Vorlage nicht zu gefährden, wurden allerdings beide Vorhaben nicht in das Strom-Paket aufgenommen und gelangen jetzt mithilfe separater Initiativen einzeln vors Volk.
Die Solarinitiative hat ausserdem eine kantonale Blaupause. Im Februar diesen Jahres musste das Berner Stimmvolk über eine sehr ähnliche Vorlage befinden, welche ebenfalls von den Grünen stammte. Der Berner Grosse Rat stellte der Initiative aber einen abgeschwächten Gegenvorschlag gegenüber, der sich auf Parkflächen konzentrierte – und konterte sie damit aus. Die Bernerinnen und Berner nahmen diesen mit einer Zweidrittelmehrheit an, die Solarinitiative erreichte keine 30 Prozent der Stimmen. (aargauerzeitung.ch)
