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Premier-League-Quereinsteiger Ralph Krueger: «Das Fussballgeschäft ist viel komplexer als die NHL»

Ralph Krueger zusammen mit Klubbesitzerin Katharina Liebherr vor ein paar Tagen bei einem Freundschaftsspiel zwischen Southampton und Leverkusen.
Ralph Krueger zusammen mit Klubbesitzerin Katharina Liebherr vor ein paar Tagen bei einem Freundschaftsspiel zwischen Southampton und Leverkusen.Bild: Getty Images Europe
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Premier-League-Quereinsteiger Ralph Krueger: «Das Fussballgeschäft ist viel komplexer als die NHL»

Der deutsch-kanadische Doppelbürger Ralph Krueger (54) ist oberster Boss (geschäftsführender Präsident) beim FC Southampton in der höchsten englischen Liga. Der ehemalige Nationalcoach und NHL-Cheftrainer über Geld und Geist im internationalen Fussball-Business.
16.08.2014, 11:4816.08.2014, 12:48
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Ist Southampton eigentlich das Biel oder Ambrì der Premier League?
Ralph Krueger: Wenn Sie die Unterschiede zu den Top 7 in der Liga betrachten, ja, dann kann man das so sagen. Wir operieren mit einem Budget von rund 180 Millionen Franken. Die Grossen geben bis zu 500 Millionen Franken aus. Aber der Vergleich mit Ambrì oder Biel hinkt, weil wir in der Premier League unter den 20 Mannschaften zum Mittelfeld gehören und damit zählen wir zu den wichtigsten 30 Fussballunternehmen der Welt. 

Haben Sie bei allen Transfers das letzte Wort? 
Wir haben eine neue Führungsstruktur mit einem vierköpfigen Executive Board aufgebaut. Die Techniker tätigen die Transfers. Aber ein Transfer ist in diesem Geschäft so komplex und es geht um so viel Geld, dass ich letztlich mein Okay dazu gebe. In der NHL sind die meisten Transfers Tauschgeschäfte Spieler gegen Spieler oder Spieler gegen Draft-Rechte. Das können die Techniker selber machen. Aber im Fussball sind Tauschgeschäfte äusserst selten. Es geht um Spieler gegen sehr viel Geld. 

In welchem Rahmen haben Sie auf diese Saison hin transferiert?
Wir haben fünf Spieler für insgesamt 27 Millionen Franken verkauft und werden dieses Geld wieder investieren und streben an, dafür sieben bis acht neue Spieler zu bekommen.

Rickie Lambert (l.) und Adam Lallana (r.) sind zu Liverpool gewechselt.
Rickie Lambert (l.) und Adam Lallana (r.) sind zu Liverpool gewechselt.Bild: Getty Images Europe

Legt Klubbesitzerin Katharina Liebherr Geld drauf? 
Sie hat in den letzten vier Jahren viel Geld investiert. Jetzt streben wir schwarze Zahlen an. 

Sie wollen also werden wie die ZSC Lions, aber ohne die Subventionen von Walter Frey?
In einem gewissen Sinne stimmt der Vergleich.

Der FC Southampton ist im Besitz der 36-jährigen Aargauerin Katharina Liebherr. Das weiss auch anscheinend Roy Hodgson.
Der FC Southampton ist im Besitz der 36-jährigen Aargauerin Katharina Liebherr. Das weiss auch anscheinend Roy Hodgson.Bild: Catherine Ivill/freshfocus

Frau Liebherr soll gemäss Medienangaben bereits um die 100 Millionen Franken investiert haben. 
Das ist die offizielle Version in den Medien. Weiter kommentiere ich das nicht.

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Mit welchem Ziel haben Sie im Laufe der letzten Saison Ihre Arbeit begonnen? 
Wir wollen das bestgemanagte Fussballunternehmen der Liga werden. Wir wollen so stabile Strukturen schaffen, dass Spieler und Trainer kommen und gehen, ohne dass es Auswirkungen auf unser Leistungsvermögen hat. Als ich hier ankam, gab es im Führungsbereich ein Vakuum. Es war sozusagen nichts da. Jetzt haben wir alle Positionen besetzt und unsere Philosophie entwickelt. Wir besinnen uns wieder auf unsere Tradition und unsere Werte. Symbolisch dafür haben wir den alten Dress mit den Streifen wieder eingeführt. 

Southampton hatte also in erster Linie ein Führungsproblem.
Das sagen Sie, nicht ich.

War der Einstieg ins Fussballgeschäft für Sie als Quereinsteiger schwierig? 
Ja. Ich wusste am Anfang, wenn ich am Morgen aufstand, oft nicht, was ich machen sollte oder was der Tag bringen würde. Das Fussballgeschäft ist auch im Vergleich zur NHL viel komplexer und hat ganz andere Dimensionen. Wir stehen in Konkurrenz mit der ganzen Welt und im Gegenzug sind die Möglichkeiten und Chancen auch global. 

Nicht immer heitere Freude bei Krueger, ganz im Gegensatz zu Chefin Liebherr.
Nicht immer heitere Freude bei Krueger, ganz im Gegensatz zu Chefin Liebherr.Bild: Getty Images Europe

Ein Eishockeycoach als geschäftsführender Präsident eines Klubs in der Premier League, einer der wichtigsten Ligen der Welt, ist ungewohnt.
Quereinsteiger sind nicht so ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist eher, dass ich als Coach direkt ins Management eingestiegen bin. 

Wie lange wollen Sie in Southampton bleiben? 
Ganz sicher noch diese Saison. Dann werde ich sehen, ob meine Mission erfüllt ist oder ob ich ein weiteres Jahr hierbleibe. 

War die Rückkehr in die NHL kein Thema?
Doch. Ich hätte bei zwei NHL-Teams auf diese Saison hin Cheftrainer werden können. Ich habe mir die Sache lange überlegt, es reizte mich. Aber meine Arbeit in Southampton ist noch nicht zu Ende. Deshalb habe ich abgesagt. 

Ralph Krueger feiert mit Paul DiPietro dessen beiden Tore gegen Kanada bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin.
Ralph Krueger feiert mit Paul DiPietro dessen beiden Tore gegen Kanada bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin.Bild: KEYSTONE

Welche zwei NHL-Teams waren das?
Wenn Gerüchte über Verhandlungen mit NHL-Teams in Umlauf geraten wären, hätte das hier einen Riesenwirbel verursacht. Ich habe deshalb die NHL-Teams gebeten, die Sache diskret zu behandeln und so bleibt es auch.

Würden Sie sich denn zutrauen, auch ein Fussballteam zu coachen? 
Nein. Ich habe nicht das Fussballwissen, das für diese Arbeit erforderlich ist und das ich auch von einem Fussballtrainer erwarte. Ich bin wohl bereits zu alt, um mir dieses Wissen noch aneignen zu können. 

Aktueller Trainer bei Southampton ist der Holländer Ronald Koeman.
Aktueller Trainer bei Southampton ist der Holländer Ronald Koeman.Bild: Getty Images Europe

Ist denn Fussball so viel anders als Eishockey? 
Ja. Fussball ist ein langsameres, einfacheres, schlichteres und in einem gewissen Sinne auch für die Aktiven faireres Spiel als Eishockey. Die meisten Spieler stehen ja während des ganzen Matches im Einsatz. Da können sie zeigen, was sie wert sind und keiner kann sich verstecken. Im Eishockey gibt es wegen der fliegenden Wechsel Spieler, die bloss vier oder fünf Minuten Einsatzzeit bekommen und andere 20 oder 24 Minuten. Das macht es für die Spieler viel schwieriger, sich zu profilieren und das Coaching ist viel komplexer als im Fussball. 

Können Sie Fussballspieler so gut einschätzen wie Eishockeyspieler? 
Nein, aber ich bekomme schon ein gewisses Gefühl dafür, was einer fürs Team wert ist. Für die fachliche Einschätzung haben wir unsere Techniker. Wir haben auch 20 Scouts im Einsatz und sechs Leute, die praktisch rund um die Uhr TV-Aufnahmen und Videos von Fussballspielen in aller Welt auswerten. 

Sie waren Nationaltrainer in der Schweiz und zuletzt Cheftrainer in der NHL, der wichtigsten Liga der Welt. Was können Sie vom Fussball lernen? 
Sehr viel. Fussball ist nicht nur, wie ich schon sagte, ein globales und viel komplexeres Business als Eishockey. Fussball ist dem Eishockey auch im Einbezug der Sportwissenschaft weit voraus. 

Vor gut einem Jahr gab Ralph Krueger als Trainer bei den Edmonton Oilers noch Spielern wie Taylor Hall (r.) und Ryan Nugent-Hopkins Kommandos.
Vor gut einem Jahr gab Ralph Krueger als Trainer bei den Edmonton Oilers noch Spielern wie Taylor Hall (r.) und Ryan Nugent-Hopkins Kommandos.Bild: AP The Canadian Press

Wie viel verdienen die Spieler in der Premier League im Durchschnitt? 
Sie können davon ausgehen, dass es in der Startelf eines Teams in dieser Liga nicht viele gibt, die weniger als 2,5 Millionen Franken verdienen.  

Southampton ist stolz auf seine Akademie, seine Nachwuchsabteilung. 
Oh ja, die ist für uns von zentraler Bedeutung. Wir haben inzwischen wieder 45 Millionen in diese Akademie investiert. Wir bilden mit 170 Leuten rund 200 Spieler aus, um die wir uns auch neben dem Rasen kümmern und für eine Schulbildung sorgen. Unsere Scouts rekrutieren die Spieler schon im Alter von acht Jahren. Wir waren letzte Saison die Mannschaft, die am meisten U-21-Spieler eingesetzt hat und je mehr eigene Spieler wir im 25-Mann-Kader der ersten Mannschaft haben, desto tiefer sind unsere Kosten. Wir wollen eine der besten Fussballakademien der Welt sein. 

Haben Sie noch Kontakt zum Schweizer Hockey? 
Ja, natürlich. Mein Sohn Justin spielt ja beim SC Bern und in der deutschen Nationalmannschaft. Er hält mich auf dem Laufenden, und ich war zuletzt auch als Beobachter bei der WM in Minsk. Zudem habe ich eine Abmachung mit meiner Frau. Unabhängig davon, wo und was ich arbeite und welche Abenteuer in eingehe, bleibt unsere Heimat die Schweiz. 

Sohn Justin Krueger spielt für Deutschland in der Nationalmannschaft, im Klub steht er beim SC Bern unter Vertrag.
Sohn Justin Krueger spielt für Deutschland in der Nationalmannschaft, im Klub steht er beim SC Bern unter Vertrag.Bild: KEYSTONE

Sie waren Trainer auf höchstem Niveau. Jetzt sind Sie Sportmanager auf höchstem Niveau. Als letzte Herausforderung bleibt für Sie nur noch die Politik. 
Das lasse ich bleiben. Sie können mir glauben, dass im Fussballgeschäft schon genug Politik drin ist.  

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