Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Können wir uns vorstellen, dass der FC Basel wochenlang am Tabellenende der NLA stecken bleibt? Nach 15 Spielen mit weniger Punkten als Vaduz und Aufsteiger FC Lugano?
Nein, können wir nicht. Aber das sind die Dimensionen der Lugano-Krise. Was Basel im Fussball ist Lugano im Eishockey: die auf dem Papier beste Mannschaft und das Unternehmen mit der grössten Finanzkraft. Aufsteiger Langnau gibt etwa halb so viel Geld aus wie Lugano – und hat einen Punkt mehr. Der teuerste Sturm unserer Hockeygeschichte hat am zweitwenigsten Tore erzielt.
Wie ist so eine Krise nur möglich? Dass Lugano sein Potenzial nicht auszuschöpfen vermag, ist ja nicht neu. Sondern längst ein Mysterium des europäischen Klubhockeys: seit dem letzten Titel von 2006 haben die Tessiner nie mehr eine Playoffserie gewonnen und zweimal sogar die Playoffs verpasst. Alle Erklärungen über das Versagen von Starspielern oder Trainer greifen zu kurz.
Das Problem ist die ganz besondere Kultur dieses Unternehmens. Luganos Führungsstruktur können wir, passend zum lateinischen Kulturkreis, mit einem Satz des römischen Satirikers Juvenal auf den Punkt bringen: «Hoc volo, sic iubeo; sit pro ratione voluntas.» («Dies will ich, so befehle ich; statt eines Grundes gehe mein Wille»). Nach dieser Formel führt Vicky Mantegazza den HC Lugano. Sie sichert als Milliardärin bereits in der zweiten Generation die wirtschaftliche Existenz. Wer zahlt befiehlt.
Diese Allmacht zeigt sich in viel zu grosser Nähe zu den Spielern und zum Trainer. Diese Nähe der Führung zum Personal, zu der auch mal das Abklatschen der Jungs gehört, wenn sie vom Eis kommen («High five») ist für Lugano so typisch wie die Palmen am See.
Der fehlende Sozialabstand zwischen oberster Dienstherrin und Dienstboten begünstigt jene legendäre «Country Club-Atmosphäre» in Kalifornien Europas, die seit nun mehr einem Jahrzehnt die Leistungskultur untergräbt. In der Krise ist der Spieler, der Star, der Präsidentin immer näher als der Trainer. Nicht der Misserfolg alleine hat Patrick Fischer den Job gekostet. Sein Kardinalfehler war es, Damien Brunner unter die Wolldecke zu stecken. Den teuersten Schweizer Spieler. Das kann sich kein Trainer leisten.
Lugano beschäftigt mit Roland Habisreutinger zwar einen Sportchef. Aber der tüchtige Bündner ist bloss ein Operetten-Sportchef. Wer Trainer wird, welche Spieler geholt werden, wer gehen muss, wer bleiben soll, wer wieviel Lohn bekommt, kann er nicht entscheiden. Das letzte Wort hat die Präsidentin. Wer es gut hat mit ihr, der braucht um seine Privilegien nicht zu bangen.
Wegen dieser Nähe gilt beim Heuern und Feuern der Spieler und Trainer nicht das Primat der Leistung und der Eignung. Sondern das Primat der Sympathie oder das Primat der guten Beziehungen. Diese Struktur ist typisch für das Lugano der letzten zehn Jahre.
Typisch ist auch der Glaube an die Käuflichkeit des Erfolges. An die Gleichung: gute Spieler = gute Mannschaft = Erfolg. Dabei hat Vicky Mantegazza die Geschichte ihres Unternehmens vergessen. Ihr Vater Geo Mantegazza hat das «Grande Lugano» der späten 1980er Jahre (fünf Jahre, vier Titel) nicht einfach zusammengekauft.
Der Milliardär ermöglichte es viel mehr einem linksintellektuellen Trainer (John Slettvoll), eine Mannschaft zu entwickeln bis sie taktisch die mit Abstand beste der Liga war und im vierten Amtsjahr den ersten Titel holte. Das Lugano von heute, die teuerste aller Zeiten, zusammengekauft als allen vier Ecken der Hockeywelt, ist hingegen die taktisch miserabelste Mannschaft seit Einführung der Playoffs (seit 1986).
Trainer Patrick Fischer war in Lugano durch alle Böden hindurch gestützt worden – in der Hoffnung, auch er möge, wie einst John Slettvoll, eine grosse Mannschaft formen. Schliesslich haben die unzähligen Trainerwechsel seit 2006 (mehr als zehn) nie etwas bewirkt. Aber nun muss auch er gehen.
Das Problem ist eben: je besser eine Mannschaft, desto besser muss der Trainer sein. Es ist nicht so, dass es für einen Trainer einfacher ist, mit einer talentierten Mannschaft erfolgreich zu sein als mit einer nominell mässigen. Grosse Mannschaften brauchen noch grössere Trainer. Das Ego des Trainers muss grösser sein als die gesammelten Egos seiner Stars. Es ist ja Bayern München, Barcelona oder Liverpool auch noch nie in den Sinn gekommen, Hanspeter Zaugg, Urs Meier, Vladimir Petkovic, Uli Forte oder Harald Gämperle als Trainer zu engagieren.
Seit 2006 stehen alle Trainerverpflichtungen unter dem Primat der Sympathie und der guten Beziehungen und nicht unter dem Primat der Eignung. Es kamen in der Regel ehemalige Grössen wieder, die man als Trainer oder Spieler von früher schon kannte und oft nur noch eine Karikatur ihrer selbst waren (wie Barry Smith, Larry Huras, John Slettvoll. Philippe Bozon, Kari Eloranta, Kenta Johansson). Auch Patrick Fischer stürmte einst für Lugano. Einen grossen Trainer hatte Lugano seit 2006 nicht mehr.
Lugano braucht für die dauerhafte Rückkehr an die nationale Spitze mehr inneren und äusseren Abstand zwischen Chefbüro und Kabine und endlich, endlich wieder einen grossen Trainer. Keinen Zauberlehrling.
Wer eine so gute Mannschaft hat wie Lugano, der hat grosse Schwierigkeiten, einen noch besseren Trainer zu finden. Es müsste ein grosser Trainer sein. Einer mit dem Charisma, der Erfahrung, der Unbeirrbarkeit und der Kompetenz eines Ralph Krueger, Chris McSorley, Arno Del Curto: Oder des Sozialist John Slettvoll, bevor ihn Geld und Ruhm im hockeytechnischen Sinne verdorben haben. Es wird für Vicky Mantegazza und ihren Consigliore Roland Habisreutinger schwierig sein, diesen Trainer zu finden.
Wenigstens sollte es für Patrick Fischer kein Problem sein, einen neuen Job zu finden. Der Verband sucht ja noch immer einen Nationaltrainer und bei dieser Suche gilt nicht das Primat der Erfahrung oder des Leistungsausweises. Sondern das Primat des Passes. Es muss ein Schweizer sein.
Warum nicht Patrick Fischer als Nationaltrainer? Kein Schelm, wer denkt, dass ihn Lugano nach zähen Verhandlungen schliesslich aus dem bis 2018 laufenden Vertrag unter dem Ausdruck allerhöchsten Bedauerns freigeben würde. Und eine so schlechte Lösung wäre das ja nicht. Immerhin war Patrick Fischer unter Sean Simpson 2013 Silber-Hilfsschmied.
Auch wenn sich jetzt gezeigt hat, dass sein Charisma nicht ausreicht, um fehlendes taktisches Gespür und Erfahrung auszugleichen - wir sollten Patrick Fischer nicht Unrecht tun. Er hat Lugano immerhin schon zweimal hintereinander in die Playoffs gebracht. Das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Das Ziel für Patrick Fischers Nachfolger ist nämlich, das «Grande Lugano» überhaupt in die Playoffs zu bringen.