Der «Fall Niederreiter» ermöglicht einen tiefen Einblick in die komplizierten NHL-Vertragsreglemente. Nicht umsonst umfasst ja der Gesamtarbeitsvertrag zwischen der Spielergewerkschaft und der Liga mehr als 700 kleinbedruckte Seiten.
Der erste NHL-Vertrag («Entry Level Contract») ist stark reglementiert und schreibt Dauer (3 Jahre) und Maximalsalär (weniger als eine Million) vor. Nino Niederreiter hat nun diese drei Jahre gespielt und sich letzte Saison in Minnesota in den Playoffs (13 Spiele/6 Punkte) als «Big Game Player» – als Spieler, der sein bestes Hockey spielt, wenn es drauf ankommt – profiliert.
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— nino niederreiter (@thelnino25) 3. Juli 2014
Ein Stürmer mit den Referenzen und dem Karriere-Potenzial Nino Niederreiters könnte auf dem freien NHL-Spielermarkt 6 bis 8 Millionen Dollar für 3 Jahre verlangen. Aber zurzeit hat der WM-Silberheld gerade mal eine Offerte für ein Jahr und knapp 900 000 Dollar auf dem Tisch. Läuft's dumm, muss er diese schäbige Offerte akzeptieren.
Nino Niederreiter sitzt in der NHL-Vertragsfalle. Nach Ablauf des ersten Vertrages ist er noch nicht «Free Agent». Er kann seinen Arbeitgeber also noch nicht frei wählen. Mit einer sog. «Qualyfing Offer» (qualifizierten Offerte) hat sich Minnesota für ein weiteres Jahr die Dienste von Nino Niederreiter gesichert und musste für diese Offerte das Salär von 810 000 Dollar nur um 10 Prozent nachbessern. Minnesota hat soeben Thomas Vanek (30) auf dem freien Markt für drei Jahre und 19,50 Millionen Dollar verpflichtet und spart nun noch so gerne bei seinem Schweizer Nationalstürmer.
Nino Niederreiter ist ein Jahr zu jung, um das Salär-Schiedsgericht («Arbitration») in seinem Fall anrufen zu können. Er muss also Minnesotas schäbige, aber eben den Reglementen entsprechende Offerte akzeptieren. Das Salär-Schiedsgericht würde seinen Lohn aufgrund seiner Leistungen mit ziemlicher Sicherheit mehr als verdoppeln – die Lohn-Richter orientieren sich jeweils an den Spielern mit vergleichbaren Referenzen.
Nino Niederreiters Agent Andy Rufener steht vor seiner grössten Herausforderung. Es gibt drei Optionen.
– Ein anderer Klub offeriert einen besseren Vertrag. Dann muss Minnesota gleich viel bieten und kann Nino Niederreiter behalten («match the offer»). Nun ist es so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz, dass die General Manager nur in Ausnahmefällen auf diese Weise die Löhne hochtreiben. Pro Saison gibt es auf diese Weise nicht eine Handvoll Transfers. Das Geld wird auf dem Markt der «free agents » verpulvert. Die Chancen auf eine bessere Offerte von einem anderen Klub besteht – aber sie ist relativ gering.
– Nino Niederreiter kann pokern, den jetzt vorliegenden Vertrag vorerst nicht unterschreiben und darauf hoffen, dass Minnesota im Laufe der nächsten Wochen eine bessere Offerte macht. Allerdings muss vor dem 1. Dezember ein Vertrag unterschrieben werden – sonst ist Nino Niederreiter für die ganze NHL-Saison gesperrt. Die Option, durch Verhandlungen einen besseren Vertrag herauszuholen, ist die aussichtsreichste.
– Nino Niederreiter kann den Vertrag mit Minnesota erfüllen. Dann ist er im nächsten Frühjahr «free agent» und bekommt einen seinem Marktwert entsprechenden Vertrag. Mit gleichen Leistungen wie in der abgelaufenen Saison wird dann ein Mehrjahresvertrag – beispielsweise 6 bis 8 Millionen für drei Jahre – möglich sein. Aber nur bei gleichen Leistungen.
Der «Fall Niederreiter» zeigt auf, wie die NHL ausgerechnet auf dem Kontinent der freien Marktwirtschaft die Rechte der Spieler in einer Art und Weise einengen, die in der Schweiz völlig undenkbar ist. Aber diese Einschränkungen sind in gewisser Weise typisch für die nordamerikanische Sportkultur: Die Einschränkungen sind nur ganz unten und für die jungen Spieler so restriktiv.
Wer sich dem System fügt und ohne zu murren durchhält, der hat später beinahe uneingeschränkte Möglichkeiten. Nino Niederreiter fehlt jetzt noch ein Jahr zum ganz grossen Vertrag und den Dollar-Millionen.