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Arosas vergessene Erben des Ruhmes – die «ärmsten Kerle unseres Hockeys»

Die Spieler des EHC Arosa feiern nach ihrem 7:2-Auswaertssieg ueber Erzrivale Davos am 24. Februar 1982 in Davos den soeben gewonnenen Schweizer Meistertitel. (KEYSTONE/Str)
24. Februar 1982: Der EHC Arosa feiert nach dem 7:2-Auswärtssieg über Erzrivale Davos den soeben gewonnenen Schweizer Meistertitel.Bild: KEYSTONE
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Die «ärmsten Kerle unseres Hockeys» – was alles im Vertrag eines Arosa-Spielers steht

Welche Rechte und Pflichten haben eigentlich unsere Hockey-Stars? Ein seltenes Dokument erlaubt einen tiefen Einblick in die Mechanismen unseres Profihockeys und zeigt zugleich, wie hart das Leben in unserer höchsten Amateurliga sein kann.
25.01.2020, 15:44
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Die Rechte und Pflichten eines Hockey-Profis sind im Arbeitsvertrag festgeschrieben. Jeder Arbeitsvertrag hat eine Geheimhaltungsklausel. Deshalb gab es bisher nur bruchstückhafte Einblicke in die wahre Arbeitswelt der Hockeystars. Doch nun können wir mit dem Original eines Hockey-Arbeitsvertrags aufzeigen, wie streng das Leben der Profis geregelt ist. Dieses Papier ist auf einem interessanten, legalen und offiziellen Weg an die Öffentlichkeit gelangt.

Die «MySports League» ist unsere dritthöchste Spielklasse und dürfte eine der besten dritten Ligen der Welt sein. Sie ist die national ausgerichtete höchste Amateurliga. Das Niveau ist sehr hoch. Aus dieser Liga heraus ist es nicht unmöglich, den Sprung in die Swiss League oder gar die National League zu schaffen. Praktisch jeder Spieler ist mindestens auf dem Niveau der Elite-Junioren ausgebildet worden. Bei 32 Qualifikationsrunden plus Playoffs kommt der Aufwand für Trainings und Spiele nahe an die Swiss League heran. Acht der zwölf Teams spielten einst in einer der beiden höchsten Ligen oder sind ihre juristischen Nachfolgeorganisationen. Mit dem EHC Arosa ist auf diese Saison sogar ein mehrfacher Schweizer Meister (letzter Titel 1982) in die «MySports League» aufgestiegen. Arosa hatte sich im Frühjahr 1986 aus wirtschaftlichen Gründen freiwillig aus der NLA ins Amateurhockey (1. Liga) zurückgezogen.

Weil auch in der «MySports League» Geld verdient wird, verwenden die Klubs in der Regel die Standard-Arbeitsverträge wie sie auch in der National League für Profis üblich sind. Arosas tüchtiger Geschäftsführer Adrian Fetscherin hat soeben den Vertrag mit seinem Stürmer Patrick Bandiera (24) verlängert. Der erfahrene Kommunikations-Profi – er war unter anderem Medienchef bei Fussball-GC – hat nicht nur die sonst übliche, eigentlich ja langweilige Medienmitteilung über die Weiterverpflichtung per Mail verschickt. Er hat auch gleich den vollständigen Vertrag im Original mitgeliefert. Das ist wahrlich moderne, transparente, vorbildliche Kommunikation und es ist sehr und mit allem Nachdruck zu wünschen, dass dieses Beispiel künftig auch in der höchsten Liga Schule machen wird.

Patrick Bandiera produziert nicht ganz einen Punkt pro Spiel. Der ehemalige Elite-Junior, Junioren-Internationale und U18-WM-Teilnehmer ist ein typischer Spieler der «MySports League». Es reicht nicht ganz für eine grosse Profi-Karriere in der höchsten Liga. Aber er ist viel zu gut, um bloss ein Amateur zu sein. Und so ist er eben in Arosa oben gelandet und hat dort einen Arbeitsvertrag, der in der Form jenen in der National League entspricht und für die «MySports League» repräsentativ ist. Das elf-seitige Dokument listet unter anderem eine interessante Fülle von Pflichten auf. Sie sind auf drei A-4-Seiten bis ins Absurde detailliert aufgeführt.

So ist es dem Spieler unter anderem ausdrücklich verboten

  • sich negativ über den Club zu äussern.
  • ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Club ein Motorrad zu fahren oder Sportarten wie Klettern, Ski, Snowboard, Fussball, Flugsportarten und Vergleichbares auszuüben.
  • Entschädigungen von Dritten anzunehmen oder in Aussicht zu stellen.
  • eine berufliche Tätigkeit auszuüben, die die Interessen des Klubs beeinträchtigen.
  • an Wett- und Tippspielen teilzunehmen, die das Eishockey betreffen. Ein Verstoss gegen dieses Verbot führt zu fristloser Auflösung des Vertrages.
Adrian Fetscherin, links, posiert an einer Medienkonferenz am Freitag, 10. Februar 2012 in der Kolping Arena in Kloten. Adrian Fetscherin wird ab dem 1. Mai 2012 Geschaeftsfuehrer und Delegierter des  ...
Mit gutem Beispiel voran: EHC Arosa-Geschäftsführer Adrian Fetscherin.Bild: KEYSTONE

Der Spieler ist verpflichtet

  • sämtliche Trocken- und Eistrainings zu besuchen.
  • sämtliche Spiele zu bestreiten, zu denen er aufgeboten wird.
  • an allen vom Club als obligatorisch erklärten Anlässen und Veranstaltungen teilzunehmen.
  • bei allen offiziellen Anlässen stets ohne Kopfbedeckung (Hut, Kappe, usw.) zu erscheinen, übermässigen Alkoholgenuss zu unterlassen und gänzlich auf sämtliche Arten von Suchtmitteln (Tabak, Snus usw.) zu verzichten.
  • den mannschaftsinternen Bussen- und Strafenkatalog zu anerkennen.
  • am Ende des Sommertrainings einen Test zu absolvieren. Fällt der Test ungenügend aus, werden 500 Franken vom Lohn abgezogen.
  • beim Skateathon teilzunehmen und dabei mindestens 500 Franken für den Klub herauszulaufen. Gelingt das nicht, muss aus eigenem Sack auf 500 Franken aufgestockt werden.
  • einen sog. «Spielergötti» für seine Autogrammkarte zu suchen. Dieser «Spielergötti» erhält zwei Saisonabi. Findet der Spieler keinen Götti, werden ihm 540 Franken vom Lohn abgezogen.

Schriftlich ist auch gleich geregelt, was zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung führt:

  • unbegründetes Fernbleiben von obligatorischen Aufgeboten im Wiederholungsfall.
  • schädigendes Verhalten in der Öffentlichkeit.
  • Abstieg der Mannschaft.

Patrick Bandiera wird natürlich auch bezahlt. Sein Vertrag entspricht zwar den Grundzügen der Profiverträge in der höchsten Liga. Aber nicht sein Lohn. Er verdient in Arosa für die ganze Saison 11'500 Franken. 5000 Franken als Bruttogehalt, 5000 Franken als Spesen für die Ausrüstungskoten und 1500 Franken Reisespesen. Dieser Betrag wird ihm nächste Saison vom August 2020 bis zum März 2021 in acht Monats-Raten ausbezahlt.

Beim EHC Arosa gibt es zudem Klauseln, die in der National League in der Regel in den Verträgen nicht enthalten sind:

  • alle Kosten im Zusammenhang mit Spieldauerdisziplinarstrafen (Restausschlüssen) sind vom Spieler zu berappen. «Gratis» sind hingegen Bussen im Zusammenhang mit 10 Minuten-Ausschlüssen.
  • Spiele, die aufgrund von Sperren nicht absolviert werden können, führen zu prozentualem Lohnabzug. So wie in der NHL.

Allerdings kann sich Patrick Bandiera etwas dazuverdienen und so das karge Salär aufbessern. Wenn er einen neuen Sponsor bringt (es dürfen aber keine bestehenden Sponsoren angegangen werden), erhält er eine einmalige Provision von 10 Prozent des Sponsorenbetrages. Er kann mit dieser Möglichkeit seine jährliche Entschädigung maximal verdoppeln.

Der EHC Arosa war einst einer der berühmtesten Vereine Europas und gewann zwischen 1951 und 1957 sieben Mal in Serie die Meisterschaft und dann weitere zwei Titel 1980 und 1982. Die Erben dieses wahrlich grossen Ruhmes sind heute die ärmsten Kerle unseres Eishockeys. Mit den gleichen Pflichten (und noch einigen mehr) wie die Profis in der höchsten Liga. Aber nur mit einem Bruchteil der Profisaläre. Was uns zeigt: wer in der «MySports League» spielt, tut dies aus Leidenschaft für das Spiel. Oder wie die Kanadier sagen: «For the Love of Hockey». Auch deshalb ist die «MySports League» eine der besten dritten Ligen der Welt.

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HC Davos: 5 - Marc Gianola.
quelle: keystone / fabrice coffrini
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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Resche G
25.01.2020 16:53registriert Februar 2016
Sponsorenlauf und Spielergöti 😂 Wie hab ich diese Bätlerei geshasst...
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aglio e olio
25.01.2020 16:33registriert Juli 2017
"...übermässigen Alkoholgenuss zu unterlassen und gänzlich auf sämtliche Arten von Suchtmitteln (Tabak, Snus usw.) zu verzichten."
Ja wie denn nun? :)
18010
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Zum Kommentar
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Devante
25.01.2020 18:09registriert Mai 2014
Auf Snus verzichten 😂 ja genau
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