Chicago erhält Supertalent Bedard – und die Draft-Lotterie sorgt wieder für Diskussionen
Die diesjährige NHL-Draft-Lotterie war mit grosser Spannung erwartet worden. Schliesslich ging es darum, wer den Nummer-1-Pick und damit das Supertalent Connor Bedard erhält. Doch während nach der Ziehung ein Team jubelt, herrscht vor allem auch grosse Verwirrung und ein gewisser Ärger vor. Darum geht es.
Wer gewann die Draft-Lotterie?
Die Chicago Blackhawks. Das Team hatte mit 11,5 Prozent die drittbesten Chancen auf den Nummer-1-Pick und kletterte so zwei Plätze nach oben.
IT’S A PARTY, IT’S A PARTY, IT’S A PARTY pic.twitter.com/4m3scVrfqf
— Chicago Blackhawks (@NHLBlackhawks) May 9, 2023
Die Anaheim Ducks fielen von dem ersten auf den zweiten und die Columbus Blue Jackets vom zweiten auf den dritten Platz zurück. Ansonsten sorgten die Draft-Resultate nicht für grosse Aufregung – auf den Plätzen vier bis 16 kam es zu keinen Verschiebungen. Die Diskussionen hatten andere Gründe.
Die NHL-Draft-Reihenfolge in der 1. Runde:
- Chicago Blackhawks
- Anaheim Ducks
- Columbus Blue Jackets
- San Jose Sharks
- Montreal Canadiens
- Arizona Coyotes
- Philadelphia Flyers
- Washington Capitals
- Detroit Red Wings
- St. Louis Blues
- Vancouver Canucks
- Arizona Coyotes (Pick von Ottawa)
- Buffalo Sabres
- Pittsburgh Penguins
- Nashville Predators
- Calgary Flames
- Ab hier in umgekehrter Reihenfolge der Playoff-Ergebnisse.
Warum haben nicht alle Freude am Blackhawks-Glück?
Für viele NHL-Fans und -Beobachter ist der Nummer-1-Pick in den Händen der Blackhawks ein Worst-Case-Szenario. Dabei geht es nicht um die sportliche Situation, sondern um den sexuellen Missbrauch von Kyle Beach. Im Herbst 2021 kam ans Licht, dass verschiedene Führungspersonen der Blackhawks die Misshandlung des damaligen Chicago-Prospects durch Video-Coach Brad Aldrich unter den Teppich zu kehren versuchten.
Innerhalb der Organisation rollten Köpfe: General Manager Stan Bowman musste gehen und auch Trainer Joel Quenneville (während des Missbrauchskandals bei den Blackhawks) verlor seinen Job. Die Blackhawks als Klub mussten eine Busse von zwei Millionen US-Dollar zahlen, trugen ansonsten aber keine Konsequenzen.
Das ist der Umstand, der Beobachtern sauer aufstösst. Sie finden, die NHL hätte Chicago aufgrund seiner Fahrlässigkeit Draft-Picks wegnehmen müssen. In der jüngeren Vergangenheit nahm die Liga den Arizona Coyotes Erstrunden-Draft-Picks weg, weil sie vor dem Draft unzulässige Informationen über die Prospects sammelte. Und die New Jersey Devils verloren 2011 ihren Drittrunden-Pick und eine späteren Erstrunden-Pick, weil sie Ilya Kovalchuck einen 17-Jahre-Vertrag anboten, den die NHL daraufhin annullierte.
Arizona: holds predraft workouts, loses 1st rounder
— John Cullen (@cullenthecomic) May 9, 2023
New Jersey: signs Ilya Kovalchuk to a contract that was legal at the time, loses 1st rounder
Chicago: covers up sexual abuse for a decade, Connor Bedard
War alles ein abgekartetes Spiel?
Das Gerücht hält sich seit Jahren hartnäckig: Die NHL bevorzugt in der Draft-Lotterie ihre Lieblingsteams und sorgt dafür, dass sie die besten Picks erhalten. Pittsburgh, Edmonton oder halt eben Chicago. Das ist natürlich blanker Unsinn. Aber die Liga tut sich mit dem undurchsichtigen Modus der Draft-Lotterie auch keinen Gefallen. Das hat auch die diesjährige Ausgabe wieder bewiesen.
Die #1-Chancen in der diesjährigen Draft-Lotterie:
- Anaheim 25,5 %
- Columbus 13,5 %
- Chicago 11,5 %
- San Jose 9,5 %
- Montreal 8,5 %
- Arizona 7,5 %
- Philadelphia 6,5 %
- Washington 6,0 %
- Detroit 5,0 %
- St.Louis 3,5 %
- Vancouver 3,0 %
Es gibt also nur zwei Lotterie-Auslosungen, die restliche Reihenfolge wird anhand der Punkteausbeute in der Regular Season bestimmt. Dies hat zur Folge, dass kein Team mehr als zwei Plätze zurückfallen kann.
Wird bei der Auslosung für den Nummer-1-Pick ein Team auf den Rängen 11 bis 16 gezogen, erhält das schlechteste Team (Anaheim) automatisch den Nummer-1-Pick. Das gezogene Team springt 10 Plätze nach vorne. Mit der zweiten Auslosung wird der Nummer-2-Pick nach dem gleichen Prinzip gezogen. Auch hier kann ein Team maximal 10 Plätze nach vorne springen, die mit der ersten Auslosung definierten Plätze werden aber nicht mehr verändert.
Beispiel: San Jose gewinnt die Draft-Lotterie und stösst von Platz 4 auf 1 vor. Anaheim, Columbus und Chicago rutschen je einen Platz nach hinten. In der 2. Auslosung gewinnt Vancouver auf Platz elf und springt damit auf Platz 2 (nur neun statt zehn Plätze nach oben, weil San Jose fix ist). Und verdrängt Columbus und Chicago um einen weiteren Platz, alle anderen Teams vor ihnen um einen Platz nach hinten.
Die TV-Übertragung und die tatsächliche Auslosung der Picks sind zwei unterschiedliche Dinge. Vor der Übertragung auf ESPN kannten die Verantwortlichen der Teams und des TV-Senders die Resultate bereits. So kam es dazu, dass Moderator Kevin Weekes mit einem Versprecher bereits verkündete, dass Columbus auf den dritten Platz abgerutscht war, bevor die TV-Show offiziell zum dritten Pick kam.
.@KevinWeekes just ripped the hearts out of Columbus fans everywhere pic.twitter.com/Uuv9qFtHzP
— Mr Matthew CFB (@MrMatthewCFB) May 9, 2023
Das ist natürlich Wasser auf den Mühlen der Lotterie-Verschwörungstheoretiker. Am Ende beweist das aber einzig die Unfähigkeit der NHL, ihr Produkt gut zu verkaufen.
Warum ist der Hype um Bedard so gross?
Connor Bedard gilt als bester Nachwuchsspieler seit Connor McDavid. Die kanadische Juniorenliga WHL dominierte er nach Belieben (57 Spiele, 71 Tore und 72 Assists). An der U20-WM schoss er neun Tore und sammelte 14 Assists in sieben Spielen.
Der bald 18-jährige Center liess die NHL-Bosse schon das ganze Jahr über träumen. «Er ist das grösste Talent seit Crosby», sagte ein Funktionär anonym gegenüber «The Athletic». «Er ist ein Generationen-Talent und hat das Jahr für Jahr immer wieder bewiesen», meinte ein anderer.
Der Kanadier ist eine offensive Allzweckwaffe. Sein Schuss ist brandgefährlich. Aber er hat auch die Übersicht und die Passqualität, um einen besser positionierten Mitspieler zu finden, sollte es einen solchen geben. Diese Fähigkeit kombiniert Bedard mit blitzschnellem, wendigem Skating und einem überdurchschnittlichen Ehrgeiz. Er will nicht nur gewinnen, er will der sein, der in wichtigen Momenten ein Spiel entscheidet. Zudem ist er ein giftiger Spieler, der auch mal in der Lage ist, die Gegner zu provozieren.
Bedard wird nun, sofern kein Wunder passiert, also in Chicago landen. Dort dürfte er den in dieser Saison eingeleiteten Umbruch bei den Blackhawks massiv beschleunigen und die Ära nach Patrick Kane und Jonathan Toews einleiten. Der Schweizer Philipp Kurashev erhält einen interessanten neuen Teamkollegen.
The Blackhawks have already sold $2.5 million worth of season-ticket plans for 2023-24 in the 1.5 hours since winning the #1 pick — including more than 500 new full-season plans.
— Ben Pope (@BenPopeCST) May 9, 2023
Finanziell hat sich das Glück von Chicago bereits bemerkbar gemacht: In 1,5 Stunden nach der Draft-Lotterie haben die Blackhawks bereits Saisonkarten im Wert von 2,5 Millionen Dollar verkauft.
